Das Parlament hat in der Frühlingssession das CO₂-Gesetz für die Jahre 2025 bis 2030 verabschiedet. Es geht darin um Klimarisiken auf dem Finanzmarkt, die Förderung von E-Ladestationen, den Ersatz von Öl- und Gasheizungen und vieles mehr. Das Ziel: den Treibhausgasausstoss halbieren gegenüber 1990. Dazu hat sich die Schweiz mit dem Pariser Klimaabkommen verpflichtet.
Umstritten war die Frage, wie viel Emissionen die Schweiz hierzulande einsparen soll und wie viel im Ausland. Der Nationalrat wollte, dass die inländische Reduktion bei mindestens 75 Prozent liegt. Nach dem Ja zum Klimagesetz im Sommer 2023 ist auch der Auftrag von der Stimmbevölkerung eigentlich, dass die Reduktionen «soweit möglich» hier erreicht werden. Nach monatelangem Hin und Her hat sich aber der Ständerat durchgesetzt: Jetzt steht im CO₂-Gesetz keine Inlands- oder Auslandsquote.
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Die Schweiz will einen wesentlichen Anteil ihrer CO₂-Reduktionen im Ausland erledigen. Wir beantworten die wichtigsten Fragen.
Was sind Auslandskompensationen?
Alle Staaten, die das Pariser Klimaabkommen unterzeichnet haben, sind verpflichtet, ihre klimaschädlichen Emissionen zu reduzieren. Das kann im Inland passieren, indem die Schweiz zum Beispiel ökologische Heizungen fördert. Das Pariser Abkommen erlaubt aber auch, dass sich Staaten Reduktionen anrechnen, die im Ausland erbracht worden sind. Staaten kompensieren so Emissionsverminderungen, die sie im eigenen Land nicht schaffen.
Wie funktioniert die Kompensation?
Im Ausland werden Projekte gefördert, etwa für erneuerbare Energien, Energieeffizienz oder in der Landwirtschaft. Was man damit an Klimaschutz erreicht, wird berechnet und als CO₂-Zertifikat in die Schweiz verkauft und dem staatlichen Klimaziel angerechnet. Der Bund sucht und fördert diese Projekte aber nicht direkt. Zuständig ist die Stiftung Klimaschutz und CO₂‑Kompensation KliK, die 2012 von der Schweizerischen Erdölvereinigung gegründet wurde. Dies, weil die Treibstoffimporteure gesetzlich dazu verpflichtet sind, einen bestimmten Anteil der CO₂-Emissionen aus dem Verkehr zu kompensieren. Die Stiftung Klik setzt diese gesetzliche Vorgabe für sie um. Sie sucht und fördert also Klimaschutzaktivitäten im In- und Ausland. Und der Bund stellt für erzielte Emissionsreduktionen die offiziellen Bescheinigungen aus, die dann ans staatliche Klimaziel angerechnet werden.
Sind CO₂-Zertifikate nicht höchst umstritten?
Doch. Es gibt aber einen grossen Unterschied zwischen dem privaten Zertifikatehandel und dem staatlichen. Im privaten Markt gibt es keine Regeln und völligen Wildwuchs an Begriffen und Standards. Die Gefahr von Greenwashing ist gross. In den letzten Jahren gab es immer wieder Skandale, weil einige Projekte viel weniger CO₂ einsparten als eigentlich versprochen. Bei staatlichen Zertifikaten gibt es gesetzlich festgelegte Anforderungen an die Klimaschutzprojekte. Das Bundesamt für Umwelt (Bafu) sagt, dass nur Projekte genehmigt werden, die im Partnerland ohne den Erlös aus dem Verkauf von CO₂-Zertifikaten nicht umgesetzt worden wären. Nur mit Ländern, mit denen die Schweiz ein bilaterales Abkommen zu diesem Zweck abgeschlossen hat, können Klima-Kompensationsprojekte umgesetzt werden. Das sind momentan 13 Länder. Jedes Projekt muss von der Schweiz und vom Partnerstaat bewilligt sein und durch unabhängige Prüfstellen kontrolliert werden.
Machen das auch andere Länder?
Ein paar Länder haben wie die Schweiz bilaterale Abkommen mit anderen Ländern getroffen, um deren Klimaschutz ans eigene Ziel anrechnen zu lassen. Darunter Japan, Australien, Monaco und Singapur. Die EU hat hingegen beschlossen, ihr Reduktionsziel vollständig mit Massnahmen innerhalb der Union zu erreichen. Die Schweiz nimmt insofern eine Sonderrolle ein im Verhältnis zu ihren europäischen Nachbarn.
Gibt es Beispiele für solche Kompensationsprojekte?
Ein von KliK umgesetztes Schweizer Projekt in Thailand, dank dem jetzt Elektrobusse in Bangkok unterwegs sind, ist das international erste überhaupt genehmigte solche Kompensationsprogramm nach Artikel sechs des Pariser Klimaabkommens. Hätte Thailand das Projekt nicht sowieso selbst umgesetzt? Das Bafu sagt: «Die Zusätzlichkeit der Emissionsverminderung ist ein wichtiger Bestandteil der bilateralen Abkommen. Das Bafu prüft vor jeder Autorisierung mit der Umweltbehörde des Gastlandes, ob dieses ein Projekt von sich aus umgesetzt hätte, um sein Klimaziel unter dem Pariser Übereinkommen zu erreichen.» Das Bundesamt prüfe zudem, dass die Projekte nicht ohne den Verkauf von Zertifikaten zustande gekommen wären. Nur wenn ein Projekt ohne den Verkauf von Emissionsverminderungen nicht durchgeführt worden wäre, werde es bewilligt. «Aus Sicht des Bafu ist diese beim E-Bus-Projekt in Bangkok gegeben.»
Sind Auslandskompensationen problematisch?
Da gibt es sehr verschiedene Ansichten. Bürgerliche Parteien und Verbände möchten eher mehr im Ausland kompensieren. Das Klima denke nicht in Landesgrenzen, und man solle dort investieren, wo der Franken am meisten Wirkung erziele, wird argumentiert. Das Bafu sagt, die Schweiz unterstütze mit den bilateralen Verträgen auch die Partnerländer beim Aufbau ihrer Strategien und die Aktivitäten seien deshalb für sie von Nutzen. Kritischer sieht das Delia Berner von Alliance Sud, der Arbeitsgemeinschaft von Organisationen wie Swissaid, Heks, Caritas und weiteren im Bereich Entwicklungspolitik. Sie sagt: «Die Schweiz hätte die technologischen und finanziellen Möglichkeiten, selbst die Emissionen zu reduzieren. Es geht nicht an, dass wir in der Schweiz nicht bereit sind, mehr zu tun – und stattdessen dafür bezahlen, dass arme Leute in armen Ländern ihr Verhalten ändern.» Und wenn, dann solle die CO₂-Reduktion wenigstens dem entsprechenden Land angerechnet werden und nicht der Schweiz. Ein Engagement der Schweiz im Ausland könne kein Ersatz für Klimaschutz in der Schweiz sein, sagt Berner. Trotz der strikten Regeln für staatliche Kompensationen sagt sie, man müsse ein Auge auf methodische Schwierigkeiten und umstrittene Berechnungen haben. «Der Klimanutzen vieler Schweizer Projekte ist sehr unsicher, und es ist fraglich, ob im engen Zeitplan bis 2030 überhaupt genügend Projekte entwickelt werden können, um die Ziele zu erreichen.»