Nur bei schönem Wetter benutzen!
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Neuer Minenwerfer der Armee
Nur bei schönem Wetter benutzen!

Der neue Minenwerfer wird zum Rohrkrepierer. Brisante Dokumente zeigen: Beim 404 Millionen Franken teuren Mörser 16 läuft so ziemlich alles schief.
Publiziert: 09.11.2020 um 10:21 Uhr
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Aktualisiert: 06.02.2021 um 19:48 Uhr
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Das 120-mm-Mörser-System Cobra macht Ärger.
Foto: Blick
Thomas Angeli, «Boebachter»

Gute Nachrichten sind immer gut. So vermeldete das Verteidigungsdepartement (VBS) im Frühling stolz: «12 cm Mörser 16 erfüllt die Kriterien für die Truppentauglichkeit.» Das System sei «im ‹scharfen Schuss› erfolgreich erprobt worden», die Übergabe der 32 Mörser an die Truppe sei für 2024 vorgesehen.

Damit schien das Rüstungsgeschäft, das seit Jahren immer wieder für Kopfschütteln gesorgt hatte, auf der Zielgeraden zu sein. Die Beschaffung eines neuen Mörsers, auch genannt Minenwerfer, hatte die Armasuisse 2014 im Schnellverfahren durchgewinkt. Von einer ursprünglichen Liste von 14 Anbietern blieben nur zwei übrig: der finnische Mörser «Nemo» mit einem Geschützturm und das Schweizer System «Cobra» der bundeseigenen Ruag, montiert auf einem Piranha-IV-Radpanzer der GDELS-Mowag in Kreuzlingen.

Schweizer setzten sich durch

Am Schluss setzte sich der Schweizer Mörser durch – nicht zuletzt, weil das VBS die Anforderungskriterien so abgeändert hatte, dass die Ruag-Waffe doch noch in die Kränze kam. Die Eidgenössische Finanzkontrolle kritisierte denn auch kürzlich, die Beschaffung sei «nicht dem ordentlichen Rüstungsablauf» gefolgt. Verschiedene Personen hätten darauf hingewiesen, die Wahl eines Schweizer Anbieters sei politisch beeinflusst gewesen.

Es war ein Rüstungsgeschäft nach dem Prinzip Hoffnung. Denn die Waffe – eine überarbeitete Version eines Mörsers aus dem Jahr 1998, der sich nicht verkaufen liess – existierte erst auf dem Papier. Entsprechend entsetzt waren Fachleute über das undurchsichtige Beschaffungsverfahren und das aus ihrer Sicht unausgereifte Geschütz (siehe Beobachter Nr. 11/2017).

Armee schwieg über Verzögerung

Sie sollten recht behalten. Schon kurz nachdem die eidgenössischen Räte im Jahr 2016 den 404-Millionen-Kredit annahmen, zeigte sich, dass die Entwicklung des «Cobra»-Geschützes viel länger dauert als geplant. 2019 vermeldete der «Tages-Anzeiger» Probleme bei der Lademaschine, der Abzugsvorrichtung und der Datenschnittstelle. Innert kürzester Zeit baute sich so eine Lieferverzögerung von fast drei Jahren auf.

Davon stand in der Medienmitteilung vom April 2020 jedoch kein Wort, und das VBS machte um die technischen Probleme auch nicht viel Aufhebens. Das Waffensystem sei «truppentauglich», und damit basta.

Nur die halbe Wahrheit

Das war bestenfalls die halbe Wahrheit. Die andere Hälfte lieferte ein interner Bericht des VBS – allerdings erst ein paar Wochen nach der Medienmitteilung. Der Beobachter hat gestützt auf das Bundesgesetz über die Öffentlichkeit Einsicht erhalten in das Dokument. Es zeigt denkwürdige Vorgänge: Mit dem sperrigen Titel «Fragebogen (ausgefüllt) für den Truppenversuch mit dem 12 cm Mörser 16 (Fz) und integrierte Systeme» wird minutiös protokolliert, was am neuen Waffensystem als truppentauglich gilt (im Bericht grün markiert), was als teilweise (gelb) und was als nicht truppentauglich (rot).

Um es kurz zu machen: Es gibt sehr viel Rot im Bericht. Die Truppentauglichkeit, so das Fazit des verantwortlichen Offiziers, könne nur «mit Einschränkungen ausgesprochen werden».

Beobachter
Artikel aus dem «Beobachter»

Dieser Artikel wurde aus dem Magazin «Beobachter» übernommen. Weitere spannende Artikel finden Sie unter www.beobachter.ch

Beobachter

Dieser Artikel wurde aus dem Magazin «Beobachter» übernommen. Weitere spannende Artikel finden Sie unter www.beobachter.ch

Zur Hälfte ungenügend. Wer den Bericht liest, stellt bald einmal fest, dass der Begriff «Einschränkungen» arg untertrieben ist. Es sind derart handfeste Mängel, dass sich die Frage stellt, warum der Mörser 16 nicht als völlig untauglich bewertet wurde. Von 157 untersuchten Punkten sind 47 rot und 37 gelb markiert. Sprich: Bei mehr als der Hälfte der untersuchten Kriterien erfüllt der Mörser 16 die Anforderungen der Armee nur teilweise oder gar nicht.

Nur ein Schönwetter-Geschütz

Der wohl gravierendste Mangel: Der Mörser 16 kann nur bei schönem Wetter eingesetzt werden. Wenn es regnet oder schneit, dringt Wasser ins Geschützrohr, weil eine Abdeckung fehlt, die sich nach dem Schuss wieder schliesst. Die möglichen Konsequenzen: feuchte Munition, die unter Umständen nicht zündet. Und falls sie es doch tut, leidet die Zielgenauigkeit.

Im Moment gibt es lediglich eine sogenannte Mündungskappe, die das Rohr schützt. Sie muss jedoch vor jedem Einsatz entfernt werden. Das Fazit der Tester: «unbrauchbar». Ein Versuch, dieses Problem zu beheben, ging schief. «Die neue ‹Wetterschutzblache› erfüllt ihren aktuellen Zweck nicht», heisst es im Bericht. «Sie ist nicht benutzerfreundlich. Da die von W+T/ar [Technologiezentrum der Armee, Red.] vorgegebenen Sicherheitsvorschriften ein Schiessen bei Regen oder Schnee untersagt haben, konnte diese nicht im scharfen Schuss überprüft werden.» Sprich: Noch weiss man nicht, wie sich das Geschütz bei nassem Wetter wirklich verhält.

Armasuisse-Sprecherin Jacqueline Stampfli widerspricht dieser Darstellung der Armee: «Die Überprüfung der taktischen Aspekte wie etwa des Handlings bei solchen Witterungsbedingungen war der Truppe möglich.»

In den Lukendeckeln sammelt sich Wasser

Eine unfreiwillige Dusche. Regen und Schnee werden den Soldaten im Mörser 16 aber auch sonst das Leben schwermachen. Im Gefecht stehen sie im offenen Geschützraum – und sie werden buchstäblich abgeduscht, sobald die Lukendeckel geschlossen werden. Denn darin sammelt sich bei Regen Wasser, das nicht abfliessen kann. «Dies führt dazu, dass sich bei der Schliessung der Geschützluken das gesammelte Wasser in den Luken komplett in den Kampfraum entleert», so die Prüfer. «Dies kann je nach Wassermassen zu Personen- oder Sachschaden führen.» Anders gesagt: Neben den Soldaten kann auch die Munition nass werden.

Doch nicht nur schlechtes Wetter ist für den neuen Mörser eine Herausforderung. Auch in der Nacht belässt man ihn besser in der Garage. Die Kameras, mit denen der Fahrer das riesige Gefährt steuert, «besitzen keine Nachtsichtfähigkeit und sind dementsprechend unbrauchbar». Auch die Rückfahrkamera taxieren die Prüfer als «aktuell nicht brauchbar, um in der Nacht oder bei Dunkelheit zu navigieren». Auch das GPS hilft nicht weiter. Es stellte sich als unzuverlässig heraus. Und wenn es ausgeschaltet wird, «muss der Mörser 16 als Ganzes aus- und wieder eingeschaltet werden», heisst es im Bericht.

Bei Sonne gut erkennbar

Dafür sieht man den Mörser 16 bei Sonnenlicht gut – zu gut. «Die aktuelle Rohrfarbe der Primärwaffe kann bei ungünstiger Sonneneinstrahlung reflektieren und ist somit über eine grössere Distanz gut sichtbar (trotz grüner Farbe des Fahrzeugs).»

Auch die Unterbringung der Munition ist noch optimierbar. Vibration kann die Sicherungssplinte lösen. «Je nach Kurvenlage und Geschwindigkeit öffnen sich die Munitionsregale», so der Bericht.

«System ist noch sehr instabil.» Und dann ist da noch das Informatiksystem für die Feuerführung und die Feuerleitung. Auch bei ihm kommen die Prüfer zu einem vernichtenden Fazit: «Das System ist im Grossen und Ganzen noch sehr instabil.»

Das dürfte für den gesamten Mörser 16 gelten. Ein 404-Millionen-Geschäft mit mehr als drei Jahren Verzögerung, bei dem interne Prüfer in zentralen Punkten zu einem vernichtenden Urteil gelangen – in der Fachsprache nennt man das wohl einen Blindgänger.

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