Soll der Bundesrat Deutschland erlauben, Schweizer Munition für die Flugabwehrpanzer «Gepard» an die Ukraine weiterzugeben? Seitdem Deutschland und die Ukraine selbst beim Bund nochmals angeklopft haben, streitet sich auch die Politik in Bern um diese Frage. Ohne die Genehmigung der Landesregierung ist Deutschland zum Nichtstun verdammt. Doch der Bundesrat sagt Nein – das Schweizer Gesetz lasse eine Weitergabe nicht zu.
Während die SVP die Idee – diesmal ganz auf Bundesratslinie – klar ablehnt, wirft die Mitte der Landesregierung unterlassene Hilfeleistung vor. Und bekommt dafür wiederum ordentlich aufs Dach. «Unter der gütigen Mithilfe der Mitte-Fraktion» habe das Parlament selbst vor nicht allzu langer Zeit dem Bundesrat allen Spielraum für die Weitergabe Schweizer Munition an die Ukraine genommen, kritisiert etwa die «NZZ». Denn im Zuge des Gegenvorschlags zur Korrektur-Initiative habe es das Kriegsmaterialgesetz verschärft.
Landolt fädelte Gesetzesverschärfung ein
Das stimmt jedoch nur halb, sagt der Mann, der die Verschärfung vor über vier Jahren angestossen hat. Mitte-Nationalrat Martin Landolt (54) hatte 2018 eine Motion eingereicht, die dem Bundesrat bei den Waffenexporten Zügel anlegen wollte und letztlich zur Gesetzesverschärfung führte.
«Ich bin unbedingt dafür, dass wir Deutschland die Genehmigung erteilen – die Gesetzesverschärfung hindert uns nicht daran», sagt der ehemalige BDP-Präsident heute. Der entsprechende Artikel 22a des Kriegsmaterialgesetzes lasse Ausnahmen ja explizit zu, erklärt er: So seien Ausfuhren beispielsweise dann verboten, wenn im Bestimmungsland ein hohes Risiko besteht, dass das auszuführende Kriegsmaterial an einen unerwünschten Endempfänger weitergegeben wird. «Was an der Ukraine unerwünscht sein soll, weiss ich nicht», so Landolt.
Ausnahmen sind möglich
Ausserdem wird die Frage, um die es im Fall Deutschland geht, nicht in diesem Artikel 22a geregelt, sondern an anderer Stelle. Und auch hier lasse das Gesetz Ausnahmen zu, wie etwa Staatsrechtler Thomas Cottier (72) kürzlich gegenüber dem «Tages-Anzeiger» sagte.
Landolt ist ebenfalls überzeugt, dass der Bundesrat übergeordnetes Interesse geltend machen könne. Und er findet: «Wenn ich sehe, wie freihändig früher Waffen geliefert wurden, erstaunt es mich schon, wie sich die Regierung jetzt hinter Buchstaben versteckt.»
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Doch neben den neutralitätspolitischen Fragen, die sich mit solchen Waffendeals stellen, gibt es noch weitere Risiken. Erst am Wochenende warnte die finnische Polizei – wie im Sommer schon die internationale Kriminalpolizei-Organisation Interpol – dass Waffen, die für die Ukraine gedacht seien, in die falschen Hände geraten seien.
Wie gross ist das Risiko eines Missbrauchs?
So habe man beispielsweise Sturmgewehre bei finnischen Kriminellen gefunden. Auch in Schweden, Dänemark und den Niederlanden seien bereits Waffen, die für die Ukraine gedacht waren, sichergestellt worden. Der Handel laufe über Rockergruppen wie Bandidos MC, die Vertreter in jeder grösseren ukrainischen Stadt hätten. «Die Ukraine hat grosse Mengen an Waffen bekommen, und das ist gut», so der finnische Chefkommissar Christer Ahlgren gegenüber dem finnischen Rundfunk Yle. «Aber wir werden auf Jahrzehnte mit diesen Waffen zu tun haben.»
Was also, wenn auch Schweizer Waffen in einigen Jahren an Tatorten der organisierten Kriminalität oder in anderen Konflikten auftauchen? «Dass Schweizer Waffen in falsche Hände geraten, kann man leider nie hundertprozentig ausschliessen», sagt Landolt. Bei Sturmgewehren würde sich eine solche Frage wohl stellen. Im konkreten Fall sei das anders: «Bei Panzermunition scheint mir das Risiko aber überschaubar.»