Abgesetzter Direktor soll zurückkommen
Gegen-Revolte im Gewerbeverband

Nach Plagiatsvorwürfen hatte der Gewerbeverband Henrique Schneider als Direktor abberufen. SVP- und FDP-Politiker wollen den Entscheid umstossen.
Publiziert: 25.06.2023 um 00:47 Uhr
|
Aktualisiert: 26.06.2023 um 14:25 Uhr
1/6
Keine besten Freunde: Gewerbeverbandsdirektor Hans-Ulrich Bigler (l.) und Präsident Fabio Regazzi haben das Heu nicht auf der gleichen Bühne.
Foto: Keystone
Blick_Portrait_1253.JPG
Camilla AlaborRedaktorin

Henrique Schneider (45) ist bereits zum Direktor des Gewerbeverbands gewählt, als die «NZZ am Sonntag» diesen Frühling einen aufsehenerregenden Artikel publiziert: Schneider soll sich mit falschen Titeln geschmückt und wiederholt plagiiert haben.

Nach der Publikation des Artikels lässt der Gewerbeverband die Vorwürfe von externer Stelle untersuchen. Die beauftragte Anwaltskanzlei kommt zum Schluss, dass Schneider «serienmässig plagiiert» hatte. Vor zwei Wochen widerruft der Vorstand um Präsident und Mitte-Nationalrat Fabio Regazzi (61) deshalb die Wahl von Henrique Schneider zum Direktor.

Bigler soll weitere sechs Monate bleiben

Mit diesem Entscheid sind nicht alle einverstanden. Ja, es bildet sich eine regelrechte Gegenbewegung, bestehend in erster Linie aus SVP- und FDP-Politikern. Sie verlangen für nächsten Mittwoch eine ausserordentliche Sitzung der Gewerbekammer, des Parlaments des Gewerbeverbandes. Ihr Antrag, über den die «Aargauer Zeitung» zuerst berichtete, liegt SonntagsBlick vor. Er beinhaltet drei Punkte. Erstens soll der bisherige Direktor, Hans-Ulrich Bigler, mindestens sechs weitere Monate im Amt bleiben, statt per Ende Juni zurückzutreten. Zweitens soll der Vorstand «unter Einbezug aller Beteiligten» die Gutachten «sauber aufarbeiten» und der Gewerbekammer «transparent darlegen». Drittens soll Henrique Schneider sein Amt als Direktor antreten, wenn Bigler ausgeschieden ist.

Mit Schneiders Wahl als Direktor sei ein gültiger Arbeitsvertrag zustande gekommen, argumentiert PR-Berater Robert Gubler, der Absender des Antrags. «Mit dem Vorgehen des Vorstandes droht eine Klage auf missbräuchliche Kündigung.»

Robert Gubler will sich auf Anfrage nicht äussern. Dafür aber FDP-Nationalrat Matthias Jauslin (61), der den Antrag ebenfalls unterschrieben hat, ebenso wie die SVP-Nationalräte Benjamin Giezendanner (41) und Thomas Hurter (59).

Plagiate nicht überbewerten

Man sei mit dem Vorgehen des Vorstands nicht einverstanden, sagt Jauslin: «Wir kennen den tatsächlichen Inhalt des Untersuchungsberichts zu Henrique Schneider nicht – weder den ganzen Bericht noch die Zusammenfassung.» Im Gewerbeverband habe Schneider laut Vorstand ja einen guten Job gemacht. Ähnlich äussert sich SVP-Nationalrat Benjamin Giezendanner: «Als kantonaler Gewerbeverband fühlen wir uns vom Vorstand übergangen.» Die Plagiate seien nicht überzubewerten.

Auch die externe Kanzlei kam zum Schluss, dass Schneider zwar ein «klares Fehlverhalten» gezeigt habe. Dieses sei aber «nicht gravierend», da es sich beim Gewerbeverband nicht um einen «wissenschaftlichen Tendenzbetrieb» handle.

Misstrauensvotum gegen Präsident Regazzi

Wie die Abstimmung am Mittwoch ausfällt, ist offen. Klar ist: Der Antrag ist ein Misstrauensvotum gegen den Präsidenten Fabio Regazzi. Der Tessiner, kein Freund des aktuellen Präsidenten Hans-Ulrich Bigler, hat im rechtsbürgerlich dominierten Verband einen schweren Stand. Nichts zeigt dies besser als das KMU-Rating des Verbands zur «Gewerbefreundlichkeit» der Parlamentarier. Regazzi landete dort auf Platz 85 – eine deutliche Botschaft.

Manche Politbeobachter sehen im Manöver, Schneider zurückzuholen, gar einen Versuch, Regazzis Kandidatur als Ständerat zu sabotieren – um so die Gefahr für den Tessiner SVP-Ständerat Marco Chiesa zu entschärfen, seinen Sitz zu verlieren.

Doch die Wahrheit ist vermutlich banaler: Es ist ein simpler Machtkampf.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?