Auf einen Blick
SP-Gesundheitsministerin Elisabeth Baume-Schneider (60) konnte am Sonntag feiern. Das Stimmvolk hat die grösste Gesundheitsreform seit der Einführung der obligatorischen Krankenversicherung 1996 mit 53,3 Prozent Ja angenommen. Einzig die welschen Kantone lehnten die Vorlage ab.
Mir der Reform soll die Verschiebung von teuren stationären zu günstigeren ambulanten Behandlungen vorangetrieben werden. Welche Auswirkungen dies auf die Spitäler hat, erklärt Anne-Geneviève Bütikofer (52), Direktorin des Spitalverbands H+.
Frau Bütikofer, die Gesundheitsreform hat die Hürde der Volksabstimmung knapp genommen. Wie beurteilen Sie das Resultat?
Anne-Geneviève Bütikofer: In erster Linie bin ich sehr erleichtert über das Ja der Stimmbevölkerung. Die einheitliche Finanzierung ist eine umfassende Systemänderung, welche verständlicherweise zu Unsicherheiten führt. Die Tatsache, dass wir die Mehrheit der Bevölkerung von dieser historischen Reform überzeugen konnten, ist keine Selbstverständlichkeit.
In der Romandie dominierte allerdings das Nein.
Dass die Vorlage gerade in den Westschweizer Kantonen abgelehnt wurde, in welchen die Prämien teilweise besonders stark steigen, ist bemerkenswert. Offenbar fanden die Argumente der Gewerkschaften dort Anklang. Alles in allem ist es der breiten Allianz für Efas aber gut gelungen, diese Argumente mit Fakten zu entkräften.
«Mehr ambulant statt stationär» ist das Hauptziel der Reform. Was bedeutet dies für die Spitäler?
Die Reform ist ein Meilenstein für ein nachhaltigeres System, indem Fehlanreize beseitigt werden. Die Spitäler werden künftig noch stärker ambulant tätig sein als bisher. Das ist auch zum Nutzen der Patienten, die sich lieber zu Hause erholen, als im Spitalbett zu liegen. Zwar findet schon heute eine zunehmende Ambulantisierung statt, doch mit der Reform wird diese Entwicklung beschleunigt. Wir können nun die künftige Versorgungslandschaft vorantreiben.
Heisst das auch weniger Betten oder gar weniger Spitäler?
Die Nachfrage nach medizinischen Leistungen nimmt zu und die Auslastung der Spitalbetten ist mit 90 Prozent extrem hoch. Dafür braucht es die nötige Infrastruktur – daran ändert diese Reform nichts. Die wichtige Frage ist dabei aber nicht die Zahl der Spitäler, sondern die gewünschte Art der Versorgung. Vielleicht braucht es weniger Betten, dafür werden die Räumlichkeiten in ambulante Einrichtungen wie Konsultationszimmer umgewandelt. Schon jetzt findet diese Umwandlung statt – beispielsweise mit mehr Walk-in-Stationen.
Ambulante Behandlungen sind in der Regel günstiger. Wird mit Efas die finanziell bereits prekäre Lage zahlreicher Spitäler nicht noch schlimmer?
Entscheidend für die Spitäler ist, dass die Tarife die realen Kosten decken – das ist heute überhaupt nicht der Fall. Die einheitliche Finanzierung bildet gemeinsam mit einem sachgerechten Tarif für ambulante Leistungen die Grundlage für ein nachhaltiges Gesundheitswesen.
Das heisst?
Mit der Annahme der Reform ist ein erster, wichtiger Schritt genommen – eingeführt wird die Reform aber erst per 2028. Bereits zwei Jahre früher soll das neue ambulante Tarifsystem eingeführt werden, das erstmals auch Pauschalen beinhaltet. Dieses System muss danach laufend weiterentwickelt werden, damit die ambulanten Tarife die realen Kosten abdecken. Solange dies nicht der Fall ist, wird sich die dramatische Finanzsituation der Spitäler nicht verbessern.
Und welche Konsequenzen hat Efas für das Pflegepersonal?
Für die Spitäler ist die Ambulantisierung schon nur wegen der knappen Personalsituation ein Muss. Das bestehende Pflegepersonal wird entlastet, indem es beispielsweise weniger Nachtschichten braucht und weniger Pflegende am Patientenbett stehen. Das heisst aber nicht, dass es insgesamt weniger Personal braucht. Die medizinische Nachfrage steigt, weshalb wir künftig mehr Pflegende brauchen. Mit der Ambulantisierung können wir diesem Personal bessere Arbeitsbedingungen bieten.