Der Poker um eine Paketlösung mit der EU ist in vollem Gang. Am Mittwoch will der Bundesrat über die Eckwerte für ein Verhandlungsmandat mit Brüssel beraten. Im Auftrag des Gesamtbundesrats hatte das Aussendepartement von Ignazio Cassis (62) diese federführend ausgearbeitet.
Das Papier dazu ist geheim. Doch laut Blick-Informationen handelt es sich um ein rund 20-seitiges Dokument mit Anhängen. Die Streitpunkte vom Rahmenabkommen, das der Bundesrat vor zwei Jahren versenkte, sind mehrheitlich diejenigen von heute, beispielsweise, wie man bei einem Streit verfährt und welche Rolle der Europäische Gerichtshof haben soll.
Ein wichtiger Punkt, der gelöst scheint, ist die Unionsbürgerrichtlinie (UBRL). Diese soll so umgesetzt werden, dass die Ausschaffungs-Initiative nicht verwässert wird. Und sie soll sich nur auf die Erwerbstätigen beschränken. Damit soll eine unkontrollierte Einwanderung in unsere Sozialwerke verhindert werden.
Unbeliebter als zuvor
Für das angestrebte Stromabkommen soll Bedingung sein, dass die Schweiz den Strommarkt auch für die Privatkunden liberalisiert. Sie sollen wählen können, ob sie in der Grundversorgung bleiben oder ihre Elektrizität auf dem freien Markt einkaufen wollen.
Das dürfte bei der Bevölkerung wenig beliebt sein. Nachdem die Strompreise im letzten Jahr explodiert waren, versuchten Unternehmen, die ihren Strom bereits auf dem freien Markt kaufen, wieder in die Grundversorgung zu kommen, da die Marktpreise sie an den Rand des Ruins brachten. Nach diesen Erfahrungen dürfte die Liberalisierung des Strommarkts noch unbeliebter sein als zuvor.
Dumpinglöhne im Flixzug
Offenbar beharrt die EU auch darauf, dass der Schweizer Schienenverkehr liberalisiert wird. Im Klartext: Unternehmen wie Flixtrain sollen in unserem Land eine Konzession beantragen können. Solche Billigbahnen konzentrieren sich auf lukrative Strecken zwischen europäischen Grossstädten. Die Züge sollen ins Schweizer Taktfahrplansystem und in unser Ticketsystem eingebunden werden. Die Gewerkschaft des Verkehrspersonals SEV warnt jedoch, beim Lohn- und Sozialsystem sehe das anders aus.
Auch das Freihandelsabkommen von 1972 wird erwähnt. Es geht darum, inwieweit dieses aufdatiert wird. Klar ist, dass die Schweiz an ihrem Agrarschutz festhalten will.
Zusicherung gilt nur einseitig
Ein grosser Streitpunkt ist seit je her der Lohnschutz. Während der Gewerkschaftsdachverband Travailsuisse und einzelne Gewerkschaften hier Fortschritte sehen, sieht der Gewerkschaftsbund den Lohnschutz nach wie vor in Gefahr.
Kritiker monieren, die Zusicherung von EU-Kommissar Maros Sefcovic (56), der Schweizer Lohnschutz bleibe bestehen, gelte nur einseitig. Das heisst: Sollte die EU ihre Lohnschutzregeln verschlechtern, müssten wir diese Verschlechterung nicht mitmachen. Immerhin! Es gebe aber keine verbindlichen Zusagen für den eigenständigen Schutz. Sowieso sei weiterhin unklar, ob Brüssel unsere Gesamtarbeitsverträge sowie unser Kontrollniveau respektiert.
Aus heutiger Sicht halten es die Kritiker für fraglich, ob ein solches Paket beim Volk mehrheitsfähig wäre.