Klimakonferenz in Baku – Röstis Rendez-vous mit der Globalisierung
«Ich mag lieber Handfestes – Züge, Biodiversität, Autobahnen»

Wölfe, Autobahnen, Atomkraftwerke – Bundesrat Rösti trimmt das Uvek auf SVP-Kurs. Aber wie macht er sich auf einer internationalen Klimakonferenz?
Publiziert: 24.11.2024 um 11:40 Uhr
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Aktualisiert: 24.11.2024 um 11:42 Uhr
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Bundesrat Albert Rösti in Baku.

Auf einen Blick

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Raphael RauchBundeshausredaktor

Als Simonetta Sommaruga (64) aus dem Bundesrat zurücktrat, reiste CVP-Frau Doris Leuthard (61) nach Bern. Sie wollte ihre Parteifreundin Viola Amherd (62) überzeugen, vom Verteidigungsdepartement ins frei gewordene Uvek zu wechseln. Leuthard, Uvek-Chefin von 2010 bis 2018, fürchtete um ihr Erbe, sollte die SVP das Umweltdepartement übernehmen.

Doch Amherd gab Leuthard einen Korb. Seit Januar 2023 wird das mächtige Departement vom einstigen SVP-Parteichef Albert Rösti (57) geführt.

Die Bundespräsidentin glänzt durch Abwesenheit

Auch auf der Weltklimakonferenz in Baku fehlt Amherd – obwohl seit 2015 fast alle Bundespräsidenten die Konferenz besucht haben. Begründung der jetzigen Amtsinhaberin: Terminprobleme.

Albert Rösti (57) ist damit der ranghöchste Politiker, der die Schweiz bei der «COP 29» in Baku vertritt. Dabei verkörpert Rösti wie kein anderer Bundesrat nicht die internationale, sondern die Mehrzweckhallenschweiz. Egal, ob in Uster oder Lausanne, hier fühlt sich der Kandersteger zu Hause, hier dreht er richtig auf – obwohl ihm bewusst ist, dass auch er Volksabstimmungen verlieren kann: «Als Politiker verliert man mehr, als dass man gewinnt.»

In Baku trifft Rösti auf einen autoritären Herrscher, der sein Land mit eiserner Hand führt. Seit der Pandemie hat Ilham Alijew (62) das Land abgeriegelt. Während der zweiwöchigen Weltklimakonferenz gilt Homeoffice-Pflicht, die Kinder haben schulfrei. Der Herrscher von Baku möchte sein Land, das mit Gas und Erdöl reich geworden ist, ohne Staus zeigen. Anders als beim WEF in Davos, wo selbst Regierungschefs nur im Schritttempo vorankommen, geben die Fahrer der Staatskarossen in Baku Vollgas.

«Ich mag lieber Handfestes»

Rösti macht keinen Hehl daraus, dass ihm das internationale Parkett vergleichsweise fremd ist: «Ich mag lieber Handfestes: Züge, Biodiversität, Autobahnen.» Als er nach zwei Nächten in Baku wieder nach Bern fliegt, steht immer noch nicht fest, ob sich die Industrieländer und die Nationen des globalen Südens einigen können. 100 Milliarden Dollar pro Jahr für den Klimaschutz reichen nicht – darüber sind sich alle einig. Die Länder des globalen Südens, die sich auch gerne als «globale Mehrheit» zeigen, fordern mehr als das Zehnfache: 1,3 Billionen Dollar. Als Rösti am Freitagabend im Bundesratsjet Baku verlässt, stehen die Verhandlungen bei 250 Milliarden Dollar. Am Samstagabend ist von 300 Milliarden die Rede – aber eine Einigung ist noch nicht in Sicht.

Wie fühlt sich ein ehemaliger Öl-Lobbyist auf einer Klimakonferenz? «Ich war nie ein Öl-Lobbyist», widerspricht Rösti. «Ich war früher Präsident der Brennstoffhändler. Das sind zumeist traditionelle Schweizer KMU, die Heizöl transportieren. Das ist ein Narrativ, das wunderbar gepflegt wird, aber nie gestimmt hat – und jetzt erst recht nicht stimmt.»

Beim Wolf müsste Sommaruga «wohl ähnlich handeln»

Rösti versucht auf dem Rückflug klarzustellen, dass die Kontinuität im Uvek grösser sei, als öffentlich kolportiert werde. Aber natürlich gestalte er nach seinen Überzeugungen. So zum Beispiel eine mögliche Rückkehr zur Atomkraft, die Rösti anders als seine Vorgängerinnen Leuthard und Sommaruga begrüssen würde. Rösti findet, Atomkraftwerke spielten eine wichtige Rolle für das Netto-Null-Ziel. Der eidgenössische Umweltminister gibt sich überzeugt, dass neue Atomkraftwerke auch in einer direkten Demokratie mit komplizierten Bewilligungsverfahren und Einspracherechten eine Zukunft haben.

Nicht ganz so gross sei die Differenz zur Linie von Simonetta Sommaruga in anderen Fragen, hebt Rösti hervor: «Ich bin mir sicher, dass meine Vorgängerin beim Thema Wolf heute aufgrund der grossen Nutztierschäden wohl ähnlich handeln müsste wie ich.»

Dabei hat Rösti, wie Blick weiss, einen fähigen Bewerber für das Wolfsdossier blockiert. Danach hatte das Bundesamt für Umwelt Mühe, einen Nachfolger zu finden. Am Ende brauchte es einen 86’000 Franken teuren Headhunter. Rösti: «Ich habe mit der Amtsdirektorin abgemacht: Sie macht die Auswahl, aber ich möchte den Schlusskandidaten sehen, bevor er ernannt wird. Jetzt mussten zwei Kandidaten kommen. Ich habe mit beiden gesprochen, einer hat mich überzeugt. Das ist nicht Mikromanagement, schliesslich geht es um eine Schlüsselstelle.»

Zölle werden wieder aktuell

Und wie gefiel dem Berner Oberländer nun sein aserbaidschanisches Rendez-vous mit der Welt? Im Flug über den Kaukasus kommt Rösti auf das Thema seiner Doktorarbeit an der ETH zu sprechen. Damals ging es um Zölle und die Welthandelsorganisation – die den neuen US-Präsidenten Donald Trump (78) noch immer brennend interessieren, weil Trump aller Welt mit Strafzöllen droht. Wäre das Wirtschaftsdepartement WBF, wo es um das SVP-Kernthema Landwirtschaft geht, aber auch um Aussenhandel und Strafzölle, nicht ebenfalls ein passendes Departement für Rösti? Schliesslich möchte Departementsvorsteher Guy Parmelin (65) gerüchteweise am Ende seines Präsidialjahres 2026 zurücktreten.

Rösti: «Das WBF ist sicher auch sehr spannend, aber ich bin genug ausgelastet und gefordert, sodass ich am liebsten lange, noch sehr lange im Uvek bleiben möchte.»

Rösti will einen Polestar oder Volvo kaufen

Ins Grübeln kommt Rösti bei der Frage, worauf er persönlich verzichtet, um das Klima zu retten. Das Thema rüttelt an seinem Grundverständnis, also antwortet er ausweichend: Die Menschen wollten nicht verzichten, sondern vertrauten lieber auf neue Technologien, um die Energiewende zu schaffen. Und: «Wenn wir Lebensmittelabfall vermeiden, können wir viel gewinnen, ohne verzichten zu müssen.» Dann erzählt er von dem neuen E-Auto, das er nächstes Jahr bestellen möchte. Keinen Tesla, sondern einen Polestar oder Volvo. Rösti findet, die Schweden können bessere Autos bauen als die Amerikaner. Und hofft wohl, dass Donald Trump diesen Satz nicht liest.

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