Klima-Kompensation
Schweiz finanziert Busse in Bangkok – und bekommt ein Problem

Bei einem Engagement des Bundes in Thailand gibt es arbeitsrechtliche Probleme. Wenn sich die Vorwürfe bestätigen, droht dem Prestigeprojekt das Aus.
Publiziert: 12.10.2024 um 12:24 Uhr
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Aktualisiert: 14.10.2024 um 13:06 Uhr
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Unterstützt von der Schweiz fahren in Bangkok E-Busse. Als Kompensation erhält Bern dafür CO₂-Zertifikate.
Foto: Stiftung Klik

Auf einen Blick

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Tina Berg
Beobachter

Seit Anfang 2023 fahren Elektrobusse durch Bangkok – und befördern die Fahrgäste, ohne dass CO₂ ausgestossen wird. Möglich gemacht hat das die Schweiz. Dafür erhält sie im Gegenzug Zertifikate für die rund 1,5 Millionen Tonnen CO₂, die dadurch bis 2030 in Bangkok eingespart werden sollen. Und die thailändische Elektrobusbauerin Energy Absolute bekommt einen Haufen Geld, nämlich nach Berechnungen des Beobachters gut 40 Millionen Franken.

Die Umstellung auf Elektrobusse in Thailands Hauptstadt ist das erste Kompensationsprojekt der Welt, das im Rahmen des Pariser Klimaabkommens dem Klimaziel eines anderen Landes angerechnet wird. Entsprechend prestigeträchtig ist es.

Schwerwiegende Verstösse gegen Gewerkschaftsrechte

Jetzt zeigt sich: Reibungslos läuft es nicht. Schon kurz nach dem Start des Projekts gab es bei der thailändischen Firma, die für die Umsetzung verantwortlich ist, Probleme mit Menschenrechten und internationalen arbeitsrechtlichen Konventionen. Und die halten sich hartnäckig.

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Zur Einordnung: Das Schweizer Klimaziel soll zu einem grossen Anteil mit Kompensationen im Ausland gestemmt werden. So wollen es Parlament und Bundesrat. Dafür braucht es viele Projekte in anderen Ländern, die von der Stiftung Klimaschutz und CO₂‑Kompensation (Klik) gefördert und umgesetzt werden.

Internationale Gewerkschaft wird in Bern vorstellig

Dazu gehört eben auch das E-Bus-Projekt in Bangkok. Der Bundesrat betonte nach Abschluss des bilateralen Abkommens mit Thailand, man habe strenge Normen für Umweltschutz und Menschenrechte festgelegt.

Der Beobachter hat nun vom Bundesamt für Umwelt (Bafu) Dokumente herausverlangt – gestützt auf das Öffentlichkeitsgesetz. Sie zeigen Vorwürfe an die thailändische Busherstellerin Energy Absolute: Die Gewerkschaft Electric Motor Vehicle Union of Thailand wirft deren Tochterfirma Absolute Assembly schwerwiegende Verstösse gegen die Vereinigungsfreiheit und das Recht auf Kollektivverhandlungen vor.

Mitarbeitenden würden etwa finanzielle Nachteile angedroht, wenn sie nicht aus der Gewerkschaft austreten. Stellvertretend für die thailändische Arbeitnehmerorganisation intervenierte deshalb im Juni 2023 die in Genf ansässige globale Gewerkschaftsvereinigung IndustriALL beim Bafu und bei Klik.

Der Bund intervenierte bei der thailändischen Regierung

Das Bafu erklärte damals, man nehme die Vorwürfe ernst und sei mit der Regierung in Thailand daran, die nächsten Schritte zu besprechen. Ende August 2023 meldete IndustriALL dann dem Bund, die thailändische Firma habe mittlerweile zwei Gewerkschafter unter fragwürdigen Bedingungen entlassen. Zudem hätten diverse Verhandlungsrunden nichts gebracht.

Trotzdem fand man im Frühherbst 2023 offenbar einen Konsens: «Wir wissen nicht genau, wieso Energy Absolute plötzlich der Gewerkschaft etwas entgegenkam. Nicht alle Forderungen wurden erfüllt, aber die Gewerkschaft war zufrieden. Wir glauben, dass die Schweizer Behörden etwas damit zu tun hatten», sagt Héctor Mareque von IndustriALL. Das Bafu bestätigt auf Nachfrage des Beobachters, die thailändische Regierung über die Vorwürfe in Kenntnis gesetzt zu haben.

Und dann gab es neue Vorwürfe

Im September 2024, ein Jahr später, wurde jedoch klar, dass es mit dem vermeintlichen Frieden doch nicht so weit her war. Über das Solidarity Center in Bangkok, eine Organisation, die Gewerkschaften beim Aufbau unterstützt, erfuhr IndustriALL, dass Absolute Assembly Mitarbeitende weiter bedrohe und einschüchtere.

Zudem weigere sich das Unternehmen, die Gewerkschaft anzuerkennen und mit ihr in Verhandlungen zu treten. Sie wolle trotz Urteil die entlassenen Gewerkschaftsführer nicht wieder einstellen und sei drauf und dran, die Gewerkschaft komplett zu zerschlagen.

«Situation hat sich radikal verschlechtert»

Das an sich sei nicht untypisch für Firmen in Thailand, sagt David Welsh vom Solidarity Center. Bei der feierlichen Gründung der noch jungen Gewerkschaft seien zwar alle sehr hoffnungsvoll gewesen, schliesslich ist es die erste überhaupt im Elektrofahrzeugbereich. Innert Wochen habe sich die Situation aber radikal verschlechtert.

Das findet Welsh besonders dreist: «Eine Firma, die Gelder für die Entwicklung einer Spitzenindustrie erhält, sollte auch bei der Wahrung der Rechte ihrer Arbeitnehmer eine führende Rolle spielen. Internationale Geldgeber sollten die Vereinigungsfreiheit und die Gewerkschaftsrechte zu einer unabdingbaren Voraussetzung für ihre weitere Unterstützung machen.»

Im schlimmsten Fall droht das Aus

IndustriALL wandte sich Anfang Oktober 2024 erneut an Klik und Bafu. Mit der dringlichen Bitte, sofort zu intervenieren. Das Verhalten der Firma verstosse nicht nur gegen nationale Gesetze und internationale Standards, sondern auch gegen das bilaterale Abkommen zwischen der Schweiz und Thailand, betonte die Gewerkschaftsvereinigung.

Das Bafu bestätigt gegenüber dem Beobachter, dass es den neuen Hinweisen momentan nachgeht. Dem Projekt droht im schlimmsten Fall das Aus, wie die Medienstelle mitteilt: «Sollten sich die neuerlich von IndustriALL vorgebrachten Probleme im Umgang mit den Menschenrechten bei Absolute Assembly bestätigen, kann und wird das Bafu die Bescheinigung von Emissionsverminderungen, die im Rahmen dieses Projekts erzielt wurden, aussetzen. So verlangen es auch die Standards der bilateralen Abkommen, die die Schweiz mit Thailand und weiteren Partnerländern abgeschlossen hat. Diese Abkommen umfassen strenge Normen für den Schutz der Menschenrechte.»

Die Firma Energy Absolute hat momentan an mehreren Fronten zu kämpfen. Aktuell ist sie auch noch wegen Korruptionsvorwürfen in den Schlagzeilen. Auf die Fragen des Beobachters reagierte sie nicht.

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