Die anstehende Abstimmung zur Einführung der OECD-Mindeststeuer stellt die Prioritäten der Politiker scheinbar auf den Kopf – so auch in der SRF-Politsendung «Arena» von gestern Abend.
Vehement für ein Ja setzten sich Vertreter der Bürgerlichen und Mitte ein, während das linke Lager die Vorlage scharf kritisiert. Der Knackpunkt: Von den künftigen Mehreinnahmen sollen drei Viertel bei den Kantonen bleiben. Die Gegner befürchten, dass dies vor allem den wohlhabenden Kantonen und ihren Bewohnern zugutekommen könnte.
«Ich würde den Reset-Knopf nicht drücken»
Dementsprechend forderte SP-Vizepräsidentin Jacqueline Badran (61) eine neue Umsetzung der bereits beschlossenen Mindeststeuer von 15 Prozent für die weltweit grössten Konzerne. Den ganzen Prozess also nochmals von neu auf starten? Den Reset-Knopf drücken?
Vor allem Finanzministerin Karin Keller-Sutter (59) wollte davon nichts wissen – und fuhr auf die Frage von Moderator Sandro Brotz (53) ausgerechnet ihrem Partei- und Bundesratskollegen Ignazio Cassis (62) an den Karren. «Ich würde den Reset-Knopf nicht drücken. Das ist schon einmal nicht gut herausgekommen», sagte Keller-Sutter.
Das Argument kommt ausgerechnet auf Kosten ihres Parteifreundes. Cassis ist das Gesicht der Schweizer Regierung, das hinter den gescheiterten Verhandlungen für ein Rahmenabkommen mit der EU steht. Sieben lange Jahre verhandelten Delegationen der Schweiz und der EU über die Rahmenbedingungen für die zukünftige Zusammenarbeit. Im Mai 2021 brach der Bundesrat die Gespräche einseitig ab. Cassis musste daraufhin als Sündenbock hinhalten, selbst aus der eigenen Partei hagelte es damals Kritik.
Umfragen prognostizieren klares Ja
Es sich mit der internationalen Gemeinschaft und Konzernen verscherzen, Keller-Sutter will dies tunlichst verhindern. Ihr Mitstreiter in der gestrigen Arena, GLP-Präsident Jürg Grossen (53), warnte denn auch vor dem «Risiko, dass die Gelder ins Ausland abfliessen.» Die jetzige Vorlage gebe den grossen Unternehmen Rechts- und Planungssicherheit.
Der Grossteil der Schweizer Bevölkerung steht laut einer Gfs-Umfrage von Mitte Mai auf der Seite von Keller-Sutter und Grossen. 84 Prozent der Befragten wollen der Vorlage am 18. Juni zustimmen. Für Keller-Sutter wäre ein Seitenhieb gegen Parteifreund Cassis, eine Erinnerung an seine öffentliche Schmach, also vielleicht gar nicht nötig gewesen. (ste)