Megaprojekte wie in Grengiols VS müssen viele Hürden überwinden. Zu viele?
Für den Schweizer Solar-Express wirds düster

Im vergangenen Sommer hat das Parlament den Solar-Express gestartet. Jetzt beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit. Der ist kaum zu gewinnen, wie die vielen offenen Fragen zeigen.
Publiziert: 08.03.2023 um 00:42 Uhr
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Aktualisiert: 08.03.2023 um 11:10 Uhr
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Im Herbst förderte das Parlament Solaranlagen in den Alpen – mit vereinfachten Bewilligungen und Subventionen.
Foto: Getty Images
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Tobias BruggmannRedaktor Politik

Es war ihr Vorzeigeprojekt: eine riesige, grossflächige Fotovoltaikanlage, an den steilen Südhängen in der Walliser Gemeinde Grengiols. Mit diesem Plan vor Augen – und einer drohenden Strommangellage im Hinterkopf – orchestrierten Mitte-Ständerat Beat Rieder (60) und FDP-Ständerat Ruedi Noser (61) Ende letzten Jahres ein Express-Gesetz, das Solaranlagen in unberührten alpinen Landschaften erlaubt, grosszügige Subventionen und vereinfachte Bewilligungen inklusive.

Ein halbes Jahr später wird klar: Für den Solar-Express sieht es düster aus. Dabei drängt die Zeit. Geld vom Bund gibts nämlich nur, wenn bis 2025 der erste Strom fliesst. Die Uhr tickt also, auch in Grengiols. Doch bisher heisst es dort: warten. Eine Machbarkeitsstudie wurde in Auftrag gegeben, sie verzögerte sich. Mal war von November die Rede, dann von Januar. Mitte März soll sie nun endlich kommen. Sie muss viele Fragen beantworten.

Die Leitungen

Ein Problem in Grengiols sind die Stromleitungen. Eine Studie zeigt, dass das Solarprojekt wohl kaum so schnell in dieser Grössenordnung gebaut werden kann – denn die nötige Hochspannungsleitung, um den Strom zu den Kunden zu bringen, wird erst 2028 fertiggestellt.

Grengiols-Solar wird nun wohl in Etappen gebaut, sagt Raoul Albrecht von der Forces Motrices Valaisannes, die das Projekt begleitet, gegenüber dem «Walliser Boten».

In Grengiols seien die Stromleitung nicht das Hauptproblem. «Man muss bedenken, dass verschiedene Leitungen und Nutzungen miteinander kombiniert werden können, so wird weniger Kapazität gebraucht», sagt auch Jürg Rohrer, Professor für Erneuerbare Energien an der ZHAW.

Jetzt zünden sie den Windkraft-Turbo

Nachdem das Parlament vor einem halben Jahr die Solarenergie ausbauen wollte, ist nun die Windkraft an der Reihe. Die Energiekommission des Nationalrats will, dass Windkraftwerke schneller bewilligt werden können. Dadurch soll rasch eine Terawattstunde Windkraft produziert werden.

Weit fortgeschrittene Windkraftprojekte sollen die Baubewilligung vom Kanton bekommen. Das juristische Verfahren wird gestrafft. Davon profitieren könnten insbesondere die Projekte Grenchenberg SO, Mollendruz VD, Eoljorat Sud VD, Sur Grati VD, Charrat VS und Crêt Meuron NE. Im Unterschied zum Solar-Express geht es aber nur um Bewilligungsfragen. Subventionen winken nicht. Der Nationalrat berät den Vorschlag am Mittwoch. (bro)

Der Nationalrat will der Windkraft neuen Schub geben.
KEYSTONE

Nachdem das Parlament vor einem halben Jahr die Solarenergie ausbauen wollte, ist nun die Windkraft an der Reihe. Die Energiekommission des Nationalrats will, dass Windkraftwerke schneller bewilligt werden können. Dadurch soll rasch eine Terawattstunde Windkraft produziert werden.

Weit fortgeschrittene Windkraftprojekte sollen die Baubewilligung vom Kanton bekommen. Das juristische Verfahren wird gestrafft. Davon profitieren könnten insbesondere die Projekte Grenchenberg SO, Mollendruz VD, Eoljorat Sud VD, Sur Grati VD, Charrat VS und Crêt Meuron NE. Im Unterschied zum Solar-Express geht es aber nur um Bewilligungsfragen. Subventionen winken nicht. Der Nationalrat berät den Vorschlag am Mittwoch. (bro)

Aber: In andere Orten ist man schon weiter. Auch in Graubünden sind Solarprojekte geplant. Dort ist die Anbindung ans Stromnetz besser und bietet schon mit den heutigen Leitungen mehr Flexibilität. Dazu besteht die Möglichkeit für Kombinationen mit bestehenden Leitungen, zum Beispiel von Skiliften.

Das führt für Grengiols zum nächsten Problem.

Die Konkurrenz

Die Fördermenge ist beschränkt. Subventionen gibt es nur so lange, bis mit den neuen Anlagen insgesamt zwei Terawattstunden Solarstrom – rund drei Prozent des gesamten Schweizer Stroms – produziert werden. Wer zu spät kommt, hat Pech gehabt.

Bislang gibt es zwischen 40 und 60 Projekte, die vom Solar-Express profitieren könnten. Allein der Stromkonzern Axpo plant elf Anlagen. Sie alle wollen an die Fördertöpfe. Doch mit wie viel Geld sie planen können, ist noch immer unklar. «Darum kann man die Bundesbeiträge nicht abschätzen. Das macht es schwierig, die Projekte aufzugleisen», sagt ZHAW-Professor Rohrer.

Blick weiss: Die Verordnung, die die Details des Solar-Expresses regelt, hat das Energiedepartement um SVP-Bundesrat Albert Rösti (55) parat. Sie dürfte ab April in Kraft treten. Dann kann definitiv geplant werden.

Die Landschaftsschützer

Auch wenn es schnell gehen soll: Ein Baugesuch braucht es trotzdem – Umweltschützer könnten die Solarprojekte mit Einsprachen verzögern.

Im Kanton Wallis wollte der Regierungsrat auch diese mit einem Express-Gesetz beschleunigen. Die Grünen im Kanton Wallis haben ein Referendum gestartet. «In besonders schützenswerten Landschaften ohne bestehende Infrastruktur sollen keine Panels stehen», sagt Grünen-Präsidentin Brigitte Wolf (54).

Diese schwimmende Solarenergie-Anlage ist eine Weltpremiere
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In den Walliser Alpen:Diese schwimmende Solarenergie-Anlage ist eine Weltpremiere

Für Wolf ist es denkbar, dass gerade Megaprojekte wie Grengiols noch länger dauern könnten. «Es gibt so viele rechtliche Fragen und Unklarheiten. Gut möglich, dass am Ende das Bundesgericht entscheiden muss, ob solche Anlagen in unberührten Landschaften rechtens sind.»

Solche Argumente bringen den ehemaligen SP-Präsidenten Peter Bodenmann (70) auf die Palme. Er hat die Idee des Solarparks in Grengiols auf die politische Bühne gebracht. «Wenn die Umweltorganisationen alle Einsprachemöglichkeiten ausnutzen, passiert bis 2025 gar nichts», sagt er. «Wenn die Bewilligungen erteilt sind, geht es schnell. Deutschland kann viel mehr Solaranlagen bauen und dort geht es auch.»

Was Bodenmann nicht versteht: Anlagen wie Vispertal-Solar und Gondosolar produzierten zusammen gleich viel Winterenergie wie das abgeschaltete Atomkraftwerk Mühleberg. «Die scheinheiligen Schweizer Grünen wollen und werden beide Anlagen mit ihren Einsprachen zu verhindern suchen.» Stattdessen würden sie sich für ineffiziente Aufdachanlagen in den Nebelbänken des Mittellandes starkmachen. Bodenmann: «Die Grünen sind die Handlanger und Wasserträger neuer Atomkraftwerke.»

Dabei würden die solaren Freilandanlagen die Biodiversität erhöhen. «Deshalb wollen die Grünen in Deutschland bis 2030 100-mal so viel Solarpower installieren, wie die beiden Solaranlagen Vispertal und Grengiols im Wallis beanspruchen. Diese kann man innert zwei Jahren erstellen und locker ans Netz bringen.»

Das Baumaterial

Sind alle Bewilligungen erteilt, kann gebaut werden. Oder doch nicht? Solarpanels sind begehrt, nicht nur in den Bergen. Und auch andere Bauteile könnten knapp werden. «Die Materiallage ist schwierig zu beurteilen», sagt Rohrer. Schwarzmalen will er dennoch nicht: «Damit die Bedingungen erfüllt sind, müssen nur zehn Prozent der Maximalleistung gebaut sein. Diese Zahl ist realisierbar.» Heisst aber auch: Bis 2025 dürfte nur ein kleiner Teil der Solaranlagen tatsächlich bereitstehen.

Und nun?

Die Befürworter um Ständerat Rieder sind trotzdem optimistisch. Natürlich sei das Ziel ambitiös. Die Politik habe die Rahmenbedingungen geschaffen. «Jetzt müssen die Wirtschaft und die Bewilligungsbehörden zeigen, dass sie auch gewillt sind, zu liefern», sagt er. Er sei überzeugt, dass die zwei Terawattstunden bis 2025 zumindest bewilligt seien und ein kleinerer Teil der Anlagen auch schon Strom liefere.

Auch SP-Nationalrat Roger Nordmann (49) war Feuer und Flamme für das Projekt. Er geht davon aus, dass eher die kleineren Projekte eine Chance haben. «Ich glaube nicht, dass die vollen zwei Terawattstunden bis 2025 ausgereizt werden.»

Für ZHAW-Experte Rohrer ist der Solar-Express auch ein halbes Jahr nach der Entstehung eine Herausforderung. «Wenn es keine Einsprachen gibt, ist es aber nicht unmöglich, die Frist bis 2025 einzuhalten», sagt er. «Inwiefern die zwei Terawattstunden ausgeschöpft werden, wird erst klar, wenn bekannt ist, wie hoch die Subventionen sind.»

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