«Nützt der Ukraine gar nichts»
Wie Schweizer Firmen von den Ukraine-Hilfen profitieren

Mit 1,5 Milliarden Franken will der Bundesrat in den nächsten Jahren die Ukraine beim Wiederaufbau unterstützen. Ein Drittel des Geldes soll dabei an Schweizer Firmen gehen – was bei Hilfswerken für harsche Kritik sorgt.
Publiziert: 12.09.2024 um 20:07 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2024 um 20:18 Uhr
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Die Rapperswiler Industriegruppe Weidmann produziert in der Ukraine – trotz des Krieges.
Foto: Zvg

Auf einen Blick

  • Ständerat stimmt Entwicklungshilfe-Strategie zu
  • Teil davon ist die Ukraine-Hilfe
  • Alliance Sud kritisiert Gelder für Privatsektor
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Rund 600 Mitarbeitende der Rapperswiler Industriegruppe Weidmann arbeiten im Krieg. Sie sind im Werk in Malyn, westlich von Kiew, beschäftigt und produzieren spezielle Isolationsmaterialien für Transformatoren. Sie sind nicht allein. Auch andere Schweizer Firmen wie zum Beispiel Glas Trösch sind trotz des Krieges in der Ukraine geblieben. Und könnten jetzt für den Wiederaufbau wichtig werden.

1,5 Milliarden Franken will der Bundesrat bis 2028 in den Wiederaufbau der zerstörten Infrastruktur stecken. Die Ukraine-Hilfe ist Teil der Entwicklungshilfe-Strategie, der der Ständerat am Mittwoch zugestimmt hat. Ein Drittel der 1,5 Milliarden soll dabei nicht direkt in die Ukraine fliessen – sondern an Schweizer Unternehmen, die dafür dem Land ihre Produkte liefern. So könnten sie Arbeitsplätze erhalten und neue schaffen. 

Kritik der Hilfsorganisationen

«Die Ukraine braucht dringend Arbeitsplätze», sagte Helene Budliger Artieda, Chefin des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco), kürzlich an einer Medienkonferenz. Die Schweizer Firmen mit Fabriken in der Ukraine hätten zwei Jahre «durchgehalten». Es sei wichtig, dass diese Arbeitsplätze nicht verloren gehen. Auch Berufsbildungsprojekte könnten damit verbunden werden.

Die Staatssekretärin erwähnt als mögliches Beispiel Sicherheitsglas, das in der Ukraine dringend gebraucht wird – Schweizer Firmen wie Glas Trösch könnten dieses liefern. Die Schweizer Firmen bräuchten Türöffnerdienste und eine «Art Versicherung, mit einer ersten punktuellen Bestellung, die mehr Investitionen generiert». Diese Privatinvestitionen sollten deutlich höher sein als die staatlichen Hilfen.

Doch diese Strategie ist umstritten. Die Seco-Chefin betonte, dass es nicht darum gehe, Schweizer Firmen zu unterstützen. Entwicklungshilfeorganisationen kritisieren dennoch, dass primär die Schweizer Unternehmen von den Wiederaufbau-Hilfen profitieren.

Einkaufsgutschein für die Ukraine

«Wenn Schweizer Firmen gestärkt werden, nützt das der Ukraine gar nichts», findet Andreas Missbach, Geschäftsleiter von Alliance Sud. Ein Dorn im Auge ist den Hilfswerken vor allem der längerfristige Plan des Bundesrats: die Bevorzugung von Schweizer Firmen beim Wiederaufbau.

Missbach vergleicht das Konzept mit einem Einkaufsgutschein: Die Schweiz finanziert bestimmte Wiederaufbau-Projekte, aber nur, wenn dafür Schweizer Firmen engagiert werden. Dafür will der Bundesrat einen Staatsvertrag mit der Ukraine abschliessen. «Das geht auf Kosten ukrainischer Firmen, die den Auftrag genauso gut erledigen könnten – und womit die ukrainische Wirtschaft gestärkt würde», sagt Missbach.

Schon jetzt Zusammenarbeit

In der Wirtschaft hingegen kommt die Strategie des Bundesrats gut an. «Solche Anschubinvestitionen verbessern die Voraussetzungen für das Wiedererstarken und die Weiterentwicklung der gesamten ukrainischen Wirtschaft», sagt Weidmann-CEO Maximilian Veit. Man arbeite schon jetzt mit Kunden in der Ukraine zusammen, um den Wiederaufbau bestmöglich zu unterstützen. «Dabei geht es insbesondere um Investitionen in eine lokale, zuverlässige Infrastruktur oder um die Schaffung von praxisorientierten Ausbildungsmöglichkeiten für Fachkräfte, etwa nach dem Vorbild des Schweizer Lehrlingswesens.»

Als Nächstes ist der Nationalrat an der Reihe. Und auch über die rechtlichen Grundlagen gibt es noch Diskussionen. Noch ist das Geschäft nicht in trockenen Tüchern. 

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