Es ist ein letzter Versuch. In den vergangenen Wochen überboten sich die Parteien gegenseitig mit Vorschlägen, wie indirekte Waffenlieferungen an die Ukraine doch noch ermöglicht werden könnten. Denn: Im Ausland stösst es auf völliges Unverständnis, dass der Bundesrat anderen Staaten aus Neutralitätsgründen die Weitergabe von Kriegsmaterial verbietet.
Bisher aber erschien jeder Versuch, daran doch noch etwas zu ändern, im Parlament chancenlos. In der Sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrats (SiK-N) haben sich FDP und SP gemeinsam mit GLP und Mitte nun aber nochmals zu einem Kompromiss zusammengerauft. Auch dieser wird noch einige Hürden nehmen müssen – aber mit besseren Erfolgsaussichten.
«Das ist zumindest das kleinste Übel»
«Dieser Vorstoss ist zumindest eng gefasst und hält an unserem Kernanliegen fest, dass keine Waffen in Länder mit schweren Menschenrechtsverletzungen exportiert werden», findet selbst Anja Gada von der Gruppe Schweiz ohne Armee (GSoA). «Den Angriff der Bürgerlichen auf das erst kürzlich verschärfte Kriegsmaterialgesetz, um so der Schweizer Rüstungsindustrie wieder Tür und Tor für Waffenexporte nach Saudi-Arabien zu öffnen, konnten wir so verhindern.»
Der Vorstoss von FDP-Präsident Thierry Burkart (47) wäre hingegen ein Freipass für Waffenexporte nach Saudi-Arabien oder Katar gewesen, ist Gada überzeugt. «Der neue Vorschlag der Nationalratskommission ist zumindest das kleinste Übel.»
Neuer Kompromiss soll es richten
Mit dem Kompromissvorstoss soll der Bundesrat für klar definierte Länder ausnahmsweise eine Nichtwiederausfuhrerklärung auf fünf Jahre befristen können. Die Weitergabe von Waffen in ein Kriegsland wie aktuell die Ukraine wäre möglich, wenn dieses Land von seinem völkerrechtlichen Selbstverteidigungsrecht Gebrauch macht. Dabei müsste der Uno-Sicherheitsrat oder die Uno-Generalversammlung mit Zweidrittelmehrheit einen Angriffskrieg als völkerrechtswidrig erklären.
Die Gesetzesänderung würde auch rückwirkend gelten. Nichtwiederausfuhrerklärungen, die mehr als fünf Jahre vor dem Inkrafttreten unterzeichnet worden sind, könnten vom Bundesrat auf Gesuch einer ausländischen Regierung aufgehoben werden.
Lieber auf andere Bereiche konzentrieren
«Kommt die Gesetzesanpassung in dieser Form durchs Parlament, werden wir wohl auf ein Referendum verzichten», stellt GSoA-Sekretärin Gada klar. Denn dann würde die Schweiz auch weiterhin nur noch über mögliche Waffenlieferungen diskutieren. «Wir aber wollen die Aufmerksamkeit wieder vermehrt auf andere Bereiche lenken, in denen die Schweiz viel mehr Hilfe leisten könnte.»
So müsse die Schweiz ihren Fokus etwa auf die Gelder richten, die über den Rohstoffhandel nach Russland fliessen würden. Oder auf die humanitäre Hilfe, von der die Schweiz noch viel mehr leisten könne. Oder auf den Wiederaufbau in der Ukraine. «Und dass das Parlament erst jetzt, ein Jahr nach Kriegsbeginn, über eine Oligarchen-Taskforce diskutiert, ist nur noch peinlich», findet Gada.
Streit um Waffenlieferung an die Ukraine
Derzeit aber werde hierzulande nur noch über Waffen geredet. Dabei sei es nicht die Rolle der Schweiz, militärische Hilfe zu leisten. «Dazu können wir gar nicht viel beitragen.» Die Schweizer Munition, die sich im Ausland befindet, kann den Krieg aus ihrer Sicht «sicher nicht militärisch entscheidend beeinflussen».
Die GSoA möchte diese Waffen-Diskussionen deshalb lieber heute als morgen beenden. «Sollte das Parlament allerdings doch wieder Waffenexporte in Länder ermöglichen wollen, die systematisch Menschenrechte verletzen, dann werden wir uns mit allen Mitteln dagegen wehren», stellt Gada klar. Dann sei ein Referendum sicher.