Auf einen Blick
- Klimaschädliche Steuervergünstigungen kosten Schweiz Milliarden und fördern CO2-Ausstoss
- Flugverkehr, Pendlerabzug und Geschäftsautos profitieren von Steuervorteilen
- Abschaffung könnte 4,6 Milliarden Franken einbringen und CO2-Ausstoss um 6 Prozent senken
Fürs Weihnachtsshopping kurz nach London fliegen? Etwas mehr als hundert Franken kostet der Hin- und Rückflug ab Zürich. Gut zwei Stunden später kann man dafür seine Geschenke an der Oxford Street einkaufen. Doch solche Flugreisen schaden dem Klima. Die Schweiz verteilt dafür trotzdem Steuervergünstigungen.
Philippe Thalmann (61) ist Professor an der EPFL in Lausanne – dem Pendant zur Zürcher ETH. In einer neuen Studie untersuchen er und sein Team, wo Bund und Kantone klimaschädliche Steuervergünstigungen anbieten. «Das Ergebnis hat mich überrascht. Wenn sämtliche Steuerrabatte gestrichen werden, die einen negativen Effekt auf das Klima haben, könnten Bund und Kantone
4,6 Milliarden Franken einnehmen. Gleichzeitig hätten wir sechs Prozent weniger CO2-Ausstoss.»
Beim Fliegen
Den grössten Brocken findet Thalmann beim internationalen Flugverkehr. Anders als der Inlandflugverkehr ist er sowohl von der Mineralölsteuer fürs Kerosin wie von der Mehrwertsteuer ausgenommen. «Müssten die Airlines diese Steuern bezahlen, würde weniger geflogen und das Klima geschont», sagt Thalmann. Fast 1,5 Millionen Tonnen CO2 gäbe es weniger. «Dazu könnte der Bund 1,4 Milliarden Franken zusätzliche Steuern einnehmen.»
Für Vielflieger wären das aber schlechte Nachrichten. 40 Prozent würden die Ticketpreise im Mittel steigen, schätzt Thalmann. Statt 130 Franken für Zürich – London und zurück wären es also 182 Franken.
Beim Pendeln
Als zweiten Punkt hat Thalmann in seiner Studie den Pendlerabzug ausgemacht. «Damit bekommt der Steuerzahler durchschnittlich 15 Rappen pro Kilometer geschenkt. Die öffentliche Hand übernimmt quasi die Benzinkosten für den Weg zur Arbeit.»
Der Professor hat mehrere Varianten berechnet. Bei einer vollständigen Abschaffung des Pendlerabzugs könnten Bund und Kantone 1,7 Milliarden Franken bekommen, gleichzeitig 430'000 Tonnen CO2 sparen. Zum Vergleich: Der gesamte Autoverkehr hat 2022 zehn Millionen Tonnen CO2 emittiert.
Beim Geschäftsauto
«Wer sein Geschäftsauto auch für private Zwecke nutzen darf, fährt mehr», erklärt Thalmann. Wer zudem vor dem Büro einen kostenlosen Parkplatz hat, nutze weniger den öffentlichen Verkehr. Diese Naturalleistungen werden jedoch vom Bund gefördert. Auch so könnte Geld (bis zu 330 Millionen Franken) und CO2 (120'000 Tonnen) gespart werden.
Die Lastwagen
Fährt ein Lastwagen durch die Schweiz, bezahlt er die Schwerverkehrsabgabe. Doch damit sind nicht alle Kosten gedeckt. Luftverschmutzung, Lärm, Unfälle fehlen. Lieferwagen sind sogar von der Steuer ausgenommen. «Das führt dazu, dass mehr gefahren wird.» Würde der Güterverkehr seine gesamten Kosten tragen, könnten über 200'000 Tonnen CO2 eingespart werden. Dazu kommen Steuereinnahmen von über 1 Milliarde Franken.
So stehen die Chancen
Händeringend sucht der Bund nach Sparpotenzial. Trotzdem dürften die klimaschädlichen Steuervergünstigungen wohl bleiben. Grüne-Nationalrätin Franziska Ryser (33) forderte kürzlich, die Subventionen für den Flugverkehr aufzuheben. Der Bundesrat will davon aber nichts wissen. Die Besteuerung von Flugtreibstoff müsse «auf der Basis eines globalen Ansatzes» gelöst werden.
Auch die Sparexperten des Bundes um Serge Gaillard (69) haben eine solche Besteuerung geprüft. Aufgrund der «weltweit etablierten Praxis» und des «Standortnachteils für Schweizer Flughäfen» verwarfen sie diese wieder.
Beim Pendlerabzug entschied sich kürzlich der Zürcher Kantonsrat gegen eine Kürzung, die GLP und SP gefordert hatten. Der Kanton St. Gallen hat derweil entschieden, dass der Abzug sogar auf 8000 Franken erhöht wird.