Mindestens 15 Prozent Steuern auf ihre Gewinne sollen international tätige Unternehmensgruppen mit über 750 Millionen Euro Umsatz bezahlen. Umsetzen soll dies die Schweiz ab dem 1. Januar 2024, gemeinsam mit den EU-Ländern und weiteren Staaten.
Umgesetzt werden soll die OECD/G20-Mindestbesteuerung auf der Grundlage einer Verfassungsänderung, über die Volk und Stände am 18. Juni an der Urne entscheiden. Hinter das Projekt stellen sich neben dem Bundesrat auch Kantone, Städte und Gemeinden. Setzt die Schweiz die OECD-Mindeststeuer nicht um, dürfen andere Staaten die grossen Unternehmen in ihren Ländern nachbesteuern.
«Bürgerliches Buebetrickli»
Widerstand kommt aber von linker Seite. SP-Co-Präsident Cédric Wermuth (37) kritisierte die Vorlage am Donnerstag vor den Medien in Bern als «bürgerliches Buebetrickli» sowie als «Lex Zug». Die Tiefsteuerkantone profitierten, während der Grossteil der Bevölkerung leer ausgehe. Es sei eine Reform für die Reichsten und die multinationalen Konzerne.
Laut dem linken Bündnis werden die erwarteten Mehreinnahmen von über zwei Milliarden Franken jährlich ungerecht verteilt. Dies heize den Steuerwettbewerb weiter an. Bei einer Ablehnung des Geschäfts könne das Parlament sofort eine bessere Vorlage beschliessen, von der die gesamte Bevölkerung etwas habe. «Es gibt noch viel Luft nach oben», sagte Wermuth.
«Eine verpasste Chance»
Für Pierre-Yves Maillard (55), Präsident des Schweizerischen Gewerkschaftsbunds (SGB), ist die Reform «eine verpasste Chance». Statt die Mehreinnahmen auf Stufe Bund und Kantone für mehr soziale Gerechtigkeit einzusetzen, würden damit neue Steuerprivilegien umgesetzt, sagte er. «Der kantonale Egoismus hat im Parlament einen Kompromiss verhindert.»
Auch SP-Vizepräsidentin Valérie Piller Carrard (44) plädierte für Verbesserungen. So sollten die Mehreinnahmen zu gleichen Teilen an Bund und Kantone fliessen. Im Parlament war dieser 50/50-Ansatz gescheitert. Stattdessen sollen die Kantone 75 Prozent und der Bund 25 Prozent erhalten.
«Der Bund würde das Geld aber dringend brauchen», sagte Piller Carrard – und verwies auf die kürzlich angekündigten Milliarden-Sparprogramme für die nächsten Jahre. Diese Kürzungen im Bundesbudget würden sich negativ auf die Kaufkraft der Menschen auswirken, gab SP-Vizepräsident David Roth (37) zu bedenken.
Geld fehle in Entwicklungsländern
«Man kann nicht die Credit Suisse mit Milliardengarantien retten und dann der Bevölkerung weismachen, es sei kein Geld für sie da», hielt Maillard fest. Das linke Bündnis rechnete vor, dass mit der Hälfte der Mehreinnahmen ein wirksamer Gegenvorschlag zur Prämienentlastungsinitiative der SP finanziert werden könnte.
Die Entwicklungshilfe-Organisation Alliance Sud bemängelt, dass mit der Vorlage das Ziel von mehr Steuergerechtigkeit nicht erreicht werde. «Die Konzerne verschieben weiterhin Gewinne in die Schweiz, die eigentlich Entwicklungsländer zugute hätten», sagte Geschäftsleiter Andreas Missbach.
In den Ländern des globalen Südens richte diese Geschäftspraxis grossen Schaden an. «Es fehlt Geld für Spitäler, Schulen und Infrastruktur.» Über 50 Länder drohe der Staatsbankrott, während die reiche Schweiz auch mit der Reform ein Tiefsteuerland bleibe. (SDA)