Auf einen Blick
- EU zeigt sich flexibel bei Schutzklausel gegen übermässige Zuwanderung
- Gemeinsame Definition von «schwerwiegenden wirtschaftlichen oder sozialen Problemen» nötig
- Gleiche Studiengebühren für EU-Bürger an Schweizer Universitäten als Bedingung
Plötzlich zeigt sich die EU flexibel: Beim Treffen mit Aussenminister Ignazio Cassis (63) in Bern bringt der Vizepräsident der Europäischen Kommission, Maros Sefcovic (58), ein kleines Geschenk mit. Nämlich, dass die Schweiz die Anwendung der Schutzklausel gegen übermässige Zuwanderung aus der EU tatsächlich präzisieren dürfe.
Bisher war dies nur ein vages Versprechen. Doch jetzt werde es konkret, wie SRF aus vertraulichen Quellen erfahren hat. Die EU-Kommission habe die 27 Mitgliedstaaten darüber informiert, dass man der Schweiz bei der Interpretation der Schutzklausel entgegenkommen will. Der Grund: Ohne diesen Kompromiss könnte das ganze Verhandlungspaket platzen.
Einseitige Beschränkung weiterhin ausser Frage
Eine einseitige Einschränkung der Personenfreizügigkeit durch die Schweiz bleibe zwar weiterhin tabu. Aber beide Seiten würden nun gemeinsam definieren wollen, was unter «schwerwiegenden wirtschaftlichen oder sozialen Problemen» zu verstehen ist. Nur wenn dies vorliegen würde, könnte die Schutzklausel aktiviert werden.
Dabei soll auch das Verfahren für einen gemeinsamen Entscheid präzisiert werden. Zudem werde geklärt, wie ein Schiedsgericht angerufen werden könnte. Der Europäische Gerichtshof wäre daran nicht beteiligt, da es nicht um EU-Recht, sondern um die Auslegung des bilateralen Vertrags zur Personenfreizügigkeit geht.
Für eine Schutzklausel muss Schweiz EU-Forderungen erfüllen
In früheren Gesprächen hatte Brüssel eine solche Präzisierung noch abgelehnt. Dafür müssten jedoch einige Bedingungen erfüllt werden: So sollen mit dem neuen Vertragspaket etwa gleiche Studiengebühren für EU-Bürger an Schweizer Universitäten gelten. Im Gegenzug könnten aber auch Schweizer Studierende europäische Universitäten zum Normalpreis besuchen.
Zudem bleibt die Frage der Kohäsionszahlungen: Wie viel zahlt die Schweiz an ärmere EU-Länder? Und wie hoch fällt der Beitrag an EU-Programme für Forschung, Studentenaustausch und Raumfahrt aus? Hier dürfte die EU weniger Kompromissbereitschaft zeigen.