Auf einen Blick
Als «Geschenk Gottes» bezeichnete der aserbaidschanische Staatschef Ilham Aliyev (62) Öl und Gas, und das an der Uno-Klimakonferenz COP29, die derzeit in Baku läuft. Keinem Land sollte vorgeworfen werden, Öl und Gas auf den Markt zu bringen.
Aliyevs Aussagen passen schlecht zum Beschluss der letztjährigen Konferenz in Dubai: Dort hatten sich alle Staaten erstmals auf eine Abkehr von Kohle, Öl und Gas verpflichtet. Jedoch passen sie zu einer weltweiten Tendenz: In den USA und anderswo gewinnen die fossilen Energieträger gerade wieder an Schwung. Blick erklärt, was ein Scheitern der Konferenz in Baku bedeuten würde.
«Immerhin ist Aliyev ehrlich», sagt ETH-Klimaforscher Reto Knutti (51). «Die Aussage ist grotesk.» Darin zeige sich die eine Haltung, die in gewissen Kreisen gerade Auftrieb habe. «Alles ist erlaubt, solange ich davon finanziell profitiere oder zu mehr Macht komme, selbst wenn dabei Menschenleben auf der Strecke bleiben.»
Kritik am Verhandlungsleiter
Es zeige sich bei Aliyevs Aussage das klare Ziel von einigen Staaten und der fossilen Industrie, «die goldene Kuh noch so lange wie möglich zu melken.» Es gehe ums Ablenken, Verzögern und Verhindern: «Klimaschutz und Energiewende ja, aber nicht hier, nicht so, nicht jetzt, und bitte gratis.»
Der Austragungsort gibt zu reden: Das autoritär regierte Aserbaidschan stützt seine Exportwirtschaft zu 90 Prozent auf Öl und Gas. Geleitet wird die Konferenz von Umweltminister Mukhtar Babayev (57), der mehr als 20 Jahre für den staatlichen Ölkonzern Socar tätig war.
«Es ist klar, dass der Gastgeber die Führung der Verhandlung stark prägt und damit die Aussichten auf einen Verhandlungserfolg nicht grösser werden», sagt Knutti.
«Entwicklungsländer können das nicht allein stemmen»
In Baku wird über ein neues Finanzziel verhandelt, um ärmeren Ländern mehr Unterstützung beim Klimaschutz zu geben. Sie fordern mindestens 1300 Milliarden US-Dollar pro Jahr – 13 Mal mehr als bisher. Bezahlen sollen die Industrieländer. Viele befürchten, dass dies der erste Gipfel seit 2009 werden könnte, der ohne eine Einigung endet.
Scheitert die Konferenz, dann würden gemäss Knutti den ärmeren Ländern die notwendigen Gelder fehlen. «Es geht um Linderung der Auswirkungen und um den Umbau der Infrastruktur», sagt der Klimaforscher. Ohne finanzielle Hilfe würden Entwicklungsländer das Netto-Null-Ziel viel langsamer erreichen – oder gar nicht.
Knutti ist überzeugt, dass es die grossen Konferenzen weiterhin braucht. «Sie als unnütz abzutun, greift zu kurz», sagt er. Die COP sei ein Gradmesser der internationalen Debatte, ein Auslöser von medialem Druck.
Trump will bohren
In den USA zeichnet sich unter Donald Trump (78) eine Renaissance der fossilen Energieproduktion ab. Trump sagt, er wolle «bohren, Baby, bohren». Auch könnten die USA im Januar erneut aus dem Pariser Abkommen aussteigen.
Das sei gefährlich, sagt Knutti. «Wenn internationale Verträge zu einer Beliebigkeit verkommen wie das Samichlaus-Fest im Quartier, wo man je nach Lust mal dabei ist, mal nicht, dann werden langfristige globale Herausforderungen komplett unlösbar.»
Ölförderung auf einem Höchststand
Konzerne fördern Öl und Gas in historischem Ausmass. Es scheint, als wehrten sie sich nochmals kraftvoll gegen einen baldigen Ausstieg. «Der Eindruck täuscht nicht», sagt Knutti. «Man verdient mit fossilen Energien im Moment noch viel Geld.»
Blick hätte gerne die Sicht der schweizerischen Erdöl-Branche wiedergegeben. Der zuständige Verband teilte jedoch mit: «Avenergy Suisse hat keine Position zu COP29», so Geschäftsführer Roland Bilang.
Gemäss Knutti zielen die heutigen Gesetze weltweit auf eine Erwärmung von etwa 3 Grad Celsius. «Die Welt ist also bei weitem nicht auf Kurs für 1,5 Grad, wie sie im Pariser Abkommen beschlossen wurden», sagt der ETH-Forscher. «Wir haben kein Technologie- oder Finanzierungsproblem, wir haben ein Umsetzungsproblem.»