Der Kanton Zürich will seine Bevölkerung ab April in elf Impfzentren sowie Hunderten Arztpraxen und Apotheken möglichst rasch durchimpfen. An einer Medienkonferenz skizzierte der Kanton sein Konzept – und wehrte sich gegen das «Zürich-Bashing» und den Trödelkanton-Vorwurf. In der nationalen Impfstatistik glänzt der Kanton nämlich nicht gerade als Musterschüler.
SVP-Gesundheitsdirektorin Natalie Rickli (44) wirkte bei ihrem Auftritt denn auch gereizt. Sie scheint ziemlich hässig auf das Bundesamt für Gesundheit (BAG) und SP-Gesundheitsminister Alain Berset (48) zu sein, auch wenn sie dessen Namen nicht nannte.
Rickli: «Am liebsten alle rasch impfen – zack!»
«Die Situation ist unbefriedigend», machte Rickli klar. «Ich würde am liebsten alle Zürcher in einem Impfzentrum rasch impfen – zack! Wir haben aber noch immer wenig Impfstoff – sogar noch weniger als vom Bund zugesagt.»
Bis Ende Januar sollen demnach rund 80'000 Dosen geliefert sein, bis Ende Februar werden weitere 160'000 Dosen erwartet – insgesamt 240'000 Dosen. «Das reicht für 120'000 Personen im Kanton Zürich.» Der Kanton zähle aber rund 240'000 über 75-Jährige und Hochrisiko-Personen. «Wir können nur die Hälfte impfen.»
Der Kanton habe den Fokus auf die Altersheime gelegt, verteidigte Rickli das bisherige Vorgehen. «Die grösste Herausforderung ist, den wenig vorhandenen Impfstoff möglichst zielgerichtet einzusetzen.» Man habe in den letzten Tagen den Eindruck bekommen können, es gehe um ein Wettrennen zwischen den Kantonen. «Auch wir könnten schneller impfen, wenn wir mehr Impfstoff hätten», so Rickli. «Wir können täglich 20'000 Impfungen verabreichen, wenn der Impfstoff vorhanden ist.» Aber eben, der fehlt.
Zürich baut eigene Online-Anmeldung
Einen Seitenhieb konnte sich die SVP-Frau auch bezüglich der Online-Anmeldung für Impftermine nicht verkneifen. Das vom Bund gelieferte IT-Tool habe im grössten Kanton nicht funktioniert und sei zusammengebrochen.
Jetzt stellt der Kanton Zürich ein eigenes Online-Anmeldetool auf die Beine. «Wir können es uns nicht noch einmal leisten, dass es nicht funktioniert», so Rickli. «Wir sind im Schlussspurt für das neue Registrierungstool.» Ein konkreter Termin steht aber noch nicht fest, da alles von den Impfstofflieferungen abhängt.
Nicht nur Rickli verschaffte ihrem Ärger Luft. Auch Jörg Kündig vom Gemeindeverband wehrte sich gegen die Kritik. Der für die Impfungen zuständige Projektleiter Markus Näf störte sich daran, dass der Kanton in der Impfstatistik «angeblich im hinteren Mittelfeld liegt». Und die stellvertretende Kantonsärztin Bettina Bally meinte: «Wenn Zürich als Trödelkanton bezeichnet wird, dann trifft mich das.»
Bersets Impfplan gerät ins Stocken
Der Unmut richtet sich dabei gegen Bundesrat Berset und sein BAG. Letzte Woche machte der SP-Magistrat nochmals Druck auf die Kantone und gab ihnen einen einen ehrgeizigen Plan vor: Im Februar sollen schweizweit 45'000 Impfungen verabreicht werden – und zwar täglich. Macht rund 1,3 Millionen. Im Juni sollen es dreimal so viel sein. Um die Zielsetzung einhalten zu können, dürfe es nicht nur keine Lieferverzögerungen mehr geben, es brauche auch einen dritten Impfstoff, so Berset.
Rein rechnerisch hat der Bund genügend Impfstoff bestellt: 3 Millionen Dosen von Pfizer/Biontech und 7,5 Millionen Dosen von Moderna, deren Impfstoffe von Swissmedic bereits zugelassen sind. Hinzu kommen 5,3 Millionen Dosen von Astrazeneca, hier steht die Zulassung noch aus.
Doch Bersets Impfpläne kommen ins Stocken. Denn beim Pfizer/Biontech-Impfstoff gibt es Lieferverzögerungen. Insgesamt waren bis letzte Woche nur rund eine halbe Million Impfdosen der beiden zugelassenen Anbieter im Land.
Um Bersets Zielvorgaben einzuhalten, fehlen dem Bund derzeit Hunderttausende Dosen. Der Impfstoffmangel ist insbesondere in der ersten Monatshälfte ausgeprägt. Das berichtet der «Tages-Anzeiger» mit Verweis auf interne Dokumente des Bundesamts für Gesundheit (BAG). Würden die Kantone das Berset-Tempo umsetzen, wären demnach schon am 8. Februar keine Dosen mehr vorhanden. Erst eine Woche später käme wieder eine grössere Lieferung.
Ein weiterer Stolperstein kommt hinzu: Beim dritten Impfstoff von Astrazeneca steht wegen offener Fragen zur Schutzwirkung nicht nur die Zulassung von Swissmedic weiterhin aus. Es wird im ersten Quartal auch deutlich weniger Impfstoff hergestellt als ursprünglich geplant – die Kürzungen dürften auch die Schweiz treffen.
Hoffnung auf viertes Vakzin
Laut einem Bericht der «NZZ» gibt es aber Hoffnung: So prüft Swissmedic im rollenden Zulassungsverfahren bereits ein Vakzin des US-Konzern Johnson & Johnson. Demnach hat das Bundesamt für Gesundheit im Herbst Verhandlungen mit Johnson & Johnson aufgenommen, bis heute aber keinen Abschluss gemacht.
Die «NZZ» zitiert zudem BAG-Vizedirektorin Nora Kronig: «Die Situation ist sehr volatil. Aber ich bin zuversichtlich, dass wir in jedem Quartal über die gesamte Dauer betrachtet die Menge an Vakzinen zur Verfügung haben, die wir uns vorstellen.»
Heute Nachmittag gibt es darauf Antworten. Experten von Bund und Kantonen informieren an der wöchentlichen Medienkonferenz über die aktuelle Corona-Lage. BLICK überträgt die Medienkonferenz ab 14 Uhr live.