Oberster Kantonsarzt über Quarantäne-Umgeher
«Es ist längst nicht immer böser Wille»

Wer aus einem Corona-Risikoland in die Schweiz einreist, muss in Quarantäne. Doch das lässt sich relativ einfach umgehen. Oft aufgrund von Missverständnissen, sagt der oberste Kantonsarzt Urs Hauri.
Publiziert: 30.07.2020 um 11:12 Uhr
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Aktualisiert: 04.08.2020 um 15:57 Uhr
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Wer aus einem Risikoland einreist, muss in Quarantäne. Am Flughafen Zürich weisen Plakate darauf hin.
Foto: Keystone
Sermîn Faki

Familie Z. aus dem Kanton Aargau hat die Ankunft seines schwedischen Au-Pairs sehnlich erwartet. Alle Formalitäten waren vereinbart, das Zimmer parat – und die Eltern wegen ihrer beruflichen Verpflichtungen auf die Hilfe angewiesen. Doch dann kam die Quarantäneliste. Und das Au-Pair hätte sich zum damaligen Zeitpunkt zuerst zehn Tage in Selbstisolation begeben müssen. Was tun?

Familie Z. entschied sich für die einfachste Lösung: Statt den Direktflug Stockholm–Zürich zu nehmen, flog das Au-Pair flog über Italien und wurde dort per Auto abgeholt. Die Quarantäne konnte so umgangen werden. Denn während bei der Einreise per Flugzeug das – wenn auch kleine – Risiko besteht, kontrolliert zu werden, vertraut der Bund bei der Einreise per Auto oder Zug ganz auf die Eigenverantwortung.

Kantone kennen das Problem

Das Beispiel ist kein Einzelfall. Auf Facebook etwa diskutieren Kosovaren, wie sich die Quarantäne umgehen lässt. «Was denkt ihr, wenn man den Flug von Friedrichshafen hat, könnten sie dann was rausfinden?», fragt eine Userin, wie «20 Minuten» berichtete. Und ein anderer empfahl: «Fliegt einfach von Albanien aus zurück.» Denn Albanien steht im Gegensatz zum Kosovo nicht auf der Quarantäneliste.

Auch den Kantonen sind solche Fälle bekannt, wie der oberste Schweizer Kantonsarzt Urs Hauri gegenüber BLICK bestätigt. «Wir haben solche Hinweise ebenfalls erhalten oder auch im Gespräch mit betroffenen Rückkehrern direkt festgestellt», sagt der Zuger Kantonsarzt. Wie gross der Anteil dieser Quarantäne-Umgeher ist, kann er jedoch nicht sagen. Aber man will dem besser auf die Spur kommen. «Das Bundesamt für Gesundheit und die Kantone prüfen eine Erhebung», so Hauri.

«Falsches Verständnis»

Er betont aber, dass längst nicht immer «böser Wille» hinter dem Quarantäne-Abschleichen steckt. «Manchmal ist es auch ein falsches Verständnis im Glauben, wenn man nicht direkt aus einem betroffenen Land einreise, dann müsse man nicht in Quarantäne.»

Missverständnisse gibt es gemäss Hauri auch bei der Pflicht, sich nach der Einreise aus einem Risikoland bei den Behörden zu melden. Viele glauben, dies sei durch das Ausfüllen der Kontaktkarten bei Flug- und Busreisen bereits erfolgt. Das stimmt jedoch nicht, wie Hauri betont. Wer aus einem Risikoland einreist, muss sich beim zuständigen Kantonsarzt melden.

BAG: Lückenlose Überwachung nicht möglich

Damit bringen die Quarantäne-Umgeher eine wichtige Frage auf den Tisch: Wie kann besser kontrolliert werden, ob sich alle an die Quarantäne halten? Stichproben werden nur bei Flug- und Busreisen gemacht – und auch das nur unzureichend. Schuld daran sei der Bund, der zu wenige Daten liefere, wie die Kantone bemängeln. Das BAG gelobt Besserung: Man werde zusätzliches Personal einstellen, versprach es laut Radio SRF.

Auf Strasse und Schiene wird gar nicht kontrolliert. BLICK fragte beim BAG nach, ob angesichts der Umgehungsmöglichkeiten nicht die Kontrollen auf Strasse und Schiene verstärkt werden müssten. Das Amt antwortet, dass bei 2,2 Millionen Personen und 1,1 Millionen Fahrzeugen, die die Schweizer Grenze pro Tag überqueren, eine lückenlose Überwachung weder möglich noch gewünscht sei. «Es liegt in der Verantwortung jedes Einzelnen gegenüber seinem Umfeld, aber auch gegenüber der Gesellschaft, den Quarantäneregeln Folge zu leisten.»

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