Nach Drohungen aus Deutschland
Bürgerliche wollen Waffenexporte erleichtern

Weil der Bund die Weitergabe von Schweizer Kriegsmaterial verbietet, will Deutschland keine Schweizer Munition mehr kaufen. Auch hierzulande fordern Politiker eine Lockerung der strikten Regeln.
Publiziert: 05.12.2022 um 15:37 Uhr
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Aktualisiert: 05.12.2022 um 21:11 Uhr
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Für Bundeskanzler Olaf Scholz sei klar: Deutschland brauche Waffen, die auch da seien, wenn es ernst werde.
Foto: AFP
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Daniel BallmerRedaktor Politik

Mitte-Präsident Gerhard Pfister (60) warf dem Bundesrat sogar «unterlassene Hilfeleistung an die Ukraine» vor. Und er tut es auch heute noch. Die Schweizer Landesregierung hat seit Beginn des Ukraine-Kriegs für ordentlich Ärger gesorgt. Aus Neutralitätsgründen lehnte er gleich mehrfach Anfragen für den Export von Schutz- und Kriegsmaterial in die Ukraine ab.

So durfte Dänemark keine Piranha-Radschützenpanzer aus Schweizer Produktion weitergeben, weil die Ukraine Kriegspartei ist. Und Deutschland erhielt keine Munition für Gepard-Panzer.

Deutschland will keine Schweizer Munition mehr kaufen

Deutsche Politiker haben die Nase voll. Sie seien zum Schluss gekommen, dass auf die Schweiz als Rüstungspartner in Kriegszeiten kein Verlass ist. Eine solche Lücke in den Lieferketten könne man sich in der neuen Weltlage keinesfalls leisten, wird Marie-Agnes Strack-Zimmermann, Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestags, von den Tamedia-Zeitungen zitiert.

Das soll konkret heissen: Deutschland will keine Schweizer Munition mehr kaufen. Für die Schweiz könnte das wirtschaftlich schmerzhaft werden: Deutschland war in den letzten zehn Jahren mit insgesamt 1,4 Milliarden Franken der grösste Abnehmer von Rüstungsmaterial aus Schweizer Produktion.

Waffenhandel boomt, aber ohne Schweizer Firmen

Die weltweit 100 grössten Rüstungskonzerne haben im Jahr vor dem Ukraine-Krieg nochmals mehr schwere Waffen und Militärleistungen verkauft. Trotz pandemiebedingter Störungen der Lieferketten mit Verzögerungen und Engpässen stiegen die weltweiten Rüstungsverkäufe im Jahr 2021 um 1,9 Prozent auf fast 600 Milliarden Dollar. Ohne diese Probleme wäre das Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri sogar von einem noch grösseren Wachstum ausgegangen, wie es in einem am Montag veröffentlichten Bericht mitteilte.

Unter den aufgeführten umsatzstärksten 100 Waffenkonzernen figuriert mittlerweile keine einzige Schweizer Firma mehr: Die staatliche Ruag ist von der Liste ebenso verschwunden wie die Pilatus-Flugzeugwerke. (dba)

Die weltweit 100 grössten Rüstungskonzerne haben im Jahr vor dem Ukraine-Krieg nochmals mehr schwere Waffen und Militärleistungen verkauft. Trotz pandemiebedingter Störungen der Lieferketten mit Verzögerungen und Engpässen stiegen die weltweiten Rüstungsverkäufe im Jahr 2021 um 1,9 Prozent auf fast 600 Milliarden Dollar. Ohne diese Probleme wäre das Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri sogar von einem noch grösseren Wachstum ausgegangen, wie es in einem am Montag veröffentlichten Bericht mitteilte.

Unter den aufgeführten umsatzstärksten 100 Waffenkonzernen figuriert mittlerweile keine einzige Schweizer Firma mehr: Die staatliche Ruag ist von der Liste ebenso verschwunden wie die Pilatus-Flugzeugwerke. (dba)

Vom Säbelrasseln aus Berlin aber will sich Pfister nicht beeindrucken lassen: «Ich halte das für leere Drohungen.» Natürlich aber bewege man sich hier auf einem freien Markt. «Deswegen aber müssen wir uns ja nicht erpressen lassen.

FDP-Burkart setzt sich für Lockerungen ein

Doch auch in der Schweiz selber ist die geltende Pflicht zur Unterzeichnung einer Nichtwiederausfuhr-Erklärung umstritten. Die Sicherheitspolitische Kommission des Ständerats ist bereits daran, eine Lockerung zu prüfen. Dies würde aber nur für Länder gelten, die Waffenexporte ähnlich scharf kontrollieren wie die Schweiz.

Die mögliche Lockerung geht auf eine Forderung von FDP-Präsident Thierry Burkart (47) zurück. «Streichen wir die Nichtwiederausfuhr-Erklärung, kann Deutschland in Zukunft die Munition an die Ukraine liefern. Die Schweiz wäre in diesen Prozess gar nicht mehr involviert», hatte Burkart gegenüber Blick erklärt. So wäre das Neutralitätsrecht gar nicht mehr tangiert.

Heute kann die Schweiz Waffenexporte nur bewilligen, wenn sich der Empfängerstaat in einer Erklärung dazu verpflichtet, dieses Material seinerseits nicht weiterzugeben. Die Ständeratskommission will nun prüfen, «ob für Staaten, die unseren Werten verpflichtet sind und über ein Exportkontrollregime verfügen, das mit dem unseren vergleichbar ist, auf eine solche Erklärung verzichtet werden kann».

An einer strikteren Auslegung will vor allem die SVP festhalten. Sie sieht bei einer Lockerung der Gesetze die Schweizer Neutralität in Gefahr.

Pfister will Bundesrat nicht aus Verantwortung entlassen

Wie FDP-Chef Burkart plädiert auch Mitte-Präsident Pfister für eine Lockerung von Schweizer Waffenexporten. Anders als sein freisinniger Kollege ist er aber überzeugt, dass dafür keine Gesetzesänderung nötig wäre. Pfister verweist auf das Embargo-Gesetz. Er vertritt die Haltung, dass dieses Waffenlieferungen in die Ukraine erlaubt, wenn damit «die Interessen des Landes» gewahrt werden.

«Der Bundesrat könnte sich also heute schon dafür entscheiden, Lieferungen an die Ukraine zuzulassen», betont Pfister. «Er will es einfach nicht.» Werde die Nichtwiederausfuhr-Erklärung hingegen sogar gestrichen, würde damit der Bundesrat aus der Verantwortung genommen. «Das ist einzig ein Versuch der FDP, Rüstungsgüter in aller Herren Länder exportieren zu können. Das aber will ich nicht. Der Bundesrat soll jeden Einzelfall prüfen.»

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