Massentests in GR – ziehen andere Kantone nach?
«Ein Lockdown ist viel teurer»

Martin Bühler, Bündner Krisenstab-Chef, ist zufrieden mit dem Erfolg der Massentests. Auch andere Kantone könnten nun aufspringen und ebenfalls Personen ohne Symptome auf Corona testen.
Publiziert: 23.12.2020 um 12:21 Uhr
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Aktualisiert: 18.01.2021 um 13:17 Uhr
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Über drei Tage hat der Kanton Graubünden in drei Regionen breitflächige Tests durchgeführt.
Foto: Keystone
Gianna Blum

Die Bündner haben es vorgemacht: Sie haben als Pilotprojekt mittels Schnelltests bei rund 15'000 Menschen Massentests durchgeführt. Obwohl bei den Corona-Flächentests nur etwa 1 Prozent positiv zurückgekommen ist, kann sich das Ergebnis sehen lassen.

Denn insgesamt 192 Menschen, die keine oder noch keine Symptome hatten, sind in Isolation – was sich wiederum auf die Neuansteckungen ausgewirkt hat. Laut dem Kanton ist in der Region Südbünden die Zahl der verzeichneten Corona-Neuansteckungen im Vergleich zur Vorwoche im Schnitt um 73 Prozent zurückgegangen. Allerdings ist noch unklar, welcher Anteil des Effekts auf die Massentests und welcher auf die weiteren Massnahmen wie der Gastro-Lockdown zurückzuführen ist.

Martin Bühler, Chef des Bündner Krisenstabs, ist zufrieden mit der Übung. Er betont aber: «Massentests können nur einen Hinweis darauf geben, wo man genauer hinschauen muss – wenn man nicht erneut testet, verpufft die Wirkung.» So sind in den Bündner Gemeinden, die bei der ersten Runde besonders auffällig waren, rund 2000 Bewohner mit PCR-Tests erneut getestet worden – letztere liefern zuverlässigere Resultate als die Schnelltests.

Keine Massentests für die ganze Schweiz

Kann das Bündner Modell Schule machen? Taskforce-Epidemiologe Marcel Tanner (68) warnt vor zu viel Enthusiasmus. Ein «Wundermittel» seien Massentests nicht, vor allem nicht auf nationaler Ebene. Einfach die ganze Schweiz einmal durchtesten sei keine Option, so Tanner – und auch auf Kantonsebene ist er skeptisch. «Nicht nur die Logistik, auch die Kommunikation ist eine gewaltige Herausforderung», sagt er. Schliesslich hänge der Erfolg von der Bereitschaft der Bevölkerung ab, teilzunehmen. Und das Risiko sei gross, dass man sich in falscher Sicherheit wiege und die Enttäuschung dann gross sei, wenn die Übertragung doch weitergeht.

Doch wenn es nicht gerade der ganze Kanton sein muss, seien breitflächige Tests durchaus sinnvoll, so Tanner. «Empfehlenswert ist breitflächiges Testen in kleineren Strukturen, etwa in Firmen oder Verbänden, Bildungsinstitutionen, aber auch in Altersheimen – um so gezielt Infektionsherde auszumerzen.» Im Rahmen eines Massnahmenbündels könnten sie so einen Beitrag leisten. Wichtig sei aber, so betont Tanner, dass repetitiv getestet werde, da sich vielleicht schon so mancher angesteckt habe, der Test das aber noch nicht erkennen könne.

Aufwand lohnt sich

«Natürlich ist diese Teststrategie, insbesondere was die Logistik betrifft, ein grosser und auch teurer Aufwand», sagt Krisenstabs-Chef Bühler. Allerdings betont er: «Ein Lockdown ist um ein Vielfaches teurer.» Er ist überzeugt davon, dass die Methode einen «sehr relevanten Beitrag zur Pandemieeindämmung leisten» könne.

Erfolgreich waren die Bündner auch mit sogenannten Ausbruchstestungen. An drei Schulen und in zwei Hotels wurden nach einem Corona-Fall gezielt alle Beteiligten durchgetestet, eben so die Familien der Erkrankten – wodurch man wiederum positive Fälle fand, die keine Symptome hatten. Und in einem weiteren Pilotprojekt wurde die Belegschaft der Rhätischen Bahn durchgetestet.

In Graubünden werden nun neun regionale Testzentren entstehen. «Sie sollen vor allem Menschen ansprechen, die mobil sind und sich zwischen den Regionen bewegen», erklärt Bühler. Er ist überzeugt, dass damit weitere Corona-Erkrankte gefunden werden, die nichts von der Ansteckung wussten – und die dank des Tests dann keine weiteren Personen infizieren. «Die grosse Herausforderung wird die Kommunikation sein, denn alles hängt davon ab, ob die Bevölkerung auch mitmacht – schliesslich sind diese Tests freiwillig.»

Massentests in Altersheimen und Firmen

Das Bündner Pilotprojekt hat auch andere Kantone hellhörig gemacht. So prüft etwa Baselland zurzeit die Machbarkeit von Flächentests, sagt ein Sprecher. Falls dafür grünes Licht erteilt wird, ist vorgesehen, die «berufsbedingten Kontaktpersonen» der Risikogruppen durchzutesten – also etwa das Personal in Altersheimen.

Die Option der Flächentests wurde auch im Kanton Waadt geprüft, allerdings wieder verworfen – man sehe mehr Nutzen darin, die Personen, die auch Symptome haben, zum Testen zu animieren, so eine Sprecherin. «Wir denken aber darüber nach, Massentests in grossen Unternehmen mit deren Zusammenarbeit durchzuführen.» So können nach den Festtagen positive Fälle erkannt und Ansteckungsketten unterbrochen werden.

Kein Interesse hat man in Bern. Laut Gundekar Giebel, Sprecher der kantonalen Gesundheitsdirektion, stehen Massentests nicht zur Diskussion. «Wichtiger ist, dass sich die Menschen, die Symptome haben, testen lassen.» Denn hier seien die Kapazitäten noch lange nicht am Anschlag.


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