Ab Donnerstag gilt es ernst für Anne Lévy (48): Sie tritt die Nachfolge von Pascal Strupler (61) an und wird Chefin des Bundesamts für Gesundheit (BAG). Ärztin ist Lévy genauso wenig wie der Jurist Strupler, sondern Politikwissenschaftlerin. Einen Hintergrund im Gesundheitswesen bringt sie aber mit: Bis zu ihrem Rücktritt Mitte Juni hat sie fünf Jahre lang die Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel (UPK) geleitet und war vorher bereits einmal im BAG tätig.
Auf Lévy wartet ein harter Job. Sie muss das BAG nicht nur weiterhin durch die Corona-Krise führen, sondern auch diverse Baustellen im Gesundheitswesen angehen. Dazu kommt, die bisherige Krise aufzuarbeiten. Als Gesundheitsminister Alain Berset (SP, 48) sie Anfang April vorstellte, sagte sie selbst: «Es wird wichtig sein, Lehren aus dieser Pandemie zu ziehen.» BLICK sagt, wo sie anfangen könnte.
- Digitalisierung: Das Faxgerät gehört in den Kübel. Und an Lévy ist es, den Ärzten klarzumachen, dass auch sie sich Computer zutun sollten. Doch auch abgesehen von Corona: Mehr digitale Kompetenz tut dringend not. Etwa, wenn es um E-Health im Allgemeinen und das notorisch verspätete elektronische Patientendossier im Speziellen geht.
- Daten: Das BAG muss punkto Daten endlich eine bessere Übersicht liefern als das bisherige Wirrwarr. Viele Daten werden nicht ausgewiesen, andere sind widersprüchlich und nicht nachvollziehbar. Evidenzbasierte Politik lässt sich so nicht machen. Nein, das ist kein Spezialproblem des Gesundheitswesens oder der Corona-Krise. Aber warum nicht seitens des BAG eine Vorreiterrolle einnehmen? PS: Auch hier bietet die Digitalisierung Potenzial.
- Transparenz: Es reicht nicht, mehr (richtige) Daten zu veröffentlichen – sondern auch Entscheidungsgrundlagen, Szenarien und Strategien. Dass das BAG die lange versprochene nationale Datenbank für die Contact-Tracing-Informationen im Oktober endlich bereit haben will, ist gut und recht. Doch dazu gehört auch, bald sauber zu kommunizieren, was man daraus lernt – und was nicht. Es braucht auch eine neue Fehlerkultur. Ja, es war der Kanton Bern, durch den das BAG die Falschinformationen über den Tod eines unter 30-Jährigen erhalten hat. Aber wenn das BAG das einfach herausposaunt, muss es auch dafür geradestehen.
- Verantwortung: Nicht für jede Panne ist das BAG alleine verantwortlich, und der Föderalismus macht die Sache nicht einfacher. Aber in der Krise hat sich auch gezeigt, dass Ämter sich gerne gegenseitig die heisse Kartoffel zuschieben. Es geht nicht, dass das Bundesamt für Bevölkerungsschutz Schlüsse über die Wirksamkeit des Maskentragens zieht, von denen das BAG nichts hören will. Und ein Zickzackkurs wie bei der Maskenfrage ist einer Gesundheitsbehörde einfach unwürdig. Es ist bereits durchgesickert, dass Lévy die Aufgaben künftig auf mehrere Schultern verteilen will. Das ist nicht per se schlecht. Trotzdem braucht es eine klare Kompetenzverteilung – und eine Amtsvorsteherin, die auch selbst in Erscheinung tritt, statt Abteilungsleiter zu einem «Mr. Corona» werden zu lassen.
- Kosten: Die Spardebatte im Gesundheitswesen ist in den letzten Monaten von Corona überlagert worden. Langfristig wird sie aber das grosse Thema sein – erst recht, wenn die Pandemie einmal besiegt ist. Hier sind neue, kreative Vorschläge gefragt – und der Mut, mal etwas zu wagen!