Darum gehts
- Doppelbürger umgehen Schweizer Wehrpflicht durch Militär-Orientierungstag in Frankreich
- Bürgerliche Politiker wollen Schlupfloch schliessen, Bundesrat bisher dagegen
- 4892 Doppelbürger entzogen sich in fünf Jahren dem Schweizer Militärdienst
Ein Kurztrip nach Paris – und der Militärdienst ist erledigt. Schweizerisch-französische Doppelbürger können die hiesige Wehrpflicht leicht umgehen. Statt 18 Wochen Rekrutenschule zu absolvieren, nehmen sie einfach in Frankreich an der «journée défense et citoyenneté» – einem Militär-Orientierungstag – teil. Jedes Jahr sollen rund 800 junge Doppelbürger dieses Schlupfloch nutzen. Auch Wehrpflichtersatz müssen sie dann nicht zahlen. Das regelt seit 1997 ein Militärabkommen zwischen der Schweiz und Frankreich.
Dem wollen bürgerliche Sicherheitspolitiker nun einen Riegel vorschieben – gerade auch, weil die Armee immer wieder über zu wenig Soldaten klagt. Mit 16 gegen 9 Stimmen unterstützt die nationalrätliche Sicherheitskommission einen Vorstoss von SVP-Nationalrat Pascal Schmid (48), der Wehrpflicht-Privilegien von Doppelbürgern abschaffen will.
Bürgerliche wollen Ungleichbehandlung beenden
Konkret soll ein Dienst im Ausland künftig nur noch dann anerkannt werden, wenn die «erbrachten Leistungen gleichwertig» sind und wenn sie vor der Wohnsitznahme in der Schweiz oder vor der Einbürgerung erbracht wurden. Andernfalls sollen die betroffenen Doppelbürger nicht mehr von der Militärdienstpflicht oder von Ersatzabgaben befreit werden, fordert das Mitte-Rechts-Lager.
Es ist nicht der erste Anlauf aus dem Parlament, um diese «Ungleichbehandlung» zu beheben. Bisher aber sah der Bundesrat keinen Handlungsbedarf – im Gegenteil: 2010 hatte die Schweiz Frankreich explizit zugesichert, dass die Teilnahme am Infotag in Frankreich reicht, um von der Wehrpflicht in der Schweiz befreit zu werden.
Bundesrat sieht keinen Handlungsbedarf
Erst vor einem Jahr hatte die Regierung im Nationalrat zudem erklärt, dass er an der Gesetzeslage in Frankreich nichts ändern könne und eine Überarbeitung der bestehenden Vereinbarung nicht vorgesehen sei: «Es ist nicht Sache der Schweiz, Art oder Umfang der militärischen Pflichten in anderen Ländern zu beurteilen oder zu kritisieren.»
Damit aber wollen sich Schmid und seine Mitstreiter nicht abfinden. Für den SVP-Nationalrat ist es «unverständlich, dass der Bundesrat an dieser Ungleichbehandlung festhalten will». Zumal sie seiner eigenen Verordnung widerspreche: In den vergangenen fünf Jahren hätten sich so 4892 Doppelbürger dem Dienst in der Schweizer Armee entzogen – rund 4000 davon in Frankreich. «Das ist ungerecht und angesichts der aktuellen Sicherheitslage bedenklich», findet Schmid.
Der Bundesrat aber dürfte auf seiner bisherigen Haltung beharren – auch, um mit dem Infragestellen der heutigen Regelung die EU-Verhandlungen nicht zu gefährden. Als Nächstes wird die Sicherheitskommission des Ständerats über die Forderung befinden.