Das Gewinnverbot im regionalen Personenverkehr ist vielen Unternehmen des öffentlichen Verkehrs ein Dorn im Auge. Sie argumentieren, dass es kleine Gewinne brauche, um Investitionen in neue Fahrzeuge und Komfort zu ermöglichen.
BLICK weiss, dass der Verband der öffentlichen Verkehrsbetriebe (VöV) beim Bundesamt für Verkehr (BAV) Druck macht, um Gewinne künftig zu ermöglichen. Dazu hat sich der VöV mit einem Rechtsgutachten aufmunitioniert, das laut BLICK-Informationen zum Schluss kommt, dass Gewinne eigentlich gar nicht explizit verboten seien im subventionierten Personenverkehr.
Impresa den Weg bereitet
Der VöV prescht vor, obwohl der Postauto-Bschiss noch lange nicht aufgearbeitet ist. Zur Erinnerung: Postauto hatte über viele Jahre illegale Gewinne eingefahren und diese versteckt. Für diesen grössten Subventions-Bschiss der Schweizer Geschichte muss der gelbe Riese 205 Millionen Franken zurückzahlen.
Und BLICK machte publik, dass die Revisionsfirma KPMG nicht nur die Jahresrechnungen beim gelben Riesen geprüft, sondern gleichzeitig auch beraten hat, wie die Post die Gewinne der Postauto-Tochter «sichern» kann. Vorgeschlagen hat das Unternehmen eine Neuorganisation von Postauto, wie eine KPMG-Präsentation aus dem Jahr 2013 zeigt.
Diese Reorganisation bereitete bei Postauto der neuen Holdingstruktur namens Impresa den Weg. Der gelbe Riese nutzte die 2014 beschlossene und am 1. Januar 2016 in Kraft getretene Struktur, um Gewinne noch effektiver verschleiern zu können. Die Post machte die Impresa-Reorganisation inzwischen wieder rückgängig.
KPMG warnte vor Preisüberwacher
In der Präsentation macht KPMG auf das Problem aufmerksam, dass die Kontrollen durch das BAV und die Kantone verstärkt worden seien und die Prüfung des Preisüberwachers (PUE) das Thema «Gewinne im RVP» brisanter gemacht habe.
Die Bestrebungen, plötzlich für Bahnen und Busunternehmen Gewinne im subventionierten Personenverkehr zu erlauben, nur weil Postauto mit einem ausgeklügelten System Millionengewinne ergaunert hat, bringt nun eben diesen Preisüberwacher Stefan Meierhans (50) auf die Palme.
Er sagt: «Schon heute werden Verkehrsunternehmen darin unterstützt, die geltenden Regeln im Regionalverkehr auszureizen», wie die KPMG-Präsentation nahelegt. «Und wie Postauto zeigt, gehen einzelne ÖV-Unternehmen noch weiter», so Meierhans.
«Nur weil viele 150 fahren, muss man es nicht erlauben»
«Weil aber viele auf der Autobahn 150 statt 120 Stundenkilometer fahren und Dritte ihnen mit Radarwarngeräten dabei helfen, nicht erwischt zu werden, sollten wir nicht einfach die Tempolimite hochsetzen.» Genauso wenig dürfe man plötzlich Gewinne im subventionierten Personenverkehr erlauben, sagt der Preisüberwacher.
Mittels schwarzer Kassen hat PostAuto Schweiz AG jahrelang Subventionen in Millionenhöhe erschwindelt. Nachfolgend eine Chronologie der Ereignisse, wie sie sich gemäss dem externen Untersuchungsbericht und dem Expertengutachten darstellen.
- Ab 2007
verschleiert die PostAuto AG durch gesetzwidrige Umbuchungen systematisch Gewinne im Regionalen Personenverkehr (RPV). Bis mindestens 2015 erschleicht sie sich dadurch Subventionen in Höhe von rund 100 Millionen Franken.
- 7. Juni 2012:
Der Preisüberwacher zeigt sich in einem Brief an Postauto-Chef Daniel Landolf erstaunt, «dass ein abgeltungsberechtigter Betrieb des öffentlichen Verkehrs wiederholt derart hohe Gewinne schreibt und unvermindert Abgeltungen von der öffentlichen Hand einkassiert».
- 1. September 2012:
Die 1958 geborene Ökonomin und IT-Managerin Susanne Ruoff löst den bisherigen Post-Konzernleiter Jürg Bucher ab.
- 26. November 2012:
Das Verkehrsdepartement (Uvek) und das Bundesamt für Verkehr (BAV) machen an einer Sitzung in Anwesenheit Ruoffs deutlich, dass im RPV kein Gewinn erwartet werde und das Gewinnstreben von PostAuto mithin im Widerspruch zu den Vorgaben des Bundes stehe.
- 21. Dezember 2012:
Weil er auf seine Fragen keine befriedigende Antwort erhält, wendet sich der Preisüberwacher in einem Schreiben an Ruoff.
- 6. März 2013:
Die versteckten Gewinne sind Thema einer Sitzung des Preisüberwachers mit dem BAV und PostAuto. Das BAV bleibt jedoch «untätig» (Expertenbericht) oder geht den Hinweisen zumindest nicht hartnäckig genug nach, wie es heute einräumt.
- 21. August 2013:
Die interne Revision der Post macht in einer Aktennotiz auf die «Problematik der Kostenumbuchungen zu Lasten des öffentlich finanzierten Verkehrs» aufmerksam. Empfänger sind unter anderen Verwaltungsratspräsident Peter Hasler und Ruoff.
- 1. Januar 2016:
Mit einer Reorganisation unter dem Titel «Impresa» gibt sich die PostAuto eine neue Holdingstruktur, um Gewinne durch Transferpreise in Tochtergesellschaften zu sichern.
- 24. April 2016:
Die Generalversammlung der Post AG wählt alt Ständerat Urs Schwaller (CVP/FR) zum neuen Verwaltungsratspräsidenten und Nachfolger von Peter Hasler.
- 2. September 2016:
Die Revisionsstelle des BAV stellt PostAuto eine subventionsrechtliche Prüfung in Aussicht. Weil das Unternehmen die volle Akteneinsicht zunächst verweigert, verzögerte sich der Prüfungsbeginn bis Ende Februar 2017.
- 2. November 2017:
Landolf kündigt nach 20-jähriger Tätigkeit als PostAuto-Direktor seine vorzeitige Pensionierung per April 2018 an.
- 6. Februar 2018:
Das BAV macht die gesetzwidrigen Buchungstricks der PostAuto publik. Landolf und der Leiter Finanzen müssen ihre Ämter frühzeitig abgeben.
- 11. Februar 2018:
Ruoff räumt in einem Interview mit dem «SonntagsBlick» Fehler ein, lehnt aber einen Rücktritt ab. Von den unrechtmässigen Buchungen habe sie erst im November 2017 vom BAV erfahren.
- 14. Februar 2018:
Das BAV reicht bei der Bundesanwaltschaft (BA) und der bernischen Staatsanwaltschaft Strafanzeige gegen Post und PostAuto ein.
- 15. Februar 2018:
Der Post-Verwaltungsrat spricht Ruoff sein Vertrauen aus und kündigt eine Aufklärung durch eine «unabhängige» Expertengruppe unter Vorsitz ihres Präsidenten Schwaller an.
- 27. Februar 2018:
Weil sich BA und die bernische Justiz für nicht zuständig erklären, beauftragt der Bundesrat das Bundesamt für Polizei (fedpol) mit einem Verwaltungsstrafverfahren.
- 8. März 2018:
Schwaller setzt drei Experten ein, die die Unabhängigkeit der externen Untersuchung garantieren sollen: Kurt Grüter, ehemaliger Direktor der Eidg. Finanzkontrolle, Andreas Donatsch, Strafrechtsprofessor an der Universität Zürich, und Felix Uhlmann, Professor für Staats- und Verwaltungsrecht ebenfalls in Zürich.
- 20. März 2018:
Nachdem seine Unabhängigkeit angezweifelt worden ist, legt Grüter sein Mandat im Expertengremium nieder. Er wird durch den Wirtschaftsprüfer Stephan Bachmann ersetzt.
- 10. Juni 2018:
Die Post-Chefin tritt per sofort zurück. Es gebe zwar keine Beweise, dass Ruoff von den Tricksereien gewusst habe, heisst es in einer Mitteilung. Sie übernehme aber «selbstverständlich die Gesamtverantwortung».
- 11. Juni 2018:
Die Post präsentiert die Ergebnisse der Expertengutachten. Kollektives menschliches Versagen steht demnach beim Skandal im Vordergrund. Schwaller zeigt sich «erschüttert», Bundesrätin Doris Leuthard spricht von «unentschuldbaren Machenschaften». Die acht verbliebenen Mitglieder der PostAuto-Geschäftsleitung werden freigestellt, «Impresa» wird rückgängig gemacht.
- 12. Juni 2018:
Pascal Koradi, von 2012 bis 2016 Finanzchef der Post, tritt als Direktionspräsident der Aargauischen Kantonalbank zurück. Der Schritt erfolge zum Schutz der Reputation seines Instituts, begründete er dies.
- 14. Juni 2018:
Die PostAuto AG steht im Verdacht, den Ortsverkehr im Tessin mit Gewinnen aus dem Regionalverkehr quersubventioniert zu haben. Der Verwaltungsrat deponiert diesen Verdacht beim fedpol.
- 26. Juni 2018:
Die PostAuto-Tochter CarPostal France beendet einen Rechtsstreit in Frankreich mit drei Transportunternehmen mit einem Vergleich. Es wird eine Zahlung von 6,2 Millionen Euro vereinbart.
- 15. August 2018:
Wegen des Verdachts auf allfällige Widerhandlungen gegen das eidgenössische Subventionsgesetz führt das fedpol bei der Post und bei PostAuto eine Hausdurchsuchung durch.
- 28. August 2018:
Benno Bucher wird neuer Finanzchef bei Postauto. Er wechselt von den SBB zur Post und tritt seine Stelle am 1. Oktober an.
Mittels schwarzer Kassen hat PostAuto Schweiz AG jahrelang Subventionen in Millionenhöhe erschwindelt. Nachfolgend eine Chronologie der Ereignisse, wie sie sich gemäss dem externen Untersuchungsbericht und dem Expertengutachten darstellen.
- Ab 2007
verschleiert die PostAuto AG durch gesetzwidrige Umbuchungen systematisch Gewinne im Regionalen Personenverkehr (RPV). Bis mindestens 2015 erschleicht sie sich dadurch Subventionen in Höhe von rund 100 Millionen Franken.
- 7. Juni 2012:
Der Preisüberwacher zeigt sich in einem Brief an Postauto-Chef Daniel Landolf erstaunt, «dass ein abgeltungsberechtigter Betrieb des öffentlichen Verkehrs wiederholt derart hohe Gewinne schreibt und unvermindert Abgeltungen von der öffentlichen Hand einkassiert».
- 1. September 2012:
Die 1958 geborene Ökonomin und IT-Managerin Susanne Ruoff löst den bisherigen Post-Konzernleiter Jürg Bucher ab.
- 26. November 2012:
Das Verkehrsdepartement (Uvek) und das Bundesamt für Verkehr (BAV) machen an einer Sitzung in Anwesenheit Ruoffs deutlich, dass im RPV kein Gewinn erwartet werde und das Gewinnstreben von PostAuto mithin im Widerspruch zu den Vorgaben des Bundes stehe.
- 21. Dezember 2012:
Weil er auf seine Fragen keine befriedigende Antwort erhält, wendet sich der Preisüberwacher in einem Schreiben an Ruoff.
- 6. März 2013:
Die versteckten Gewinne sind Thema einer Sitzung des Preisüberwachers mit dem BAV und PostAuto. Das BAV bleibt jedoch «untätig» (Expertenbericht) oder geht den Hinweisen zumindest nicht hartnäckig genug nach, wie es heute einräumt.
- 21. August 2013:
Die interne Revision der Post macht in einer Aktennotiz auf die «Problematik der Kostenumbuchungen zu Lasten des öffentlich finanzierten Verkehrs» aufmerksam. Empfänger sind unter anderen Verwaltungsratspräsident Peter Hasler und Ruoff.
- 1. Januar 2016:
Mit einer Reorganisation unter dem Titel «Impresa» gibt sich die PostAuto eine neue Holdingstruktur, um Gewinne durch Transferpreise in Tochtergesellschaften zu sichern.
- 24. April 2016:
Die Generalversammlung der Post AG wählt alt Ständerat Urs Schwaller (CVP/FR) zum neuen Verwaltungsratspräsidenten und Nachfolger von Peter Hasler.
- 2. September 2016:
Die Revisionsstelle des BAV stellt PostAuto eine subventionsrechtliche Prüfung in Aussicht. Weil das Unternehmen die volle Akteneinsicht zunächst verweigert, verzögerte sich der Prüfungsbeginn bis Ende Februar 2017.
- 2. November 2017:
Landolf kündigt nach 20-jähriger Tätigkeit als PostAuto-Direktor seine vorzeitige Pensionierung per April 2018 an.
- 6. Februar 2018:
Das BAV macht die gesetzwidrigen Buchungstricks der PostAuto publik. Landolf und der Leiter Finanzen müssen ihre Ämter frühzeitig abgeben.
- 11. Februar 2018:
Ruoff räumt in einem Interview mit dem «SonntagsBlick» Fehler ein, lehnt aber einen Rücktritt ab. Von den unrechtmässigen Buchungen habe sie erst im November 2017 vom BAV erfahren.
- 14. Februar 2018:
Das BAV reicht bei der Bundesanwaltschaft (BA) und der bernischen Staatsanwaltschaft Strafanzeige gegen Post und PostAuto ein.
- 15. Februar 2018:
Der Post-Verwaltungsrat spricht Ruoff sein Vertrauen aus und kündigt eine Aufklärung durch eine «unabhängige» Expertengruppe unter Vorsitz ihres Präsidenten Schwaller an.
- 27. Februar 2018:
Weil sich BA und die bernische Justiz für nicht zuständig erklären, beauftragt der Bundesrat das Bundesamt für Polizei (fedpol) mit einem Verwaltungsstrafverfahren.
- 8. März 2018:
Schwaller setzt drei Experten ein, die die Unabhängigkeit der externen Untersuchung garantieren sollen: Kurt Grüter, ehemaliger Direktor der Eidg. Finanzkontrolle, Andreas Donatsch, Strafrechtsprofessor an der Universität Zürich, und Felix Uhlmann, Professor für Staats- und Verwaltungsrecht ebenfalls in Zürich.
- 20. März 2018:
Nachdem seine Unabhängigkeit angezweifelt worden ist, legt Grüter sein Mandat im Expertengremium nieder. Er wird durch den Wirtschaftsprüfer Stephan Bachmann ersetzt.
- 10. Juni 2018:
Die Post-Chefin tritt per sofort zurück. Es gebe zwar keine Beweise, dass Ruoff von den Tricksereien gewusst habe, heisst es in einer Mitteilung. Sie übernehme aber «selbstverständlich die Gesamtverantwortung».
- 11. Juni 2018:
Die Post präsentiert die Ergebnisse der Expertengutachten. Kollektives menschliches Versagen steht demnach beim Skandal im Vordergrund. Schwaller zeigt sich «erschüttert», Bundesrätin Doris Leuthard spricht von «unentschuldbaren Machenschaften». Die acht verbliebenen Mitglieder der PostAuto-Geschäftsleitung werden freigestellt, «Impresa» wird rückgängig gemacht.
- 12. Juni 2018:
Pascal Koradi, von 2012 bis 2016 Finanzchef der Post, tritt als Direktionspräsident der Aargauischen Kantonalbank zurück. Der Schritt erfolge zum Schutz der Reputation seines Instituts, begründete er dies.
- 14. Juni 2018:
Die PostAuto AG steht im Verdacht, den Ortsverkehr im Tessin mit Gewinnen aus dem Regionalverkehr quersubventioniert zu haben. Der Verwaltungsrat deponiert diesen Verdacht beim fedpol.
- 26. Juni 2018:
Die PostAuto-Tochter CarPostal France beendet einen Rechtsstreit in Frankreich mit drei Transportunternehmen mit einem Vergleich. Es wird eine Zahlung von 6,2 Millionen Euro vereinbart.
- 15. August 2018:
Wegen des Verdachts auf allfällige Widerhandlungen gegen das eidgenössische Subventionsgesetz führt das fedpol bei der Post und bei PostAuto eine Hausdurchsuchung durch.
- 28. August 2018:
Benno Bucher wird neuer Finanzchef bei Postauto. Er wechselt von den SBB zur Post und tritt seine Stelle am 1. Oktober an.