Filmer Markus Imhoof kämpft für Landwirtschafts-Initiativen
«Wegen Pestiziden finden die Bienen den Heimweg nicht mehr!»

Sein Film «More than Honey» über das Bienensterben hat weit über die Landesgrenzen hinaus bewegt. Im Interview macht sich Regisseur Markus Imhoof nun für die Pestizid- und die Trinkwasser-Initiative stark.
Publiziert: 28.05.2021 um 06:55 Uhr
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Aktualisiert: 28.05.2021 um 10:54 Uhr
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Markus Imhoof bei Dreharbeiten für «More than Honey» im US-Bundesstaat Arizona.
Foto: Zvg
Interview: Lea Hartmann

Mit «More than Honey» hat der Schweizer Regisseur Markus Imhoof (79) Schweizer Filmgeschichte geschrieben. Der 2012 erschienene Streifen über das weltweite Bienensterben ist der erfolgreichste Schweizer Dokumentarfilm. Er zeigt auf, welchen Schaden der Pestizideinsatz bei den Insekten anrichtet. Imhoof setzt sich denn auch vehement für die Pestizid- und die Trinkwasser-Initiative ein. Im Gespräch mit Blick erklärt er, warum die Initiativen aus seiner Sicht dringend nötig sind.

Blick: Ihr Film kam vor knapp zehn Jahren in die Kinos. Wie sehr beschäftigt Sie das Thema Bienensterben noch immer?
Markus Imhoof:
Das lässt mich nicht los. Meine Tochter und mein Schwiegersohn sind beide Bienenforscher. Eben erst sind zwei Drittel ihrer Bienen durch Pestizide vergiftet worden – eine Million Bienen! Wenn das Kühe wären, würde es in der ganzen Weltpresse stehen. Ich selbst habe zwar keine Zeit mehr, um selbst zu imkern. Aber ich engagiere mich in Deutschland für die Stiftung Aurelia, die sich für den Bienenschutz einsetzt.

Wie ist die Situation heute?
Es ist überhaupt nicht besser geworden. Die Varroamilbe, die ganze Bienenvölker auslöscht, ist noch immer ein grosses Problem. Aber ebenso gefährlich sind Pestizide. Viele sind sich nicht bewusst, dass die Zulassungsbehörden nur untersuchen, ob ein Pestizid Bienen tötet. Andere Wirkungen werden nicht berücksichtigt. Dabei konnten Bienenforscher beweisen, dass Bienen unter Pestizideinfluss wie besoffen den Heimweg nicht mehr finden, nicht mehr richtig kommunizieren – und daran schliesslich der ganze Stock stirbt.

Sie befürworten deshalb die Trinkwasser- und die Pestizid-Initiative.
Ja. Weil ich nicht will, dass meine Enkel vergiftet werden! In der Schweiz müssen Trinkwasserquellen abgestellt werden, weil die Pestizidrückstände zu hoch sind. Da sieht doch jeder, dass etwas nicht gut ist! Am meisten ärgert mich, dass die Gegner argumentieren, mit der Initiative stehe die Ernährungssicherheit auf dem Spiel. Sie steht bei einem Nein auf dem Spiel! Ohne die Bestäubung durch die Bienen hätten wir jeden dritten Bissen nicht.

Was ist aus Ihrer Sicht der Grund, weshalb eine Mehrheit der Bauern gegen die Initiativen kämpft?
Weil sie den Schuss nicht gehört haben! Es ist ein Fehler, dass sich die Bauern angegriffen fühlen. Ich bin für die Bauern! Ich wollte früher selbst Landwirt werden und habe während meines ganzen Studiums auf einem Hof gearbeitet. Ich konnte beobachten, wie sich die Landwirtschaft verändert hat. Sie ist heute im Griff der Agrarindustrie.

Ein Pestizidverbot nur in der Schweiz kann das Bienensterben doch nicht aufhalten.
Das ist doch kein Argument! Wenn wir in der Schweiz nicht als Vorbild vorangehen – wer soll es dann machen? Wir müssen ein Leuchtturm sein und können nicht warten, bis die anderen ihre Hausaufgaben gemacht haben.

Seit 2018 sind in der EU drei für Bienen besonders gefährliche Insektizide verboten, 2019 zog auch die Schweiz nach. Ist das nicht ein Zeichen dafür, dass etwas geht?
Sie sind verboten, weil wir jahrelang dafür gekämpft haben! Der Chemiekonzern Bayer ist bis vor den Europäischen Gerichtshof gegangen, damit er die gefährlichen Insektizide weiterhin verkaufen kann. Eben erst wurde die Klage abgeschmettert. Aber in zahlreichen Ländern gibt es Ausnahmebewilligungen. Ausserdem: Das Insektengift Fipronil ist zum Beispiel als Tierarzneimittel in der Schweiz noch immer erlaubt. Leute streichen es ihren Hunden gegen Flöhe und Zecken auf den Rücken – und dann werden die Tiere von den Kindern gestreichelt!

Auch in der Schweiz wird von den Zuckerrübenproduzenten eine Ausnahmebewilligung gefordert. Mehrere Vorstösse dazu sind im Parlament hängig.
Die Ursache des Pestizidproblems sind unsere Monokulturen, welche die Natur eigentlich nicht vorsieht. Sie sind für Schädlinge ein Schlaraffenland! Damit sie noch besser rentieren, nimmt man in Kauf, dass die Natur und dadurch die Menschen Schaden nehmen. Das kann doch nicht sein. Wir können uns die Situation nicht mehr länger schönlügen! Wir müssen mit der Natur zusammenarbeiten. Es gibt erfolgreiche Methoden, wie es ohne Gift geht.

Aber Hand aufs Herz: Ihre Vorstellung von der Landwirtschaft ist doch utopisch!
Das mag sein. Aber wenn man keine Utopie hat, weiss man nicht, in welche Richtung man gehen muss.

Preisgekrönter Filmemacher

Markus Imhoof (79) ist Regisseur und Drehbuchautor. Für seine Filme hat er zahlreiche nationale und internationale Preise erhalten, zuletzt wurde er 2020 für sein Lebenswerk mit dem Ehrenpreis der Schweizer Filmakademie ausgezeichnet. Sein Interesse für Bienen wurde durch seinen Grossvater geweckt, der imkerte. Imhoof ist in Winterthur ZH aufgewachsen und lebt heute in Berlin.

Markus Imhoof (79) ist Regisseur und Drehbuchautor. Für seine Filme hat er zahlreiche nationale und internationale Preise erhalten, zuletzt wurde er 2020 für sein Lebenswerk mit dem Ehrenpreis der Schweizer Filmakademie ausgezeichnet. Sein Interesse für Bienen wurde durch seinen Grossvater geweckt, der imkerte. Imhoof ist in Winterthur ZH aufgewachsen und lebt heute in Berlin.

Darum gehts bei den Pestizid-Initiativen

Mit der Trinkwasser- und der Pestizid-Initiative stimmt die Schweiz am 13. Juni über zwei Vorlagen ab, die sich thematisch sehr ähnlich sind.

Hinter der Trinkwasser-Initiative steht Fitnesstrainerin Franziska Herren (54). Sie will unter anderem, dass nur noch jene Bauern Direktzahlungen erhalten, die keine Pestizide verwenden. Landwirte dürfen zudem nur so viele Tiere halten, wie sie mit Futter ernähren können, das auf dem eigenen Betrieb produziert wird.

Die Pestizid-Initiative, die von einem Bürgerkomitee aus der Westschweiz eingereicht wurde, ist noch extremer und will ein komplettes Verbot synthetischer Pestizide – nicht nur für die Landwirtschaft. Es sollen auch keine Güter mehr importiert werden dürfen, bei deren Herstellung Pestizide zum Einsatz kamen.

Bundesrat und Parlament lehnen beide Initiativen ab.

Franziska Herren ist der Kopf hinter der Trinkwasser-Initiative.
Peter Mosimann

Mit der Trinkwasser- und der Pestizid-Initiative stimmt die Schweiz am 13. Juni über zwei Vorlagen ab, die sich thematisch sehr ähnlich sind.

Hinter der Trinkwasser-Initiative steht Fitnesstrainerin Franziska Herren (54). Sie will unter anderem, dass nur noch jene Bauern Direktzahlungen erhalten, die keine Pestizide verwenden. Landwirte dürfen zudem nur so viele Tiere halten, wie sie mit Futter ernähren können, das auf dem eigenen Betrieb produziert wird.

Die Pestizid-Initiative, die von einem Bürgerkomitee aus der Westschweiz eingereicht wurde, ist noch extremer und will ein komplettes Verbot synthetischer Pestizide – nicht nur für die Landwirtschaft. Es sollen auch keine Güter mehr importiert werden dürfen, bei deren Herstellung Pestizide zum Einsatz kamen.

Bundesrat und Parlament lehnen beide Initiativen ab.

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