Eines ist Bund und Kantonen in der Corona-Krise gelungen: Nämlich die medizinische Versorgung sicherzustellen. Ein externer Bericht, der für das Bundesamt für Gesundheit (BAG) die Krisenbewältigung bis im Sommer 2021 untersucht hat, verteilt in dieser Hinsicht gute Noten: Die Gesundheitsversorgung sei «stets in hoher Qualität gewährleistet» gewesen.
«Ich bin erleichtert das zu hören», sagte BAG-Direktorin Anne Lévy (50) bei der Präsentation des Berichts der Firma Interface Politikstudien. Sie erinnerte daran, dass ihre Mitarbeitenden teils im Dauereinsatz gestanden hätten: 17 Stunden täglich, sieben Tage pro Woche.
Laut Bericht haben Bund und Kantone in den meisten Fällen angemessen und zeitgerecht reagiert. Und auch im Vergleich mit dem Ausland ist die Schweiz gut durch die Krise gekommen, sowohl was wirtschaftliche als auch gesundheitliche Auswirkungen betrifft.
Es gibt aber nicht nur Lob. So waren die Behörden schlecht auf einen Pandemiefall vorbereitet – und konnten die laufende Krise nicht genügend managen.
Zweite Welle: Durchgefallen
Besonders mies schneiden die Verantwortlichen ab, wenn es um die zweite Welle im Herbst 2020 geht. Die Kantone wurden vom Übergang in die besondere Lage überrascht – obwohl sie diesen mit Nachdruck gefordert hatten. Sie seien ungenügend vorbereitet gewesen, konstatiert der Bericht. Und es habe sich das «Dilemma» gezeigt, dass Massnahmen anordnen eben auch bedeutet, die Kosten dafür zu übernehmen.
Gleichzeitig glänzt auch die Landesregierung in dieser Phase nicht, die mit nationalen Massnahmen lange zugewartet hat. So wurde die Maskenpflicht etwa im Vergleich mit dem Ausland spät eingeführt. Und das BAG selbst muss wieder Kritik wegen der Digitalisierung einstecken: Es sei zu dieser Zeit «weit weg vom Ziel, die Massnahmen basierend auf Echtzeitdaten anpassen zu können» gewesen.
«In der zweiten Welle hat die Schweiz zu spät reagiert», hielt Studienleiter Andreas Balthasar fest. Hier habe es etwa bei der Maskenpflicht Verzögerungen gegeben. Das hatte zur Folge, dass die Schweiz in dieser Zeit verhältnismässig mehr Menschen gestorben sind, als in den Vergleichsländer Österreich und Schweden.
Schulschliessungen gingen zu weit
Ungenügende Noten gibt es bei einzelnen Massnahmen: Die Schulschliessungen und das Verbot von Wahleingriffen im Frühling 2020. Oder die Schutzmassnahmen für besonders gefährdete Menschen, beispielsweise in Altersheimen.
Schulschliessungen hätten zu grossen Belastungen bei den Familien geführt, hält der Bericht fest. Die Massnahme würde «möglicherweise einschneidende Folgen für die Bildungsentwicklung zahlreicher Kinder und Jugendlicher» nach sich ziehen.
Alte Menschen in Altersheimen mit Ausgangs- und Besuchsverboten zu belegen, war gemäss Bericht ebenfalls nicht angemessen. Das habe zu «grossem Leid» bei Betroffenen und Angehörigen geführt. Gleichzeitig sei es nicht gelungen, die Bewohnerinnen und Bewohner ausreichend zu schützen.
Vorbereitet in die nächste Krise
Aus der Kritik formuliert der Bericht auch eine Reihe Empfehlungen, wie Bund und Kantone die Krisenbewältigung- und Vorbereitung künftig besser machen sollen. Ein Teil sei bereits im Gang, wie eine Evaluationsgruppe des Bundes, welche den Bericht begleitet hatte, festhält. Genannt werden etwa Verbesserungen bei der Digitalisierung, neue Pandemiepläne oder die Revision des Epidemiengesetzes.
Just die Pflege-Initiative – welche der Bundesrat ursprünglich einmal zur Ablehnung empfohlen hatte – wird für die Verbesserung der Gesundheitsversorgung genannt. Eine Ausbildungsoffensive ist bereits beschlossen, noch dieses Jahr sollen Vorschläge für die zweite Etappe der Umsetzung kommen.
Ämtli-Liste fürs BAG
Beim BAG geht es vorab vor allem um die Organisation, denn das Amt war laut Bericht sehr schlecht für eine Krise gewappnet. So gebe es zwar Krisenhandbücher, doch die seien im Amt kaum jemandem bekannt. Gleichzeitig mussten Personen Aufgaben übernehmen, für die sie nicht vorbereitet waren.
Das BAG hat daher eine ganze Ämtli-Liste gefasst. So solle das Amt künftig Krisenmanagement üben und nötige Ressourcen bereitstellen, aber auch dafür sorgen, dass wichtige Akteure bei Entscheiden einbezogen werden. Zudem soll es gemeinsam mit den Kantonen das Datenmanagement im Gesundheitswesen vorantreiben und besser regeln.
«Wir haben aus diesen Fehlern gelernt!», hielt BAG-Direktorin Lévy fest. Eine Reihe Verbesserungen sei schon während der Krise in Angriff genommen worden. So nannte sie etwa das BAG-Dashboard, das künftig auch für die Überwachung von weiteren Krankheiten genutzt werden soll.
Das BAG verspricht zudem, man werde die Erkenntnisse nutzen und in die Revision von Epidemiengesetz und Pandemieplan aufnehmen. Beides soll bis 2024 abgeschlossen sein.