Es waren ungewohnt scharfe Töne, mit denen das russische Aussenministerium diese Woche Bundespräsident Ignazio Cassis (61) nach Äusserungen zum Ukraine-Krieg angegriffen hatte. Sprecherin Maria Sacharowa massregelte ihn nicht nur wegen seines Geschichtsverständnisses. Auch wegen der Neutralität der Schweiz griff sie Aussenminister Cassis auf Twitter an.
So habe das Aussendepartement (EDA) laut Sacharowa «nach weiteren barbarischen Verbrechen des ukrainischen Regimes in Butscha und Kramatorsk unsere ausführlichen Erklärungen ignoriert und alle Verantwortung rückhaltlos der russischen Seite zugeschoben». Das verurteile Russland aufs Schärfste.
Zu hoffen sei, dass die Schweizer Staatsführung die Unverletzlichkeit der Neutralität «nicht nur für schöne Worte hält», so die Sprecherin. «Auf dieser Grundlage werden wir die wahre ‹Qualität› des neutralen Status der Schweizerischen Eidgenossenschaft beurteilen», hält sie fest.
EDA spricht Verstösse Russlands nochmals an
Bisher hatten Cassis und sein EDA diplomatisch zurückhaltend reagiert und auf einen Kommentar zu der Attacke verzichtet. Nun aber stellt das Aussendepartement klar: Es lässt sich von Russland nicht einschüchtern. In einer am Mittwochabend veröffentlichten Stellungnahme zu einem Expertenbericht der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) spricht auch das EDA nochmals klar von «Verstössen gegen das humanitäre Völkerrecht und Hinweise auf schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen durch die russischen Streitkräfte».
Schweiz will internationale Strafjustiz unterstützen
Gemäss dem Bericht haben russische Truppen nach ihrem Einmarsch in die Ukraine wahrscheinlich Verbrechen gegen die Menschlichkeit verübt. Der Bericht von drei Juristen aus Österreich, der Schweiz und der Tschechischen Republik war von 45 OSZE-Staaten in Auftrag gegeben worden. Die drei Experten fällten kein abschliessendes Urteil darüber, ob Verbrechen gegen die Menschlichkeit verübt wurden. Sie stellten jedoch fest, dass gewisse Muster russischer Gewalttaten vermutlich die Kriterien erfüllten.
Nach auch schon zurückhaltenderen Reaktionen verurteilt das Aussendepartement nun «Verletzungen des humanitären Völkerrechts in aller Deutlichkeit». Gleichzeitig stellt das EDA klar, dass die Schweiz «die internationale Strafjustiz in ihren zukünftigen Verfahren unterstützen» werde. (dba)