Auf einen Blick
- Patric Franzen verhandelt als Chefunterhändler mit der EU für die Schweiz
- Franzen gilt als dossiersicher, akribisch und pflichtbewusst
- 170 Verhandlungsrunden hat Franzen koordiniert
Es grenzt an eine Mission Impossible: Agent Patric Franzen muss für die Schweiz als Chefunterhändler die heissen EU-Kohlen aus dem Feuer holen. Widerstand von allen Seiten: Die SVP warnt vor dem «Unterwerfungsvertrag». Gewerkschaftsboss Pierre-Yves Maillard (56) spricht vom «Liberalisierungsprojekt». Die EU drängt.
In wenigen Wochen dürften die Verhandlungen beendet sein. Dann folgt die Abrechnung. Doch auch wenn die politischen Meinungen in der Schweiz auseinandergehen. Von links bis rechts hört man positive Stimmen über den Chefverhandler Franzen. Er gilt als dossiersicher, akribisch und pflichtbewusst. Im Gespräch mit Parlamentarierinnen und Parlamentariern sei er auch kritischen Fragen nicht ausgewichen. «Er hat auch die Misserfolge ehrlich benannt», heisst es. Ein ruhiger, kompetenter Diplomat eben – kein Actionheld. «Vertrauen, Ruhe und Sachlichkeit», so überschrieb das Aussendepartement ein hauseigenes Interview.
Sogar aus SVP-Kreisen gibt es positive Töne. Eine «Spitzenkraft» sei er. Franzen könne verhandeln – nur habe er dies ausschliesslich über technische Fragen machen dürfen. «Die Kernfragen, die Widerstand auslösen, wurden dabei gar nicht angesprochen.»
Treffen am Mittwoch
Privates erfährt man nicht viel über Franzen. Im Oberwallis aufgewachsen, mit acht Jahren zog er mit der Familie nach Solothurn. Noch heute fiebere er mit, wenn der FC Sion im Cup spiele, schrieb der «Walliser Bote». Seine Karriere beim Bund startet er 1999, zuerst in der Direktion für Völkerrecht. Es folgten Stationen in Singapur und Moskau, 2018 wurde er Botschafter in Georgien. Zwei Jahre später holte ihn die ehemalige Chefverhandlerin Livia Leu (63) nach Bern, in die Abteilung Europa. Dort klärte er die technischen Fragen im EU-Dossier. Jetzt verhandelt er auf der grossen Bühne.
Selbst über seine Mission sprechen will Patric Franzen momentan nicht. Volle Konzentration auf den Schlussspurt. Die Verhandlungen würden sich «auf der letzten Meile befinden», sagte sein oberster Chef Ignazio Cassis (63) am Mittwoch.
Offene Streitpunkte
Viel ist über das Treffen nicht bekannt. Doch die offenen Streitpunkte sind klar: Die Zuwanderung. Franzen und sein Team brauchen Zugeständnisse. Nachdem die EU einer Schutzklausel zuerst eine kategorische Absage erteilte, ist sie nun offenbar bereit, eine bereits existierende Regel zu präzisieren, berichtete SRF.
Dazu kommt der Streit ums Geld. Bisher zahlte die Eidgenossenschaft jährlich 130 Millionen Franken an ärmere EU-Staaten, um deren wirtschaftliche und soziale Entwicklung zu fördern. Das könnte deutlich mehr werden.
170 Verhandlungsrunden hat Franzen koordiniert, sass aber auch selbst am Tisch. In Brüssel kam er gut an, berichten Beobachter. «Er wird als jemand wahrgenommen, der wirklich etwas erreichen will.» Das Verhinderer-Image, das der Schweiz nach dem Ende der Verhandlungen vor drei Jahren anhaftete, scheint er auszuräumen.
Am Ende entscheidet das Volk
Ob Franzens Mission zum Erfolg wird, hat er nicht selbst in der Hand. Parallel dazu werden Massnahmen innerhalb der Schweiz geprüft, um den Deal schmackhaft zu machen. Um am Ende entscheidet wohl das Volk über Erfolg und Misserfolg.
Der Job als EU-Verhandlungsführer gilt als Verschleissjob. Sechs Vorgänger hatte Franzen in den vergangenen Job, sie sind jetzt unter anderem Botschafter in Berlin (Livia Leu) oder Paris (Roberto Balzaretti). Wenn Franzens Mission Impossible beendet ist, ist es aber möglich, dass er auch bei der Umsetzung helfen muss. 150 Rechtsakte müssten geändert werden. Vielleicht ein neuer Auftrag für Agent Franzen?
Mitarbeit: Soleen Paulic