Das versprechen Parteipräsidenten einer weiblichen Fraktions-Kollegin
2:07
Wette angenommen:Das versprechen Parteipräsidenten der weiblichen Kollegin

Frauenanteil im Nationalrat sinkt auf 38,5 Prozent
Welcher Parteipräsident hat sein Wort gehalten?

Die Schweizer Parteipräsidenten haben im Blick vor den Wahlen versprochen, mehr Frauen in die Politik zu bringen. Jetzt wird abgerechnet. Wer hat seine Wette gehalten und wer nicht?
Publiziert: 25.10.2023 um 00:09 Uhr
|
Aktualisiert: 25.10.2023 um 09:49 Uhr
1/10
SP-Co-Präsidentin Mattea Meyer (r.) versprach Min Li Marti: «Wir treten mit 50:50-Listen an – wie immer.» Diese Wette erfüllte sie.
Foto: Thomas Meier
RMS_Portrait_AUTOR_1050.JPG
Sophie ReinhardtRedaktorin Politik

Vor vier Jahren feierten viele Frauen die sogenannte Frauenwahl: 20 neue Sitze eroberten Politikerinnen im Nationalrat. Damit stieg der Frauenanteil auf einen Knall in der grossen Kammer von 32 auf über 40 Prozent, auch im Ständerat waren plötzlich mehr weibliche Gesichter zu sehen.

Trotzdem: Gemessen an ihrem Bevölkerungsanteil waren die Frauen noch immer untervertreten in der Politik. Das zu ändern, hat sich das Projekt «Helvetia ruft!» auf die Fahnen geschrieben. Und forderte die Parteichefs in Wetten auf, für die diesjährigen Wahlen noch ambitioniertere Ziele anzustreben. 

Nach den Wahlen rechnet Blick ab: Wer hat sein Versprechen gehalten? 

Marco Chiesa: Ziel erfüllt, mit wenig Ehrgeiz

SVP-Präsident Marco Chiesa (49) wettete mit den Nationalrätinnen Diana Gutjahr (39) und Céline Amaudruz (44), dass die SVP schweizweit mit mehr Kandidatinnen an den Wahlen antritt als 2019.

Allzu ambitioniert war das nicht – vor vier Jahren waren gerade einmal 22 Prozent aller SVP-Kandidierenden weiblich. Bei den diesjährigen waren es nun 25 Prozent. Damit hat der SVP-Chef seine Wette gewonnen.

In der SVP-Fraktion ist der Frauenanteil allerdings gesunken. Unter den 21 neugewählten SVP-Politikern sind gerade mal drei Frauen auszumachen. Nur 12 ihrer insgesamt 62 Sitze werden von Frauen belegt. Dies ist mit ein Grund, warum der Frauenanteil im Nationalrat tiefer sein wird als in den letzten vier Jahren: Von den 200 Nationalräten sind nur noch 77 Frauen – sieben weniger als vor vier Jahren. 

Gerhard Pfister: Versprechen fast gehalten

Gegenüber der Präsidentin seiner Frauenpartei der Mitte versprach Mitte-Präsident Gerhard Pfister (61) ebenfalls mit mehr Kandidatinnen anzutreten. Und noch mehr: Die besten – also obersten – Listenplätze sollen zur Hälfte mit Frauen besetzt werden. Den ersten Teil der Wette gewinnt er. Die Mitte konnte mehr Frauen für eine Kandidatur begeistern als CVP und BDP zusammen vor vier Jahren. 

Pfister konnte auch fast in allen Kantonen durchsetzen, dass die guten Plätze mit Frauen besetzt werden. In Schaffhausen fand die Mitte allerdings gar keine Kandidatin. Auch in Uri trat nur Simon Stadler (35), in Appenzell Innerrhoden Thomas Rechsteiner (51) an. In den Kantonen mit nur einem Sitz im Nationalrat ist es allerdings auch nicht möglich, mehrere Kandidaten aufzustellen. 

In Glarus trat die Mitte dafür nur mit einer Frau an, Andrea Trummer (48). Sie schaffte die Wahl nicht. 

Thierry Burkart: Wette verloren

Besonders ambitioniert gab sich FDP-Chef Thierry Burkart (48). Er wettete mit FDP-Frauen-Präsidentin Susanne Vincenz-Stauffacher (56), dass er es schafft, den Frauenanteil in der liberalen Fraktion auf 40 Prozent zu erhöhen. In der nun zu Ende gehenden Legislatur beträgt er gerade einmal 29 Prozent.

Selbst wenn der Freiburger Ständerätin Johanna Gapany (35) die Wiederwahl im zweiten Wahlgang gelingt, kommt der Freisinn neu auf einen Frauenanteil von 34 Prozent. Damit verfehlt Burkart sein Ziel deutlich. Schuld daran ist, dass im Ständerat kaum freisinnige Frauen sitzen. Bisher kann die FDP dort nur auf Petra Gössi (47) zählen. 

In der kleinen Kammer ist der Frauenanteil traditionell tiefer als im Nationalrat. Hier zeichnet sich aus Frauensicht aber wohl keine Verschlechterung ab. 2019 wurden 13 Frauen in den 46-köpfigen Ständerat gewählt. Zum jetzigen Zeitpunkt haben zehn Frauen einen Sitz auf sicher.

Allerdings starten aussichtsreiche Frauenkandidaturen in Zürich, Solothurn und Freiburg in den zweiten Wahlgang. 

Mattea Meyer: Kann viele Frauen aufzählen

Vor einem Jahr versprach auch SP-Co-Präsidentin Mattea Meyer (35) der SP-Nationalrätin Min Li Marti (49), die Listenplätze zur Hälfte an Frauen zu vergeben.

Die Analyse jetzt zeigt: 230 Personen traten für die Sozialdemokraten an, davon waren 127 Frauen. Dies entspricht einem Anteil von 55 Prozent. Damit erfüllt Meyer ihre Wette. Die selbsternannte Gleichstellungspartei kann auch in der neuen Nationalratsfraktion eine Frauenmehrheit vorweisen. 

Lilian Studer: Wette gewonnen, Frauensitz verloren

EVP-Präsidentin Lilian Studer (45) wettete, dass ihre Partei mit mindestens mit 40 Prozent Frauen antreten wird. Auch sie hat ihr Versprechen erfüllt. 40 Frauen und 36 Männer traten für die EVP an, das entspricht einem Frauenanteil von 53 Prozent.

Einen grossen Wermutstropfen gibt es trotzdem: Weil Studer selbst abgewählt wurde, sitzt keine Frau mehr für die EVP im Parlament. 

Balthasar Glättli und Jürg Grossen: Öko-Parteien halten Wort

Grünen-Chef Balthasar Glättli (51) und GLP-Präsident Jürg Grossen (54) gaben ihr Wort darauf, dass die grüne und grünliberale Politik im Bundeshaus in der neuen Legislatur mindestens zu 50 Prozent von Frauen bestimmt wird. Beide Männer erfüllen ihr Ziel, selbst dann, wenn der Ständerat noch nicht endgültig besetzt ist, weil noch zweite Wahlgänge anstehen.

Bei den Grünliberalen wurden am Sonntag so viele Männer abgewählt, dass der Frauenanteil im Nationalrat nun bei 70 Prozent liegt. Der neue hohe Frauenanteil ist also nicht nur Grund zur Freude bei der GLP. 

Bei den Grünen liegt der Frauenanteil neu bei 57 Prozent im Nationalrat. Sie können zudem darauf hoffen, dass neben den wiedergewählten Maya Graf und Céline Vara (39) noch weitere Frauen den Weg in den Ständerat finden, dann erhöht sich die Anzahl weiblicher Politikerinnen in der Fraktion noch deutlich.

Fehler gefunden? Jetzt melden

Was sagst du dazu?