BLICK: Herr Widler, viele Ärzte kommen ihrer Meldepflicht bei den Corona-Fällen nicht nach, schreibt die «NZZ am Sonntag». Was läuft hier falsch?
Josef Widler: Offensichtlich ist die Meldedisziplin der Kolleginnen und Kollegen nicht super. Das muss man sicher verbessern. Aber das ganze Debakel hat nicht damit zu tun, dass die Ärzte ihre Arbeit nicht machen, sondern dass das BAG offensichtlich nicht in der Lage ist, modern Daten zu verarbeiten.
Der Fehler liegt also nicht bei den Ärzten?
Wir Ärzte müssen einen Zettel ausdrucken, ausfüllen und dann einscannen oder faxen. Beim Bund tippt es dann irgendjemand ab. Da gibt es viele Fehlerquellen. Das ist letztes Jahrzehnt. Die Digitalisierung der Schulen ist besser als jene beim BAG!
Was hat das für Folgen?
Wir fischen viel im Trüben. Die Datenlage ist nicht gut. Die einzigen Zahlen, die einigermassen stimmen, sind die Anzahl Infizierter und Hospitalisierter. Die Toten stimmen auch etwa plus, minus eins. Aber ansonsten sind die Daten, um die Strategie zu beurteilen, für mich absolut ungenügend.
Laut BAG lag der Fehler im Fall des falsch gemeldeten Toten beim Arzt, der das Meldeformular nicht richtig ausfüllte.
Das ist einfach Ablenkung. Ich sage nicht, dass bei uns keine Fehler passieren. Aber es ist sehr unfreundlich.
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Nerven Sie sich über die Häufung der Fehler beim BAG?
Nerven ist das falsche Wort. Ich habe nicht mehr viel Verständnis. In einem Fall wie bei diesem falsch gemeldeten Toten darf ich als Chef nicht kommunizieren, wenn der Fall unwahrscheinlich ist oder ganz neu. Ich muss es ganz genau kontrollieren. Das ist ein Problem im BAG: Meldungen werden nicht überprüft.
Müsste man die Ärzte bestrafen, wenn sie das Formular falsch ausfüllen?
Den Ärzten droht eigentlich eine Busse. Aber es reicht meiner Meinung nach, wenn man ihnen sagt, wie wichtig es ist, dass sie die Formulare korrekt ausfüllen. Und es darf nicht sein, dass wir Ärzte nun nachlassen bei den Meldungen, nur weil sie im BAG nicht anständig verarbeitet werden.