Präsident des Gewerbeverbands zur Abschaffung des Eigenmietwerts
«Die jetzige Variante ist hochproblematisch»

Der Präsident des Gewerbeverbandes markiert grosse Distanz zum EU-Vertragspaket. In der Mitte-Partei sei der Widerstand stärker als in der FDP.
Publiziert: 30.01.2025 um 12:18 Uhr
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Aktualisiert: 30.01.2025 um 14:23 Uhr
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Fabio Regazzi, Ständerat und Präsident des Gewerbeverbands.
Foto: keystone-sda.ch

Auf einen Blick

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Wir kennen den Vertragstext nicht, wir sind demokratisch organisiert, deshalb können wir keine Position beziehen – der Präsident des Schweizerischen Gewerbeverbandes (SGV), Fabio Regazzi, drückt sich um eine klare Haltung in der EU-Frage. Dies im Gegensatz zum anderen Wirtschaftsdachverband Economiesuisse, der sich klar zum Vertragspaket bekennt. Doch im Gespräch mit dem Mitte-Ständerat wird zwischen den Zeilen klar: Regazzi nennt hauptsächlich Gründe, die gegen das EU-Vertragspaket sprechen. Klarer Stellung bezieht er hingegen bei der Frage, ob er dereinst als Bundesrat kandidiere.

Haben Sie Interesse, Bundesrat zu werden? Wollen Sie den Platz von Viola Amherd im Bundesrat erben?
Fabio Regazzi:
Ich bin mit Freude Unternehmer und glücklich mit dem, was ich heute mache. Deshalb stehe ich nicht als Nachfolger von Viola Amherd zur Verfügung.

Artikel aus der «Handelszeitung»

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Falls Ignazio Cassis zurücktreten sollte: Hat dann die Mitte-Partei einen Anspruch auf einen zweiten Bundesratssitz?
Grundsätzlich ja. Wir haben im Parlament mehr Sitze als die FDP-Fraktion. Bei den Wählerstimmen sind wir praktisch gleichauf. Ich finde es richtig, dass amtierende FDP-Bundesräte nicht abgewählt werden. Aber sollte ein Sitz frei werden, könnte unsere Partei sich überlegen, den zweiten Sitz im Bundesrat zurückzuholen, den wir mit der Abwahl der früheren CVP-Bundesrätin Ruth Metzler 2003 verloren haben.

Dann hätten Sie die Chance, Ignazio Cassis zu beerben.
Das besprechen wir, wenn es irgendwann mal so weit sein sollte.

Wer wird Präsident der Mitte-Partei werden?
Eine schwierige Frage. Es gibt Interessenten.

Sie kandidieren nicht?
Nein.

Der abtretende Gerhard Pfister wollte einen «dritten Pol» neben den Bürgerlichen und den Linken schaffen. Sie waren dagegen. Weil sie sich zum bürgerlichen Lager bekennen, richtig?
Wir heissen zwar Mitte-Partei, aber ich bekenne mich klar zur bürgerlichen Allianz von SVP/FDP und der Mitte-Partei.

Lehnt der Gewerbeverband das EU-Vertragspaket des Bundesrates ab?
Nein, das können wir heute nicht sagen.

Fabio Regazzi, privat und Politiker

Fabio Regazzi absolvierte als Jugendlicher das neusprachliche Gymnasium Collegio Papio in Ascona. Danach studierte er Rechtswissenschaften in Zürich. 1991 erhielt er das Anwalts- und Notarpatent im Tessin. Zunächst war er Inhaber einer Kanzlei in Locarno und Gordola. 2000 übernahm er die Generaldirektion des Familienbetriebs Regazzi SA. Seit 2010 ist er dort Präsident. Politisch startete er 2011 mit der Wahl in den Nationalrat für die damalige CVP. 2023 wählte ihn das Tessin zum Ständerat. Von 2017 bis 2020 war er Teil des Vorstandsausschusses des Arbeitgeberverbands. Seit 2020 ist der heute 62-Jährige Gewerbeverbandspräsident.

Fabio Regazzi absolvierte als Jugendlicher das neusprachliche Gymnasium Collegio Papio in Ascona. Danach studierte er Rechtswissenschaften in Zürich. 1991 erhielt er das Anwalts- und Notarpatent im Tessin. Zunächst war er Inhaber einer Kanzlei in Locarno und Gordola. 2000 übernahm er die Generaldirektion des Familienbetriebs Regazzi SA. Seit 2010 ist er dort Präsident. Politisch startete er 2011 mit der Wahl in den Nationalrat für die damalige CVP. 2023 wählte ihn das Tessin zum Ständerat. Von 2017 bis 2020 war er Teil des Vorstandsausschusses des Arbeitgeberverbands. Seit 2020 ist der heute 62-Jährige Gewerbeverbandspräsident.

Zu diesem Schluss muss man kommen, wenn man Ihr Communiqué zum Verhandlungspakt liest. Darin steht: «Die dynamische Rechtsübernahme beurteilt der Gewerbeverband als unverhältnismässig.»
Das war nicht so gemeint. Wir sagen: Eine zu weitgehende Verknüpfung aller bestehenden und künftigen Abkommen bei den institutionellen Mechanismen ist unverhältnismässig. Das heisst noch nicht, dass wir das Vertragspaket ablehnen. Der Verband hat sich von jeher zum bilateralen Weg der Schweiz mit der EU bekannt – selbst unter der früheren Führung von SVP-Vertretern wie Jean-François Rime und Hans-Ulrich Bigler.

Unter «institutionellen Mechanismen» verstehen Sie die dynamische Rechtsübernahme. Wie kann der Verband dem Verhandlungsergebnis zustimmen, wenn er sie im Kern ablehnt?
Nochmals: Wir sehen in einer zu weitgehenden Verknüpfung aller Abkommen einen kritischen Punkt. Aber die Interessenabwägung haben wir noch nicht gemacht. Was sind die Vor- und die Nachteile? Ein Vorteil ist der erleichterte Marktzugang für exportorientierte KMU. Ein Nachteil wäre, dass sich binnenorientierte Firmen im Schweizer Markt nach EU-Regeln richten müssen – wegen der dynamischen Rechtsübernahme.

Jetzt braucht es Führung.
Unser Verband ist heterogen und sehr demokratisch organisiert. Am Ende entscheidet die hundertköpfige Gewerbekammer darüber.

Diese trifft sich Ende Januar.
Ja. Doch dann werden wir zuerst eine Diskussion führen und noch nicht entscheiden. Wir kennen den Vertragstext noch nicht.

Andere bedeutende Verbände haben klar Stellung bezogen, darunter Swissmem und der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse.
Unsere Verbandsgremien wollen zuerst die Verträge sehen. Dann nehmen wir Stellung.

Auch der Präsident von Swissmechanics, Nicola Tettamanti, ein Tessiner, hat das in einem Artikel der «Handelszeitung» klar befürwortet.
Er befürwortet den bilateralen Weg. Das tun auch wir. Wir vertreten Hunderttausende von KMU. Davon sind rund 40 Prozent exportorientiert. Ich gehe davon aus, dass diese sich mehrheitlich für das Vertragspaket aussprechen werden. Aber wir haben auch die übrigen 60 Prozent: Sie sind binnenmarktorientiert und werden die kritischen Punkte hervorheben, darunter die Spesenregelung für EU-Entsendebetriebe in der Schweiz.

Sie selber haben keine Haltung?
Heute nicht. Aber lassen Sie es mich so sagen: Wir wünschen uns weiterhin eine geregelte Beziehung mit der EU. Die Frage ist nur: zu welchem Preis?

Urs Wietlisbach von Kompass Europa sagte uns in einem Interview, die Schweizer Wirtschaft brauche den erleichterten Marktzugang nicht. Um Handelshindernisse zu überwinden, könne die Schweiz – wo nötig und sinnvoll – die EU-Normen einseitig übernehmen. Dazu brauche es kein Verhandlungspaket mit all seinen Nachteilen.
Diese Position ist einseitig. Seine Haltung mag für Grossunternehmen zutreffen, die bereits in der EU vertreten sind. Diese haben das Geld und die Organisation dafür, um im EU-Markt zu agieren. Doch Wietlisbach vergisst die Schweizer KMU. Diese verfügen nicht über die nötigen Mittel dazu.

Wietlisbach sagt, der EU-Marktzugang für KMU sei keine Hexerei. Sein Vorschlag: KMU ganzer Branchen tun sich zusammen und engagieren in der EU eine Rechtskanzlei, die sie dann in administrativen Belangen und bei der Zertifizierung vertritt. So könnten KMU kostengünstig zur EU-Vertretung kommen.
Theoretisch mag das schön klingen. Doch sein Vorschlag erscheint mir aus KMU-Sicht nicht praktikabel zu sein. Er macht sich das zu einfach.

Für viele Firmen ist die Personenfreizügigkeit der grösste Wert der bilateralen Verträge. Deshalb wollen sie das Vertragspaket. Überraschenderweise erwähnt Ihr Verband den Zugang zum EU-Arbeitsmarkt nur in einem Nebensatz. Warum?
Die Personenfreizügigkeit ist für uns unbestritten.

Die Zuwanderung ist doch ein Hauptthema. Die SVP will den Zustrom von Arbeitskräften aus der EU begrenzen. Der Bundesrat plant eine Schutzklausel für den Fall übermässiger Einwanderung.
Der freie Zugang zum EU-Arbeitsmarkt ist für das Gewerbe von grosser Bedeutung, auch für binnenmarktorientierte Firmen. Der Mangel an Fachkräften ist nach wie vor gross. Wir begrüssen aber den Plan des Bundesrates für eine Schutzklausel.

Laut Aussagen der früheren SEM-Direktorin Christine Schraner Burgener im Dezember kann die Ventilklausel auch kantonal und nach Branchen begrenzt ausgelöst werden. Was halten Sie davon?
Ich bin gespannt auf die Umsetzung der Schutzklausel. Mein Kanton Tessin, welcher der Personenfreizügigkeit kritisch gegenübersteht, würde eine solche Regelung sicher begrüssen. Damit würde die Akzeptanz der bilateralen Verträge bestimmt zunehmen.

Sie bezeichnen die ungleiche Spesenregelung für Entsendefirmen und Schweizer Firmen als ein Problem. Wird da nicht aus einer Mücke ein Elefant gemacht? Entsandte Arbeitskräfte aus der EU machen 0,2 Prozent des Marktes aus.
Hier geht es um den Grundsatz der gleich langen Spiesse im Markt. Die EU hämmert seit jeher das Argument der gleich langen Spiesse, doch hier will sie partout nicht zu einer Lösung Hand bieten. Fair wäre: EU-Firmen zahlen ihren entsandten Angestellten hierzulande die gleich hohen Spesen wie Schweizer Firmen.

Sie kennen wohl das offene Geheimnis: die Spesenregelung einfach nicht anwenden – wie es EU-Länder tun.
Das habe ich gehört, aber diese Praxis stört mich. Über die Bedeutung kann man diskutieren. Was ich höre: Im Baugewerbe sind die Spesen als Kostenfaktor wichtig. Doch ein anderes Thema im Vertragspaket regt das Baugewerbe noch viel mehr auf: der Wegfall der Kautionspflicht für Entsendefirmen schon beim ersten Einsatz in der Schweiz. Diese 2014 eingeführte Pflicht hat die Firmen enorm diszipliniert. Jetzt will die EU, dass wir sie abschaffen.

Wiederholungstäter werden die Kaution nach wie vor hinterlegen müssen.
Selbst die Gewerbeverbände im europafreundlichen Basel opponieren dagegen, der Gewerbeverband Tessin lehnt diese Erleichterung ebenso ab. Die Summe solcher Unzulänglichkeiten könnte zu einer geballten Opposition führen.

Unter Sozialpartnern des Bundes wird eine Lösung für das Baugewerbe diskutiert: dass man EU-Firmen sperrt, die sich nicht an Schweizer Marktregeln halten. Das hat Arbeitgeberverbands-Direktor Roland Müller gesagt.
Vorschläge wie dieser sind zu prüfen. Eine Rote Karte für EU-Firmen, die sich nicht an die Regeln halten, würde ich sehr begrüssen.

Es heisst, die Bauwirtschaft wolle die Wettbewerbsintensität schwächen. Das sieht man an der Position der Bauwirtschaft zum Kartellrecht. Im EU-Thema zieht sich das weiter: Die Bauwirtschaft beklagt sinkende Margen wegen der Konkurrenz aus dem Ausland, seit es die Personenfreizügigkeit gibt. Am liebsten würde sie das Entsendewesen stoppen.
Was stimmt, ist, dass die Margen im Baugewerbe unter Druck sind. Ein weiteres Problem sind Missbräuche durch EU-Firmen in der Schweiz. Ein Beispiel: Im Tessin ist eine italienische Firma im Kontext des Monte-Ceneri-Tunnelbaus aufgeflogen, die in einer geheimen Vereinbarung von ihren Arbeitnehmenden verlangte, einen Teil des Lohns für die Arbeit in der Schweiz zurückzuzahlen. Ich kenne weitere Fälle. Solche Tricks sind leider Realität und machen es nicht leicht, für das EU-Entsendewesen einzustehen. Wir akzeptieren mehr Wettbewerb, aber nur, solange die Regeln eingehalten werden und die Spiesse gleich lang sind.

Wird die Personenfreizügigkeit abgeschafft, steigen die Preise und damit die Margen im Binnenmarkt?
Entscheidend ist, dass wir gegen EU-Firmen vorgehen können, die in der Schweiz bei den Arbeitsbedingungen tricksen, und dass deswegen nicht Schweizer Firmen pleitegehen.

Was wären die Folgen, wenn die Schweiz das Vertragspaket ablehnen sollte? Adieu Schengen, adieu Personenfreizügigkeit, hallo Handelshemmnisse?
Die bilateralen Verträge bestehen weiter, teilweise werden sie aber erodieren, und dies zum Nachteil des Exportsektors. Doch es sind auch Vorteile denkbar, etwa weniger Bürokratie – vielleicht auch beim Transitverkehr von EU-Lastwagen durch die Schweiz.

Wäre das Tessin glücklich darüber?
Eine Mehrheit im Tessin dürfte sogar die Wiedereinführung von Grenzkontrollen und das Errichten von Kontingenten für Grenzgänger befürworten. Diese Haltung vertreten nicht nur die SVP und die Lega, sondern auch Teile der FDP und der Mitte-Partei.

Wie sind die ungefähren Verhältnisse in der Bundeshausfraktion der Mitte-Partei, was die Gegner des EU-Vertragspakets betrifft?
Eine spannende Frage. Wir sind in dieser Frage gespalten.

Regazzi, der Gastronom und Storenhersteller

Die Regazzi-Gruppe wird heute in der dritten Generation geführt und besitzt mehrere Firmen. Diese produzieren im Tessin Rollläden und Storen, Garagentore, Briefkästen, Alu-Fenster, Fassaden und Metallbeschichtungen. Die Beschattungssysteme werden in der ganzen Schweiz durch Wiederverkäufer vertrieben, die anderen Produkte hauptsächlich im Tessin. Die Fenster und Garagen sind Spezialanfertigungen. Rund 140 Leute und zehn Lernende sind bei Regazzi beschäftigt. Der Umsatz der Gruppe beträgt rund 30 Millionen Franken. Fabio Regazzi ist Verwaltungsratspräsident und der einzige operative Teilhaber. Seine drei Geschwister sind beteiligt.

Daneben ist Regazzi Gastronom in Locarno, was kaum bekannt ist. Er, sein Cousin und andere Partner haben einige Millionen Franken in drei Restaurants in der Region Locarno investiert: ins Restaurant Blu und in die Pizzeria Bianco e Rosso in Locarno sowie ins Restaurant Lago Maggiore in Tenero. Diese Betriebe beschäftigen gegen hundert Leute. Sie gehören zu den grössten Gastronomieunternehmen des Tessins.

Die Regazzi-Gruppe wird heute in der dritten Generation geführt und besitzt mehrere Firmen. Diese produzieren im Tessin Rollläden und Storen, Garagentore, Briefkästen, Alu-Fenster, Fassaden und Metallbeschichtungen. Die Beschattungssysteme werden in der ganzen Schweiz durch Wiederverkäufer vertrieben, die anderen Produkte hauptsächlich im Tessin. Die Fenster und Garagen sind Spezialanfertigungen. Rund 140 Leute und zehn Lernende sind bei Regazzi beschäftigt. Der Umsatz der Gruppe beträgt rund 30 Millionen Franken. Fabio Regazzi ist Verwaltungsratspräsident und der einzige operative Teilhaber. Seine drei Geschwister sind beteiligt.

Daneben ist Regazzi Gastronom in Locarno, was kaum bekannt ist. Er, sein Cousin und andere Partner haben einige Millionen Franken in drei Restaurants in der Region Locarno investiert: ins Restaurant Blu und in die Pizzeria Bianco e Rosso in Locarno sowie ins Restaurant Lago Maggiore in Tenero. Diese Betriebe beschäftigen gegen hundert Leute. Sie gehören zu den grössten Gastronomieunternehmen des Tessins.

Ein gut vernetzter Mitte-Nationalrat und EU-Gegner schätzt das Verhältnis auf circa 60 Prozent Pro-Stimmen und 40 Prozent Gegenstimmen.
Als grobe Einschätzung könnte das stimmen. Vielleicht liegt das Verhältnis näher bei 55 zu 45 Prozent.

In der FDP-Fraktion sei der Anteil der Befürworterschaft deutlich höher. Ein langjähriger FDP-Nationalrat und EU-Befürworter schätzt das Verhältnis auf 75 Pro- und 25 Kontra-Stimmen. Sehen Sie das ähnlich?
Auch das dürfte ungefähr stimmen. In der Mitte-Partei sind sicher mehr EU-Paket-Gegner als -Befürworter zu finden als bei der FDP. Dies, weil bei uns mehr wertkonservative Parlamentarier vorhanden sind als bei der FDP.

Eine stramme Allianz der Bürgerlichen will den Eigenmietwert abschaffen. Vor Weihnachten hat das Parlament diesen Beschluss gefasst. Sie stimmten als Bürgerlicher nicht dafür, warum?
Der Systemwechsel zur Abschaffung des Eigenmietwerts ist wünschenswert. Ich wäre dafür, sofern die Zweitwohnungen ausgenommen wären. Aber die jetzige Variante ist hochproblematisch für Bergkantone, weil sie die Steuererträge aus dem Eigenmietwert von Zweitwohnungen verlieren würden. Im Tessin stehen viele Zweitwohnungen. Sie verstehen, warum ich als Tessiner Ständerat nicht dafür sein kann. Ich habe im Parlament versucht, eine Brücke zwischen den Kantonen und den Bürgerlichen zu bauen.

Sie meinen die sogenannte Objektsteuer. Sie würde Bergkantonen erlauben, Zweitwohnungen separat zu besteuern, und so den Ertragsausfall kompensieren, sofern der Souverän zustimmt.
Ja. Aber inzwischen bin ich zur Überzeugung gelangt, dass dies keine gute Lösung ist. Wir sprechen von Ausfällen bei Bund, Kantonen und Gemeinden in dreistelliger Millionenhöhe.

Viele – selbst Linke – sagen, der Eigenmietwert sei eine ungerechte Steuer. Er wurde vor dem Zweiten Weltkrieg als Kriegssteuer eingeführt.
Darüber, dass der Eigenmietwert ungerecht ist, besteht kein Zweifel.

Sind die gegnerischen Argumente der Bergkantone nicht vorgeschoben? Wenn man die Zweitwohnungen mit einem Eigenmietwert besteuert, könnte man sie auch mit einer Objektsteuer besteuern. Wo ist das Problem?
Ich bestreite, dass eine solche Einführung der Objektsteuer einfach wäre. Jeder einzelne Kanton müsste damit vors kantonale Parlament und Volk. Die Einführung jeder neuen Steuer ist schwierig. Mit anderen Worten: Die Bergkantone fürchten, dass ihnen die Erträge wegfallen, ohne dass ihnen neue Erträge aus der Objektsteuer sicher sind. Und es gibt noch ein anderes Problem: die Jungen ...

Die Jungen?
Weil für sie der Kauf von Wohneigentum noch schwieriger wird, wenn sie die Schuldzinsen nicht oder nur noch beschränkt abziehen können. Und auch die Mieterschaft wird grossmehrheitlich gegen den Systemwechsel stimmen. Der Mieterverband hat bereits seine Opposition angekündigt. Seinem Präsidenten geht es wahrscheinlich um die Steuerausfälle, aber auch um eine unerwünschte Begünstigung der Hauseigentümer. Hinzu kommt: Die Hürde des Ständemehrs ist noch schwieriger zu schaffen als die des Volksmehrs. Ich bin überzeugt, dass wir die Vorlage zur Abschaffung des Eigenmietwerts an die Wand fahren.

Sind Sie auch dagegen, weil Sie als Unternehmer Teil des Ausbaugewerbes sind?
Nein, diese Bedenken, dass es zu weniger Renovationen kommen würde, weil die Unterhaltsabzüge wegfallen, halte ich für sehr untergeordnet.

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