Wegen Plagiatsvorwürfen
SGV widerruft Wahl von Henrique Schneider zum Direktor

Der mit Plagiatsvorwürfen konfrontierte Henrique Schneider wird doch nicht neuer Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbands (SGV). Der Vorstand hat am Freitag aufgrund eines Rechtsgutachtens seine Wahl widerrufen. Das Gutachten erwähnt «serienmässiges Plagiieren».
Publiziert: 09.06.2023 um 17:23 Uhr
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Aktualisiert: 09.06.2023 um 18:25 Uhr
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Henrique Schneider (m.) wird doch nicht Direktor vom Schweizerischen Gewerbeverbands.
Foto: KEYSTONE

Mitglieder des Gewerbeverbands fürchteten im Wahljahr einen Imageverlust, nachdem Vorwürfe gegen den neuen Direktor Henrique Schneider (45) bekannt geworden sind. Auch seine Nähe zur AfD soll er erklären, hiess es Ende März in einem Brief an den Präsidenten des Verbands.

Die Vorwürfe gegen den damals frisch gewählten Direktor des Gewerbeverbands (SGV), Henrique Schneider, sind happig. Gemäss mehreren Medienberichten soll ihn ein Plagiatsforscher dem Abschreiben ertappt haben – zudem soll er es nicht so genau genommen haben, was seinen Lebenslauf angeht. Er habe sich in seinen Publikationen mit akademischen Titeln geschmückt, die er gar nicht trage. Schneider dementierte diese Vorwürfe bisher stets.

«Serienmässiges Plagiieren»

Nun liegt ein Rechtsgutachten der Anwaltskanzlei Bartschi vor, das der Vorstand des Gewerbeverbands in Auftrag gegeben hatte. Sein Inhalt lässt Schneider in keinem guten Licht dastehen: Denn er wird doch nicht neuer Direktor. Der Vorstand hat am Freitag aufgrund des Gutachtens seine Wahl widerrufen. Das Gutachten bestätige «serienmässiges Plagiieren».

«Für den SGV ist die Glaubwürdigkeit das höchste Gut. Daher hat sich der Vorstand nach eingehender Diskussion für diesen Schritt entschieden», erklärt Verbandspräsident Fabio Regazzi (60) laut Medienmitteilung. In einer arbeitsrechtlichen Beurteilung stuft die Anwaltskanzlei das serienmässige Plagiieren als klares Fehlverhalten und als Treuepflichtverletzung ein. Diese sei aber nicht gravierend, da es sich beim Gewerbeverband nicht um einen «wissenschaftlichen Tendenzbetrieb» handle.

Zum bei der Bewerbung als SGV-Direktor eingereichten Lebenslauf hält das Gutachten fest, dass sich keine eigentlichen Falschangaben eruieren liessen. Auch von einer Schönung könne nicht die Rede sein, da Schneider etwa sein Doktorat nicht einmal aufgeführt habe.

Vorstand sah keine andere Möglichkeit

Das Rechtsgutachten hat im Vorstand des Gewerbeverbands einiges zu reden gegeben. Letztlich aber war klar: «Auf der einen Seite steht der grosse, überzeugende Leistungsausweis von Henrique Schneider. Er hat sich im SGV sehr verdient gemacht», so Regazzi. «Auf der anderen Seite geht es um die Glaubwürdigkeit und den Ruf des Verbands nach innen und nach aussen. Der Vorstand des SGV bedauert den Entscheid sehr, hält ihn aber für notwendig, da wir die Glaubwürdigkeit des SGV nicht gefährden dürfen.»

Schneider bleibt bis auf Weiteres stellvertretender Direktor des SGV. Der Vorstand wird nun über das weitere Vorgehen beraten und die Nachfolgesuche für den per 1. Juli altershalber zurücktrenden Direktor Hans-Ulrich Bigler (65) in Angriff nehmen.

Der Vorstand will nun dessen Nachfolge erneut an die Hand nehmen. Da es in den Statuten keine Regelung für den Widerruf einer Wahl gibt und wegen des Zeitdrucks entschied der Vorstand allein und informierte die Gewerbekammer, das eigentliche Gewerbeparlament, nur.

Kritik aus der Gewerbekammer

Mitglied in der Gewerbekammer ist Alois Gmür (68). Der Mitte-Nationalrat zeigt sich erleichtert, dass sich der Gewerbeverband nun von Henrique Schneider trennt. «Er wäre eine zu grosse Belastung gewesen», sagt er. Aus anderen Wirtschaftsverbänden sei die Skepsis Herrn Schneider gegenüber von Anfang an sehr gross gewesen – «schon vor den Meldungen über die Plagiate».

Der Gewerbeverband brauche jetzt einen «moderaten und diplomatischen Direktor, der alle Haltungen respektiert, die es zur politischen Meinungsbildung braucht. Keinen Selbstdarsteller». Gmür hofft, dass die neue Wahl anders abläuft als jene von Schneider. «Wie unser Verband ja kommunizierte, hatte die Gewerbekammer ihn ja ohne Gegenstimme gewählt. Diese scheinbare Einstimmigkeit kam ja nur zustande, weil es keinen Gegenkandidaten gab. Wieviele Leute sich bei Henrique Schneider enthielten, hat man natürlich nicht verraten. Neu braucht es eine Auswahl!», sagt der Bierbrauer.

«Schlechter Stil»

Gmürs Kritik richtet sich aber auch gegen das Präsidium: «Mit den Querelen um Henrique Schneider hat der Gewerbeverband sicherlich nicht an Vertrauen gewonnen. Aber die heutige Kommunikation hilft da auch nicht», so der Nationalrat. «Wenn man bis spät am Freitagnachmittag wartet, um kurz vor dem Wochenende eine Medienmitteilung verschicken zu können, und wenn dann der Gewerbepräsident grad nicht mehr erreichbar ist, ist das schlechter Stil. Professionelle Medienarbeit sieht anders aus», rüffelt er Präsident Fabio Regazzi (60) – ebenfalls ein Mitte-Nationalrat. (dba/pt)

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