Die Schweiz ist eine Meisterin darin, Vergangenheit zu verklären und die Realität auszublenden. Auf dem Albisgüetli feierte die SVP eine Schweiz, wie es sie nie gab: eine Insel der Seligen, die mit den Problemen der Welt nichts zu tun hat. In Davos hingegen übernahm Bundespräsidentin Viola Amherd Verantwortung und zeigte die Schweiz als Land, das zu Friedensgesprächen einlädt und als Vermittlerin auf dem diplomatischen Parkett punktet.
Während die SVP behauptet, dies ginge nur mit einer puristischen Neutralität, zeigen Länder von Norwegen bis Katar das Gegenteil. Obwohl Norwegen in der Nato ist, gilt das Land als seriöser Gesprächspartner für alle Seiten. Obwohl die Türkei und Katar ihre geopolitischen Interessen knallhart durchsetzen, sind sie gefragte Vermittler.
Neutralität und Annäherung an die Nato sind kein Widerspruch, sondern das Gebot der Stunde. Viola Amherd sollte ihren verklausulierten Plan, die Schweiz näher an die Nato zu rücken, offensiv formulieren.
Unter SVP-Bundesrat Adolf Ogi trat die Schweiz 1996 der Nato-«Partnerschaft für den Frieden» bei. Nun liegt es an der Mitte-Magistratin, dafür zu sorgen, dass die Schweiz an bewaffneten Nato-Übungen teilnimmt, die einen russischen Angriff auf Europa simulieren. Den Ärger mit der SVP und der Linken kann sie dafür locker in Kauf nehmen, denn es geht um die Sicherheit der Schweiz. Die guten Umfragewerte verleihen der VBS-Chefin ein Charisma, das sie als politisches Pfund nutzen kann. Vorwärts, Frau Amherd!