Der Streit um «One Love»-schwelt weiter. Letzte Woche wurde aus dem Wirbel um die sechs Farben im Herz ein Wirbelsturm, das Stück Stoff zum Symbol für eine Fifa, die vor dem katarischen Regime kuscht. Aus Furcht vor Strafen liefen die Nationalteams am Ende ohne die Armbinde auf. Hinter den Kulissen aber brodelt es noch immer.
Am Donnerstag trafen sich die aufmüpfigen Verbände zu einer Sitzung: Deutschland, England, Wales, Belgien, Dänemark, die Niederlande und die Schweiz.
Dort wurde klar: Die Entschlossenheit und die Einigkeit, welche die sieben Nationen zu Beginn der WM an den Tag gelegt hatten, bröckelt. Adrian Arnold, Sprecher des Schweizerischen Fussballverbands (SFV), sagte nach der Sitzung zu SonntagsBlick: «Weitere gemeinsame Aktionen auf dem Fussballplatz sind keine geplant.»
Dies sei ein Entscheid der Mehrheit der Verbände gewesen. Und weiter: «Das Thema der Binde ist nicht mehr prioritär.» Es seien vielmehr andere Fragen besprochen worden, etwa eine feste Anlaufstelle für Arbeitsmigranten in Doha.
«Nicht die Absicht, den Rechtsweg zu beschreiten»
Zumindest für die Schweiz scheint der Fall damit erledigt zu sein. Andere Länder bleiben am Ball. Dänemarks Nationaltrainer Kasper Hjulmand kündigte bereits nach dem Spiel gegen Tunesien am Dienstag weitere Proteste an: «Ich denke, dass etwas passieren muss. Für Diversität aufzustehen, kann und darf kein politisches Statement sein.»
Der Deutsche Fussball-Bund prüft sogar rechtliche Schritte. Die DFB-Verantwortlichen erwägen, das Armbinden-Verbot vor den Internationalen Sportgerichtshof zu bringen. «Die Fifa hat uns ein Zeichen für Diversität und Menschenrechte verboten. Sie hat dies mit massiven Androhungen sportlicher Sanktionen verbunden, ohne diese zu konkretisieren», so DFB-Mediendirektor Steffen Simon.
Für den Schweizer Verband kommt das nicht infrage. Sprecher Arnold: «Wir haben nicht die Absicht, den Rechtsweg zu beschreiten.»
Ausgestanden ist die Krise in der Fifa aber noch lange nicht. Die Fussballfamilie bleibt gespalten. Dänemark, Deutschland und Norwegen verweigern dem Präsidenten Gianni Infantino die Gefolgschaft. Wenn sich der Walliser im März 2023 zur Wiederwahl stellt, wollen sie ihn nicht mehr unterstützen.
Kein Gegenkandidat für Infantino
«Wir sind kritisch und unzufrieden und werden den derzeitigen Fifa-Präsidenten nicht wählen», sagte der dänische Verbandssprecher Jakob Hoejer der Nachrichtenagentur Reuters. Man werde das weitere Vorgehen mit den «europäischen Kollegen» besprechen.
Die Schweiz, das Heimatland des Fifa-Präsidenten, reagiert vergleichsweise zahm. Vor einem Monat unterzeichnete der SFV einen Unterstützungsbrief für Infantino. Hat der Verband seine Meinung nach den Querelen der letzten Wochen geändert? Sprecher Arnold antwortet ausweichend: «Wir werden zu gegebener Zeit entscheiden und die Situation bis dahin genau beobachten.»
Mehr als eine Protestbekundung wäre das Wahlverhalten der Europäer aber nicht. Infantino kann im März mit einer überwältigenden Mehrheit der Stimmen rechnen. Ein Gegenkandidat ist bis heute nicht in Sicht.
Derweil reiht sich in Katar Vorfall an Vorfall. Belgien muss auf Befehl des Weltfussballverbands sein Auswärtstrikot abändern, weil auf dem Kragen das Wort «Love» eingestickt war. «Die Fifa lässt uns keine Wahl», sagte Verbandspräsident Peter Bossaert.
Waliser haben sich bei Fifa beschwert
Katarische Sicherheitskräfte nahmen Fans aus Wales im Stadion in Doha ihre Hüte weg. Grund: Sie waren in Regenbogenfarben designt. Der walisische Verband reagierte empört und hat nach eigenen Angaben eine Beschwerde an die Fifa gerichtet.
Für den bizarrsten Moment jedoch sorgte der Boss persönlich. Beim Spiel Deutschland gegen Japan posierte Infantino mit der deutschen Innenministerin Nancy Faeser und deutete lachend auf ihren Oberarm.
Dort prangte die «One Love»-Binde, die er Tage zuvor verboten hatte.
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