Kampf um Pestizid-Initiativen
Gegner warnen vor Preiserhöhungen, Initianten vor «Angstmacherei»

Die Agrar-Initiativen verlangen, dass auf Schweizer Feldern weniger Pestizide landen. Die Auswirkungen der Vorlagen sind umstritten.
Publiziert: 09.05.2021 um 11:27 Uhr
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Aktualisiert: 10.05.2021 um 10:50 Uhr
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Zwei Agrar-Initiativen wollen den Einsatz von Pestiziden in der Schweiz begrenzen beziehungsweise verbieten.
Foto: Zvg
Camilla Alabor

Endlich Frühling, endlich Spargeln und Erdbeeren aus der Region! Nur: Lokal heisst nicht unbedingt nachhaltig. Denn damit Erdbeeren und Aprikosen schön werden, setzen Bauern beträchtliche Mengen an Dünger und Pestiziden ein. Auch, weil Konsumenten jene Ware, die etwas krummer ausfällt, meist links liegenlassen.

Die beiden Agrar-Initiativen verlangen eine Abkehr von dieser intensiven Landwirtschaft. Die Pestizid-Initiative fordert ein Verbot aller synthetischen Pestizide für einheimische und Importprodukte. Die Trinkwasser-Initiative will Bauern nur noch dann mit Steuergeldern unterstützen, wenn sie auf den Einsatz von Pestiziden verzichten.

Pro Familie «300 Franken mehr»

Nun reagieren die Gegner, und zwar im Alarm-Modus: Die Vorlagen führten zu höheren Lebensmittelpreisen, argumentieren sie. Der Bauernverband warnt vor einem Anstieg von rund 30 Prozent, sollte die Pestizid-Initiative angenommen werden. «Bei einem Ja müsste eine Familie mit zwei Kindern künftig jeden Monat 300 Franken mehr ausgeben», sagt der stellvertretende Direktor Francis Egger (60).

Das Verbot synthetischer Pestizide führe zu tieferen Erträgen, da Schädlinge auf den Feldern weniger effizient bekämpft werden könnten. Zugleich sei mehr Handarbeit nötig, um Unkraut zu beseitigen. «Beides zusammen führt zu höheren Produktionskosten», sagt Egger. Auch das Bundesamt für Landwirtschaft geht für den Fall, dass die Pestizid-Initiative angenommen wird, von höheren Preisen aus, nennt aber keine Zahlen.

Matija Nuic (35) vom Verband der Schweizer Gemüseproduzenten befürchtet bei einem Ja zur Trinkwasser-Initiative sogar Preisaufschläge von 50 Prozent. In diesem Fall würde ein grosser Teil der Landwirte auf eine Produktion umsteigen, die dem Biostandard nahekommt, ist Nuic überzeugt. Doch solche Lebensmittel kosten heute im Schnitt rund die Hälfte mehr als konventionelle Ware. Das Bundesamt für Landwirtschaft lässt offen, welche Folgen ein Ja zur Trinkwasser-Initiative auf die Preise hätte.

«Maximal drei Prozent teurer»

Aufschläge von 30 oder gar 50 Prozent: Für die Initianten sind diese Berechnungen «reine Angstmacherei». Sollte die Pestizid-Initiative angenommen werden, würden die Lebensmittel um ein bis maximal drei Prozent teurer, sagt Co-Initiant Jean-Denis Perrochet (60).

Denn: «Heute erhalten jene Bauern, die ohne synthetische Pestizide produzieren, pro Kilo lediglich ein paar Rappen mehr für ihre Produkte.» Dass Bioprodukte im Supermarkt so viel teurer seien, liege an den unerhörten Margen, die Detailhändler auf solche Produkte aufschlagen würden. «Wenn aber pestizidfreie Früchte und Gemüse zur Norm werden, fallen auch die Preise.»

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Just dieses Szenario ist mit ein Grund, warum die Mehrheit der Biobauern die Trinkwasser-Initiative ablehnt: Sie fürchten niedrigere Preise für Biolebensmittel, wenn allzu viele konventionelle Bauern ihren Betrieb plötzlich umstellen.

Für Winzer Perrochet geht die Preisdebatte ohnehin am Thema vorbei: «Die Gegner stellen die Wirtschaft über die Gesundheit. Die Frage ist doch, ob wir uns weiterhin mit vergifteten Lebensmitteln ernähren wollen.»

Der Biobauer weist zudem auf fehlende Kostenwahrheit hin: Die konventionelle Landwirtschaft verursacht Schäden, die sich nicht im Preis der Lebensmittel spiegeln. Perrochet: «Wenn wir für unser verschmutztes Trinkwasser teure Aufbereitungsanlage bauen müssen, berappen wir das mit unseren Steuergeldern.»

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