Ganz am Ende überrascht Christoph Blocher (83, SVP) noch einmal alle. Als seine Redezeit an der jährlichen Albisgüetli-Tagung abgelaufen ist, singt der alt Bundesrat zur Melodie vom «Schacher Seppli»: «I bi de Blocher Stöffeli, im ganze Land bekannt.» Es sei seine letzte Rede am Albisgüetli gewesen, kündigte der SVP-Vordenker an und liess seine Karriere begleitet von zwei Musikern Revue passieren.
«Bi früener ir Regierig gsi, ez isch mini Stell vakant.»
Es ist die 36. Albisgüetli-Tagung, wo Blocher traditionell mit einer programmatischen Rede das neue Jahr einläutet. Der SVP-Vordenker weiss noch immer, wie er einen Saal einnimmt. Er erntet bei seinem Heimspiel häufig Lacher: Zum Beispiel, wenn er Tipps verspricht, wie man die Erbschaftssteuer, welche die Juso fordert, umgehen könnte. Oder wenn er über die ewigen Studenten schimpft. «Wir haben zu viele Studierte, aber zu wenig ‹Gschiidi›.»
Mal gebückt über dem Zettel gebeugt, leise und eindringlich sprechend, mal schlendernd und locker zeichnet der SVP-Vordenker das grosse Bild. Springt vom Krieg im Nahen Osten über Milchkühe zur Neutralität und wieder zurück zu «Heidi».
«Die Welt spinnt», betitelt Blocher seine Rede.
«Ha immer schwarzi Schöfli zellt, i jedere freie Stund. Ha einfach nöd realisiert, das d Gfohr vom Steibock chunnt.»
Nach Blochers Rede antwortet der jeweilige Bundespräsident oder jemand, der nicht die gleiche Meinung vertritt, wie Blocher betont. «Wenn jemand eingeladen wird, der gleich redet wie ich, ist es einer zu viel.»
Bundespräsidentin Viola Amherd (61) hat der SVP einen Korb gegeben. «Vielleicht irrt sie irgendwo in den Gefilden der Nato umher», mutmasst Blocher. Also tritt der SP-Gewerkschaftsboss Pierre-Yves Maillard (56) vor die rund 1000 SVP-Freunde, in die Höhle der Löwen: «Ich hoffe, ich bin böse genug mit euch», meint er scherzhaft.
Maillard nutzt seine Redezeit, um für die 13. AHV-Rente zu werben. Die Initiative findet auch bei der SVP Anhänger. Zum Beispiel will sie die Genfer Sektion unterstützen. Das weiss auch Blocher. «Die Genfer sind sowieso entschuldigt. Die waren ja damals sogar für den EU-Beitritt», sagt er. Kein Vorbild für seine SVP also.
Maillard singt nicht, doch er kämpft. Spricht von der Rentnerin, die sich das Füllen des Heizöltanks nicht mehr leisten kann. Betont die eigenen Verhältnisse und jene seines Grossvaters, der arm geboren wurde, in der heutigen SVP Mitglied war – und für die AHV gestimmt hat.
Für Maillard gibts höflichen Applaus, doch gegen Sängerknabe Blocher kommt er nicht an.
«I mach es kurz, i nur eim Satz. I bi do, mach du mir Platz.»
Minutenlanger Applaus folgt nach der Gesangseinlage des ehemaligen Bundesrates. «Zugabe», tönt es. Blocher gibt seinem Publikum, was es verlangt: nochmals eine Strophe.
Und so ist dann auch Blochers Ankündigung zu verstehen. Es sei kein kompletter Rückzug aus der Politik. Er will weiterkämpfen. Schon bei seiner Rede betonte er die Neutralitäts-Initiative, für die nur noch wenige Unterschriften fehlten.
Aber etwas kürzer treten will Blocher. Das Zürigschnetzlets am Albisgütli etwas mehr geniessen.