Auf einen Blick
- PUK-Bericht deckt Mängel bei CS-Untergang auf. Behörden verhinderten globale Finanzkrise
- CS-Führung ignorierte Finma-Warnungen und zeigte sich renitent gegenüber Interventionen
- CS machte 33,7 Milliarden Franken Verlust, zahlte aber 39,8 Milliarden Boni aus
Was für eine Arbeit! Sie haben in anderthalb Jahren Arbeit 30’000 Seiten analysiert, 79 Personen einvernommen und unter strengsten Sicherheitsauflagen getagt. Jetzt hat die 14-köpfige Parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) ihre Erkenntnisse zum Handeln der Behörden rund um den Untergang der Credit Suisse vorgestellt. Was lief falsch? Was hätte besser gemacht werden können? Das sind die zehn Erkenntnisse.
Eine renitente Bank
Die Schweizer Behörden und ihr Handeln stehen im Fokus des PUK-Berichts. Doch gleich zu Beginn betonen die Parlamentsermittler um Chefin Isabelle Chassot (59, Mitte): Die Behörden sind keineswegs schuld am Untergang der Credit Suisse. In der Verantwortung stehen der Verwaltungsrat und die Manager. Diese haben zwar kräftig abkassiert (zwischen 2010 und 2022 machte die Bank 33,7 Milliarden Franken Verlust – und zahlte 39,8 Milliarden Franken Boni aus), liessen die Bank dennoch von Skandal zu Skandal schlittern, sodass das Vertrauen von Anlegern und Kunden schliesslich weg war.
Dabei wurde die Bank von der Finanzmarktaufsicht (Finma) streng beobachtet und immer wieder gemahnt. Die Finma zweifelte an der Geschäftsstrategie der Bank, kritisierte ihre Boni-Politik, sah Probleme bei den Eigenmitteln, prangerte fehlendes Risikomanagement an, bemängelte stetige Wechsel in der Geschäftsleitung und benannte Lücken im Geldwäschereidispositiv. Es gab auch Verfahren gegen die Bank. Doch die Interventionen brachten nicht viel. Die PUK schreibt: «Verwaltungsrat und Geschäftsleitung zeigten sich renitent gegenüber zahlreichen Interventionen der Finma.» Es folgte trotz aller Massnahmen ein Skandal auf den nächsten.
Für die PUK ist deshalb klar: Die Finma braucht schärfere Zähne. Sie muss härter durchgreifen können. Und gewisse Verfahren muss sie öffentlich machen dürfen. Denn das erzeugt Druck. Allerdings hätte die Finma aus Sicht der PUK bereits jetzt gewisse Vorkommnisse härter ahnden können.
Krise? Doch nicht bei der CS!
Auch als die CS Anfang 2023 schon ganz tief im Schlamassel steckte, leistete man sich noch Überheblichkeiten. Die Bankspitze fand (ganz im Gegensatz zur UBS) keinen Termin für einen Antrittsbesuch der neuen Finanzministerin Karin Keller-Sutter. Auch als die Finma das Verkaufsszenario voranzutreiben begann und von der CS die Bereitstellung notwendiger Daten verlangte, verspürte man bei der CS keinen Vorwärtsdrang.
Die notwendigen Daten wurden nur schleppend geliefert, bei der Dokumentation kam es zu «eklatanten Mängeln», Informationen waren unvollständig oder wurden «teilweise gar nicht zur Verfügung gestellt». Bundesrat Ueli Maurer wird zitiert, er habe den Eindruck gehabt, «dass sich der Verwaltungsrat der UBS ausführlicher als die CS selbst mit der Übernahme der CS auseinandergesetzt hatte».
Der grosse Fehler der Finma
2017 änderten Vorschriften in der Rechnungslegung. Im Rahmen dieses Systemwechsels gewährte die Finma der CS ab 2017 Erleichterungen in Sachen Eigenkapitalvorschriften. Dieser sogenannte regulatorische Filter war zwar rechtmässig. Er wirkte aber viel stärker als erwartet und hübschte die Eigenkapitalbilanz der CS auf: Statt wie geschätzt mit 8 Milliarden schlug er mit 15,3 Milliarden zu Buche und steigerte damit buchhalterisch die Kapitaldecke der Bank. Ohne diesen Filter hätte die CS die Eigenmittelvorschriften schon 2021 und 2022 nicht mehr erfüllt, schreibt die PUK.
«Der Filter erlaubte es der CS, den Anschein genügender Kapitalisierung bis zum Schluss aufrechtzuerhalten», heisst es im Bericht. Ohne den Filter hätten vielleicht früher Kapitalerhöhungen angeordnet werden müssen – zu einer Zeit, als dies noch einfacher möglich gewesen wäre. Hier sieht die PUK grossen Handlungsbedarf: Systemrelevante Banken sollen keine solchen Erleichterungen mehr erhalten.
Die Angst vor der Hilfe
Die Nationalbank kann in einer Krise ausserordentliche Liquiditätshilfen für Banken bereitstellen. Die CS überlegte dreimal, solche in Anspruch zu nehmen, etwa als im Oktober 2022 rund 90 Milliarden Franken Kundengelder abflossen. Die Bank tat es aber nicht, weil sie in einer schwierigen Situation nochmals einen Reputationsschaden befürchtete, wenn sie Hilfe nötig hat. Gleichzeitig entstand in der PUK der Eindruck, dass sich die CS selbst nicht genügend auf den Bezug von Liquiditätshilfen vorbereitet hat. Die PUK will deshalb, dass die Nationalbank oder die Finma einer systemrelevanten Bank in diesem Bereich künftig Auflagen machen kann.
Zu viel Bankenlobby in Bern
Auf die Finanzkrise und den Fast-Untergang der UBS 2008 reagierte die Schweiz wie andere Staaten auch mit der «Too Big to Fail»-Regulierung. Die Schweizer Vorschriften waren, auch im internationalen Vergleich, streng, wenn nicht gar vorbildlich. Die PUK beobachtet, dass Bundesrat und Parlament ab 2015 den Anliegen der Bankenlobby wieder vermehrt Gehör schenkten, die aufgrund strengerer Regeln um die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Banken fürchtete. Man habe den Anliegen der Banken «eine zu grosse Bedeutung» eingeräumt, schreibt die PUK. «So gewährte der Bundesrat diesen verschiedentlich verlängerte Übergangsfristen bei gesetzlichen Weiterentwicklungen oder schlug die Übernahme internationaler Standards verzögert vor.»
Wo die Schweiz hinterherhinkt
Besonders in einem Punkt hinkte die Schweiz dem Ausland hinterher bei der Regulierung: Bis heute gibt es keinen sogenannten Public Liquidity Backstop, kurz PLB. Bei einem PLB würde die Nationalbank einer angeschlagenen Bank Liquiditätshilfen gewähren. Diese sind von einer Ausfallgarantie des Bundes gedeckt. In anderen Ländern gibt es dieses Instrument zur Bankenrettung schon länger, in der Schweiz forderten es ab 2018 auch die Nationalbank und die Finma. «Mit einem gesetzlich verankerten PLB hätten die Behörden schon im Herbst ohne Notrecht vertrauensbildend eingreifen können», schreibt die PUK zum Oktober 2022, in dem bei der CS massiv Kundengelder abgezogen wurden und die Situation kritisch wurde.
Der Fokus liegt jetzt auf der UBS
Für die PUK ist keine Frage: Bei der Regulierung von Grossbanken besteht in der Schweiz noch Luft nach oben. Vor allem jetzt, wo es nicht mehr zwei Grossbanken, sondern nur noch eine Megabank gibt. Die UBS ist um ein Vielfaches grösser als das Bruttoinlandprodukt. Deshalb müssen die Regeln verschärft werden. Die Notfallplanung für systemrelevante Banken muss zudem internationaler ausgerichtet werden, heute ist sie zu stark auf die Schweiz fokussiert, was bei einer international breit vernetzten Bank nicht sinnvoll ist.
Ueli Maurer als Einzelgänger
Zwar haben die Behörden aus Sicht der PUK von Anfang an die wichtigsten Auswege aus der Krise analysiert und durchgespielt. Die PUK bemängelt jedoch, «dass in dieser Phase nicht alle involvierten Behörden auf dem gleichen Wissensstand waren, was ein früheres dezidiertes Eingreifen möglicherweise erschwert hat.» Finanzminister Ueli Maurer etwa, bis Ende 2022 im Amt, wagte Einzelgänge und informierte seine Bundesratskollegen zeitweise nur spärlich. Maurers Informationspolitik habe «zu wünschen übrig gelassen», so das Fazit der PUK. Eine Dossierübergabe an seine Nachfolgerin gab es nicht wirklich: Karin Keller-Sutter erhielt kein schriftliches CS-Dossier, als sie 2023 das Finanzdepartement übernahm. (Mehr Details aus dem PUK-Bericht zu Ueli Maurers Rolle findest du hier.)
Die PUK fordert den Bundesrat deshalb auf, bei wichtigen Geschäften angemessen und mit schriftlichen Vorlagen zu informieren und die Amtsübergaben besser zu regeln. Auch die Kommunikation zwischen den Krisenorganen soll verbessert werden, ebenso der Austausch zwischen Bund und Nationalbank betreffend systemrelevanter Banken. Und die PUK erinnert den Bundesrat daran, dass es Protokollierungspflichten gibt und er der Öffentlichkeit Rechenschaft ablegen muss. Die PUK sieht es kritisch, dass für den CS-Verkauf der Zugang der Bürgerinnen und Bürger zu amtlichen Dokumenten per Notrecht ausgehebelt wurde.
Quasi inexistente Früherkennung von Risiken
Beim Bundesrat und in der zuständigen Bundeskanzlei fehlt laut der PUK eine Krisenfrüherkennung, «die der Bezeichnung gerecht werden würde». Sie fordert deshalb Verbesserungen. Nur wenn Krisen so früh als möglich erkannt würden, könnten «die richtigen Schlüsse gezogen werden».
Die Finanzwelt gerettet
Die PUK lobt die umfangreichen Vorarbeiten der Behörden ab Herbst 2022. So habe die CS auch in den verhängnisvollen März-Tagen, als die Geschichte der Credit Suisse definitiv zu Ende ging, noch zahlungsfähig gehalten werden können. Das Fazit: Auch dank dem Handeln in Bern wurde letztlich eine globale Finanzkrise abgewendet. Die Behörden hätten dabei den Kauf der CS durch die UBS klar bevorzugt. Eine Lösung mit einer ausländischen Bank wäre aus Sicht der PUK «für die Wettbewerbssituation in der Schweiz vorteilhafter gewesen». Dass es nicht so gekommen ist, ist aber aus Sicht der PUK nachvollziehbar. Denn was das Alternativszenario gewesen wäre, wenn die UBS nicht zugegriffen hätte, ist auch der PUK nicht ganz klar.