Theologinnen und Juristen statt Ärztinnen und Pfleger
Kaum Mediziner an der BAG-Spitze

Das Bundesamt für Gesundheit reiht Panne an Panne. Das habe auch mit dem fehlenden medizinischen Fachwissen in der Führungsetage zu tun, monieren Kritiker.
Publiziert: 18.08.2020 um 11:23 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2020 um 17:27 Uhr
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Während der Corona-Krise sind dem Bundesamt für Gesundheit einige Pannen unterlaufen.
Foto: Keystone

Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) sollte die Schweiz wie ein Dampfschiff durch die Corona-Krise manövrieren. Doch in der Führungskabine – der elfköpfigen Geschäftsleitung des BAG – sucht man vergeblich nach medizinischen Fachkräften.

Zwar arbeiten im BAG einige Ärztinnen, Epidemiologen oder Pfleger. Doch diese sind auf die unteren Hierarchiestufen verdammt. Die wichtigen Entscheidungen trifft Amtsdirektor Pascal Strupler (61), ein Jurist, mit seinen Geschäftsleitungskollegen.

Literaturwissenschaftler und Juristen

Das sind in erster Linie Juristen, Politologen und Ökonomen, aber auch ein Chemiker, eine Theologin oder ein Literaturwissenschaftler. Mit Sang-Il Kim, der für die digitale Transformation zuständig ist, sitzt nur ein ausgebildeter Mediziner im Führungsorgan. Kim arbeitete früher als Radiologe.

Jurist Strupler verlässt das BAG Ende September. Das würde Platz schaffen für mehr medizinisches Know-how an der Spitze. Anne Lévy (48), Struplers Nachfolgerin, leitet zwar derzeit die Universitären Psychiatrischen Kliniken in Basel. Doch auch sie ist nicht Ärztin und hatte laut NZZ nie direkt mit Patienten zu tun.

Generalisten statt Spezialisten

Kritiker sagen, die fehlende medizinische Fachkompetenz sei mit ein Grund für die Pannenhäufung beim BAG. Nachdem das Amt zunächst falsche Daten zu den Ansteckungsorten publiziert hatte, leistete es sich mit der Meldung eines Todesfalls, den es nicht gab, erst kürzlich einen gröberen Patzer.

Ehemalige Ärztinnen, Pfleger und Therapeuten könnten das BAG besser durch die Krise steuern, so die Kritik. Schliesslich wüssten sie genau, wie die Gesundheitswelt im Inneren funktioniere.

BAG ist kein Einzelfall

Das BAG ist mit seiner bunten Führungstruppe allerdings kein Einzelfall. Zwar findet man beim Bundesamt für Veterinärwesen viele Tierärzte und beim Deza einige Botschafter. Doch auch in diesen Bundesämtern sitzen längst nicht nur Fachexperten.

Schliesslich sind die Probleme, die sich den Ämtern stellen, oft komplex. Da lohnt es sich, wenn verschiedene Perspektiven und unterschiedliches Fachwissen in die Entscheidungsfindung einfliessen. Ganz aussen vor lassen sollte man die Fachexperten dennoch nicht. (til)


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