Kulturbeamte stellten sich gegen Kulturminister Alain Berset
So lief der Corona-Krach um die 50er-Limite

Die 50-Personen-Limite für öffentliche Veranstaltungen war im Innendepartement von Alain Berset umstritten. Das Bundesamt für Kultur stellte sich gegen das «faktische Veranstaltungsverbot». Auch die Departemente von Parmelin, Maurer und Keller-Sutter schossen quer.
Publiziert: 24.11.2020 um 09:42 Uhr
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Aktualisiert: 26.11.2020 um 20:29 Uhr
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Maximal 50 Personen dürfen Kulturveranstaltungen besuchen – das sorgt für leere Ränge. Wie hier in einem Kino.
Foto: keystone-sda.ch
Ruedi Studer

Ende Oktober griff der Bundesrat hart durch: Schluss mit Sportanlässen vor Tausenden Zuschauern, fertig mit Kulturevents mit Hunderten Zuhörern. Für öffentliche Veranstaltungen wurde die Besucherzahl auf maximal 50 reduziert. Diese Obergrenze hatte SP-Gesundheitsminister Alain Berset (48) angesichts der Corona-Pandemie in seinem Konsultationsentwurf an Kantone und Ämter vorgeschlagen.

Doch hinter den Kulissen sorgte die neue Limite für Ärger. Und das ausgerechnet in den eigenen Reihen! Das in Bersets Innendepartement angesiedelte Bundesamt für Kultur (BAK) unter Direktorin Isabelle Chassot (55) lehnte sich gegen die Obergrenze auf. «Wir sind mit einer Beschränkung auf 50 Personen nicht einverstanden», wehrte sich das Bundesamt in der Ämterkonsultation, welche BLICK gestützt auf das Öffentlichkeitsgesetz erhalten hat.

«Mit 50 bezahlenden Zuschauern kann keine Veranstaltung kostendeckend durchgeführt werden», monierte das BAK. Es handle sich somit um ein «faktisches Veranstaltungsverbot».

Totalverbot oder 300er-Limite

Deshalb plädierten die Kulturbeamten für ein Totalverbot mit einer «formellen Festsetzung auf 0 Personen». Die Idee dahinter: Damit könnten die Kulturunternehmen wenigstens einfacher Ausfallentschädigungen und Kurzarbeit geltend machen.

Als Alternative sei sonst eine Obergrenze von maximal 300 Besuchern mit Abstands- und Schutzmassnahmen vorzusehen, so das BAK. «Dies würde es wenigstens einigen Kulturunternehmen erlauben, gewisse Veranstaltungen durchzuführen.»

Wirtschaftsdepartement warnte vor Pleiten

Die Kulturverantwortlichen blieben mit ihrer Kritik nicht allein. Besonders harsch reagierte das Wirtschaftsdepartement von SVP-Bundesrat Guy Parmelin (61). Die Vorschläge des Bundesamts für Gesundheit wiesen einige Mängel auf, monierte WBF-Generalsekretärin Nathalie Goumaz in einer Email. Die Massnahmen gingen viel weiter als im Frühjahr.

Besonders mit der 50er-Limite zeigte sich Goumaz «nicht einverstanden» und warnte vor den wirtschaftlichen Konsequenzen. Kultur- oder Sportveranstaltungen mit bloss 50 Zuschauern seien «weder existenzfähig noch rentabel». Die Folge seien Betriebsschliessungen, welche auch auf die Zulieferer Auswirkungen hätten – bis hin zur Pleite. Der Antrag aus dem WBF: Die Verantwortung über Veranstaltungsverbote solle wie bis anhin den Kantonen überlassen und die Schutzkonzepte wo nötig verstärkt werden.

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50er-Blöcke statt Obergrenze

Klar, dass auch das zweite SVP-Departement an der 50er-Limite zu mäkeln hatte. Die Finanzminister Ueli Maurer (69) unterstellte Finanzverwaltung forderte, die Beschränkung «auf 50 Personen pro klar voneinander abgetrennte Gruppen» festzulegen.

So könnten bei Anlässen, wo genügend Platz vorhanden sei – wie etwa bei Sportveranstaltungen in grossen Stadien – «mehr Zuschauer zugelassen werden», schrieb Finanzverwaltungsdirektor Serge Gaillard: «So kann unseres Erachtens der wirtschaftliche Schaden gemindert werden, ohne dass das Ansteckungsrisiko erhöht wird.»

Strengere Schutzkonzepte

Doch auch aus dem Justizdepartements von FDP-Bundesrätin Karin Keller-Sutter (56) kamen Bedenken. «Wo ein Schutzkonzept mit den neu deutlich strengeren Vorgaben gilt, sollte auf eine Beschränkung der Anzahl Personen verzichtet werden», schrieb EJPD-Generalsekretärin Barbara Hübscher.

Auf absolute Zahlen könne man daher verzichten oder diese «doch so hoch ansetzen, dass damit kein faktisches Verbot für gewisse Tätigkeiten erfolgt». Die einzelnen Kantone könnten immer noch weitergehende Massnahmen beschliessen.

Das im EJPD angesiedelte Bundesamt für Justiz beurteilte die 50er-Limite mit Blick auf die strengeren Schutzkonzepte als «unverhältnismässig» und «doch sehr tief». Die wirtschaftlichen Folgen für die betroffenen Branchen seien massiv. Und: «Es bestehen mit den verschärften Schutzkonzepten vernünftige mildere Massnahmen, die geeignet scheinen, um dasselbe epidemiologische Ziel mit massvolleren Konsequenzen erreichen zu können».

Sommaruga wollte 25er-Limite

Den Verschärfungskritikern stellte sich allerdings eine Mehrheit der Kantone entgegen, die für die 50er-Limite plädierten. Und dem Verkehrsdepartement von SP-Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga (60) war die Grenze gar zu lasch. «Bei den Veranstaltungen im öffentlichen Raum beantragen wir eine Obergrenze von 25 Personen», schrieb Uvek-Generalsekretär Matthias Ramsauer.

Gestritten wurde zudem auch um die Obergrenze bei privaten Festen daheim. Berset schlug anfänglich eine Limite von 15 Personen vor. Die wissenschaftliche Taskforce empfahl eine Beschränkung auf 10 Personen als «vernünftig und sozial nachhaltig». Sommarugas Generalsekretariat beantragte gar eine Limite von nur 8 Personen.

Die Generalsekretärinnen in Maurers Finanzdepartement und Amherds Verteidigungsdepartement dagegen hinterfragten, wie die Vorgabe überhaupt kontrolliert werden sollten. «Sehen die Kantone vor, ihre Kontrollaktivitäten zu intensivieren?», so VBS-Generalsekretärin Stéphanie Anliker. Und EFD-Generalsekretärin Rahel von Kaenel befand, eine allenfalls dringliche Empfehlung mache mehr Sinn.

Berset ging auf 15 runter

Berset selbst verschärfte auf den Bundesratsentscheid hin – wohl auch angesichts der innert wenigen Tagen massiv angestiegenen Corona-Fallzahlen – seine Anträge nochmals.

Für öffentliche Veranstaltungen wollte er nur noch 15 Leute zulassen, für Privatfeste 10. Im Bundesrat setzten sich schliesslich die 50er-Limite für öffentliche Events und die 10er-Grenze für Privatfeiern durch.

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