«An ihren Taten sollt ihr sie erkennen», heisst es sinngemäss in der Bibel. Eine Weisheit, von der auch der fromme Katholik Markus Ritter (54) schon einmal gehört haben dürfte. Doch im Abstimmungskampf um die Trinkwasser- und die Pestizid-Initiative gelten offensichtlich andere Massstäbe als Gottes Wort.
Der Mitte-Nationalrat und Präsident des Bauernverbands kämpft zuvorderst gegen die beiden Volksbegehren, die den Pestizideinsatz stark einschränken beziehungsweise komplett verbieten wollen. Eines seiner zentralen Argumente: Auch bei einem Nein gebe es mehr Umweltschutz. Er verweist auf das Gesetzespaket, das das Parlament diesen Frühling geschnürt hat – mit dem Ziel, den Pestizid- und Düngereinsatz in der Schweiz zu reduzieren.
Mit einer «konsequenten Um- und Durchsetzung aller Instrumente» gebe es bereits jetzt «ausreichend Hebel, um die einheimische Landwirtschaft noch nachhaltiger zu machen», schreibt das vom Bauernverband angeführte Nein-Komitee.
Wenns konkret wird, sträubt man sich
Was die Gegner verschweigen: Ebendiese konsequente Um- und Durchsetzung versuchen sie zu verhindern. Landwirtschaftsminister Guy Parmelin (61) hat jüngst Massnahmen präsentiert, mit denen die vom Parlament beschlossenen Ziele erreicht werden sollen.
Beispielsweise sollen die Bauern beim Güllen weniger Spielraum haben. Heute dürfen sie bis zu zehn Prozent mehr spritzen, als es für die Umwelt gut ist. Diese Toleranzgrenze will Parmelin abschaffen. Von den vorgeschlagenen Massnahmen wäre es jene mit der grössten Wirkung, wie Berechnungen des Bundes zeigen. Doch die Agrarlobby kämpft dagegen.
Wichtige Geschäfte verschoben
Bauernpräsident Ritter will sich zu dieser Massnahme – und allen weiteren, die vorgesehen sind – nicht äussern. Man müsse erst die Konsequenzen analysieren, behauptet er. Dabei ist der Vorschlag nicht neu und längst klar, dass der Verband dagegen ist. Doch das sollen die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger noch nicht wissen.
Erst nach der Pestizid-Abstimmung am 13. Juni will der Bauernverband die Karten auf den Tisch legen. Bis dahin versuchen die Initiativgegner das Thema zu meiden – und greifen dafür tief in die parlamentarische Trickkiste. Heute beginnt in Bundesbern die Sommersession. Recherchen zeigen, dass in National- und Ständerat mehrere Geschäfte, die für die Agrarlobby relevant sind, verschoben worden sind. Zwei Vorstösse waren ursprünglich für die erste Sessionswoche traktandiert, kommen nun aber erst in der dritten und letzten Woche vor die Räte – und damit nach dem Urnengang.
Gegen die Schleppschlauch-Pflicht
Es geht beispielsweise um das sogenannte Schleppschlauch-Obligatorium, das der Bundesrat bereits beschlossen hat. Dabei handelt es sich um ein umweltfreundlicheres Verfahren, um Gülle auszubringen. Damit sollen die Phosphor- und Stickstoff-Überschüsse in Wasser und Boden bis 2030 um 20 Prozent reduziert werden.
Der Zuger Ständerat Peter Hegglin (60, Mitte), Präsident der Branchenorganisation Milch, will die Einführung der Schleppschlauch-Pflicht verhindern. Der Ständerat hat dem Vorstoss bereits zugestimmt. Nun kommt das Geschäft in den Nationalrat – und man muss kein Prophet sein, um zu wissen, wie die bürgerlichen Bauernvertreter dort stimmen werden.
Der Antrag, das Geschäft erst nach dem 13. Juni zu diskutieren, kam von Nationalratspräsident Andreas Aebi (62, SVP) – von Beruf Bauer. Aebi begründet den Antrag damit, dass man das Geschäft nicht in der Abstimmungs-«Polemik», sondern «fundiert» diskutieren wolle.
«Das ist reine Taktik»
Ein Argument, das ihm im Lager der Initiativbefürworter niemand abnimmt. «Das ist reine Taktik», sagt Grünen-Nationalrätin Regula Rytz (59). Man wolle der Bevölkerung Sand in die Augen streuen. «Konservative Agrarkreise versprechen im Abstimmungskampf das Blaue vom Himmel, doch faktisch tut man nichts anderes, als beim Umweltschutz zu bremsen.»
Auch Tiana Moser (42), Fraktionschefin der GLP, wirft den Initiativgegnern vor, leere Versprechen zu machen. «Der Bauernverband bekämpft alles, was eine ernsthafte Verbesserung bringen würde», sagt die Nationalrätin.
Rytz bedauert, dass solche Manöver die Bäuerinnen und Bauern in ein schiefes Licht rücken würden. «Viele von ihnen wären bereit, in Sachen Ökologie weiterzugehen.»
Mit der Trinkwasser- und der Pestizid-Initiative stimmt die Schweiz am 13. Juni über zwei Vorlagen ab, die sich thematisch sehr ähnlich sind.
Hinter der Trinkwasser-Initiative steht Fitnesstrainerin Franziska Herren (54). Sie will unter anderem, dass nur noch jene Bauern Direktzahlungen erhalten, die keine Pestizide verwenden. Landwirte dürfen zudem nur so viele Tiere halten, wie sie mit Futter ernähren können, das auf dem eigenen Betrieb produziert wird.
Die Pestizid-Initiative, die von einem Bürgerkomitee aus der Westschweiz eingereicht wurde, ist noch extremer und will ein komplettes Verbot synthetischer Pestizide – nicht nur für die Landwirtschaft. Es sollen auch keine Güter mehr importiert werden dürfen, bei deren Herstellung Pestizide zum Einsatz kamen.
Bundesrat und Parlament lehnen beide Initiativen ab.
Mit der Trinkwasser- und der Pestizid-Initiative stimmt die Schweiz am 13. Juni über zwei Vorlagen ab, die sich thematisch sehr ähnlich sind.
Hinter der Trinkwasser-Initiative steht Fitnesstrainerin Franziska Herren (54). Sie will unter anderem, dass nur noch jene Bauern Direktzahlungen erhalten, die keine Pestizide verwenden. Landwirte dürfen zudem nur so viele Tiere halten, wie sie mit Futter ernähren können, das auf dem eigenen Betrieb produziert wird.
Die Pestizid-Initiative, die von einem Bürgerkomitee aus der Westschweiz eingereicht wurde, ist noch extremer und will ein komplettes Verbot synthetischer Pestizide – nicht nur für die Landwirtschaft. Es sollen auch keine Güter mehr importiert werden dürfen, bei deren Herstellung Pestizide zum Einsatz kamen.
Bundesrat und Parlament lehnen beide Initiativen ab.