Tomaten aus dem Gewächshaus bringen im Winter Farbe auf den Teller – auf Kosten des Klimas. Grosse Landwirtschaftsbetriebe bezahlen eine hohe CO₂-Abgabe, wenn sie Pflanzen im Gewächshaus anbauen. Um zu verhindern, dass Firmen deswegen ins Ausland abwandern, gibt es für sie eine Sonderregel: Sie erhalten die CO₂-Abgabe rückerstattet, wenn sie dafür die Emissionen senken und in diesem Bereich investieren.
Bislang gilt die Regel nur für 21 ausgewählte Branchen, zum Beispiel für die Chemieproduktion, die Stahlindustrie, aber auch für Firmen wie Uhrenhersteller und Hallenbäder. Mit dem neuen CO₂-Gesetz sollen künftig sämtliche Unternehmen die Möglichkeit bekommen, das Geld zurückzubekommen.
Kein Netto-Null
Doch während die Beratungen des Parlaments noch laufen, kritisieren die Finanzkontrolleure des Bundes, wie die Abgabenbefreiung ausgestaltet ist. So seien die Ziele, die sich die Unternehmen setzen, zu tief. «Wenn es 900 Millionen Steuererleichterung für die Firmen gibt, sollten sie sich dafür ambitionierte Ziele setzen», sagt Véronique Merckx, die die Kontrolle durchgeführt hat.
Die betroffenen Firmen haben sich zwischen 2013 und 2020 verpflichtet, im Schnitt 12 Prozent CO₂ freiwillig zu reduzieren. Das Ziel haben sie mit 19 Prozent übertroffen. Für die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) trotzdem zu wenig. Denn die gesamte Industrie hat ihren Ausstoss um 20 Prozent reduziert – sogar jene ohne Abgaben-Erleichterungen. Bis 2021 konnten Firmen, die beim System mitmachen, sogar noch zusätzliches Geld bekommen, wenn sie mehr Treibhausgase einsparen.
Der Grossteil der Massnahmen sei zudem zu wenig ehrgeizig, weil diese auch für die Unternehmen innerhalb von vier oder acht Jahren rentabel sein müssen – so hat es das Bundesamt für Umwelt festgelegt. Doch das Netto-Null-Ziel werde man so nicht erreichen.
Fabriken geschlossen
Frank Ruepp kritisiert den Bericht scharf. Er ist Geschäftsführer der Energie-Agentur der Wirtschaft. Wenn ein Unternehmen die CO₂-Abgabe zurückerstattet haben will, regelt der Bund entweder mit Ruepps oder einer anderen Agentur die Details der Kompensation. Es geht also auch um ein Geschäftsmodell – diese seien aber nicht gewinnbringend, sagt Ruepp.
«Es ist ein erfolgreiches Instrument», sagt Ruepp. Auch die erreichten 19 Prozent CO₂-Reduktionen wertet er als gutes Resultat, da bereits früher grosse Reduktionen erreicht wurden. «Dass innerhalb der ganzen Industrie die CO₂-Emissionen noch weiter gesunken sind, hat damit zu tun, dass unter anderem eine grosse Raffinerie und auch Papierfabriken geschlossen wurden und die energieintensiven Branchen kleiner wurden. Das kann nicht das Ziel sein.»
Auch die Massnahmen, die die Agenturen mit den Unternehmen vereinbaren, seien streng genug. «Das Gesetz wurde damals gemacht, um die Energieeffizienz zu steigern und CO₂ zu reduzieren, nicht aber, um das heutige Netto-Null-Ziel zu erreichen.»
Ruepp stellt gar die Unabhängigkeit der Finanzkontrolle infrage. Der Bericht sei mehrheitlich aus Sicht der Verwaltung geschrieben worden. Sein Vorwurf: «Es scheint eine versteckte Agenda der Verwaltung vorzuliegen, die die unabhängigen Agenturen schwächen will.»
«Praxisfremde Vorschläge»
Die Finanzkontrolle kritisiert auch eine fehlende Transparenz bei der Organisation der Beratungsdienstleistungen. Der Bund beauftragt die zwei Agenturen, die ihrerseits die Beratungen auslagern. Das sei im Gesetz nicht in diesem Masse vorgesehen, sagt Merckx. So könnten die Ämter beispielsweise die Kosten nicht überprüfen. Die EFK empfiehlt darum, Aufträge an Subunternehmen grundsätzlich zu hinterfragen.
Das kommt wiederum bei Ruepp nicht gut an. «Die Finanzkontrolle will offenbar den Einfluss der Verwaltung stärken und macht dafür meines Erachtens zum Teil praxisfremde Vorschläge mit teilweise nicht belegten Aussagen.»
Die EFK entgegnet den Vorwürfen, für sie sei die Unabhängigkeit eine Selbstverständlichkeit.