Hat die Ems-Chemie ein neues Büro in Bern? Könnte man meinen! In den vergangenen Wochen war das Sitzungszimmer 339 im Bundeshaus so gut wie immer von einer Person reserviert: Ems-Chemie-Chefin Magdalena Martullo-Blocher (54).
Während der dreier Wochen, in denen in Bern die Räte zur Sommersession zusammenkommen, ist eines der beiden sogenannten Turmzimmer im Bundeshaus fast immer auf ihren Namen reserviert. Das bestätigt die Verwaltung gegenüber Blick. Von diesem Zimmer führt eine Treppe aufs Dach des Parlaments, weshalb das Zimmer auch gerne bei Gruppenführungen gezeigt wird.
Als SVP-Vize viele Kontakte
Aus dem dritten Stock dort soll Martullo-Blocher ihre Geschäfte aus Bern aus dirigieren, vermuten Parlamentarier. Schliesslich führt Martullo-Blocher einen internationalen Konzern mit über 2700 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen und hat als Milizparlamentarierin damit auch während der Session voll zu tun. In der Wandelhalle und im Nationalratssaal jedenfalls ist Martullo-Blocher selten anzutreffen, meist eilt sie einfach für die Abstimmungen hinein.
Der Luzerner SP-Politiker David Roth (39) vermutet nun aber eine «missbräuchliche Nutzung von Parlamentsräumlichkeiten», wie er in einer Frage an die Verwaltung schreibt. Diese solle nun abklären, ob Martullo-Blochers Raumreservation den Richtlinien der Verwaltungsdelegation für die Nutzung des Parlamentsgebäudes widerspricht.
«Viele Besprechungen»
Dieses erlaubt Ratsmitgliedern nämlich keine Raumreservation für geschäftlichen Nutzen, sondern nur für Treffen, die «in direktem Zusammenhang mit der Ausübung der parlamentarischen Tätigkeit stehen».
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Bei ihr sei alles rechtens, lässt Martullo-Blocher auf Blick-Anfrage ausrichten. «Als Vizepräsidentin der SVP Schweiz, verantwortlich für die Wirtschaftspolitik, hat Frau Magdalena Martullo-Blocher während der Session sehr viele Kontakte und Besprechungen», teilt ihr Assistent auf Anfrage mit.
«Nicht im Sinne der Solidarität»
Andere Parteispitzen scheinen nicht so viele Kontakte pflegen zu müssen. So sagen SP-Co-Präsident Cédric Wermuth (38) und GLP-Chef Jürg Grossen (54), dass in ihren Reihen keine permanente Raum-Reservationen bekannt wäre. «Das wäre selbstverständlich weder im Sinne des Reglements noch im Sinne der Solidarität mit allen Ratsmitgliedern», so Wermuth. Eine solche Langzeit-Reservation durch einzelne Parlamentarier «wäre absurd», teilt er mit. Denn es stünden nur rund ein Dutzend Sitzungszimmer für die 246 Parlamentarier und Mitarbeiter der Verwaltung zur Verfügung.
Bei allen anderen angefragten Parteien tönt es ähnlich: Das eine den Parteien zugeordnete Fraktionszimmer reiche aus, zudem sässe man ja als gewählte Abgeordneter im Rat während der Session. «Für weitere Besprechungen mit einer grösseren Anzahl Teilnehmenden reserviert Die Mitte jeweils nur nach Bedarf einen Sitzungsraum», sagt Mitte-Fraktionschef Philipp Matthias Bregy (45).