10-Millionen-Schweiz! Noch ist es ein politischer Kampfbegriff, doch Jahr für Jahr rückt die Schweiz dieser Zahl näher. Letztes Jahr wuchs die ständige Wohnbevölkerung um über 70'000 Personen auf 8,8 Millionen Menschen. Und auch dieses Jahr zeigt der Trend nach oben.
Der Bund soll sich nun auf das Zukunftsszenario mit 10 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern wappnen. Der Nationalrat hat nämlich einen entsprechenden Vorstoss von GLP-Nationalrätin Judith Bellaiche (52) überwiesen. Darin verlangt sie einen Bericht darüber, welche Chancen und Herausforderungen eine 10-Millionen-Schweiz mit sich bringen würde. Im Fokus soll eine «positiv geprägte Vision» stehen. Der Bericht soll daher Lösungen, Planungsziele und konkreten Massnahmen aufzeigen, wie die ein solches Bevölkerungsszenario gemeistert werden könnte – beispielsweise auch bezüglich Infrastruktur, Gesundheitsversorgung oder Wohnraum.
Nicht nur der Bundesrat unterstützt den Vorstoss, sondern mit 122 zu 62 Stimmen auch eine deutliche Mehrheit des Nationalrats. Von FDP bis Grüne war der Support gross. Schliesslich will man ja nur wissen, was auf die Schweiz zukommen könnte. Ein Bericht – ein Stück Papier also.
SVP kontert
Nicht für die SVP. Diese stemmte sich geschlossen gegen den Vorstoss von «10-Millionen-Bellaiche», wie die Zürcherin in der Rechtspartei mittlerweile genannt wird. «Der Wille von Volk und Ständen liegt darin, das Bevölkerungswachstum zu begrenzen – und nicht etwa positiv darzustellen», machte SVP-Nationalrat Gregor Rutz (50, ZH) mit Blick auf das Ja zur Masseneinwanderungs-Initiative von 2014 geltend. Darin habe sich das Stimmvolk für eine eigenständige Steuerung der Zuwanderung ausgesprochen – «mithin die wichtigste Massnahme zur Vermeidung einer 10-Millionen-Schweiz».
Nun kontert die SVP mit einem eigenen Vorstoss. In beiden Kammern hat sie eine Fraktionsmotion eingereicht, in der sie vom Bundesrat «innerhalb von sechs Monaten» eine neue Vorlage zur Umsetzung der Masseneinwanderungs-Initiative verlangt. Diese soll eine «eigenständige Steuerung der Zuwanderung von Ausländerinnen und Ausländern durch jährliche Höchstzahlen und Kontingente» beinhalten.
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Rutz wird die Forderung als Fraktionssprecher im Parlament vertreten. Seit 2002 seien netto 1,4 Millionen Personen zugewandert, moniert er. Und trotz dieses Zustroms würden Economiesuisse und andere Verbände einen Fachkräftemangel beklagen. «Offensichtlich hat uns die Personenfreizügigkeit zu viele und die falschen Zuwanderer gebraucht», zieht Rutz Fazit.
Auf Bundesrat und Parlament allein wird sich die SVP aber nicht verlassen. Schon im Juli will sie eine neue Volksinitiative lancieren, mit welcher sie die Zuwanderung abbremsen will. Unter dem Slogan «Keine 10-Millionen-Schweiz» fordert die Initiative, dass die Schweiz bis 2050 die Schwelle von 10 Millionen ständiger Wohnbevölkerung nicht überschreiten darf.