Kritik an Direktzahlungen
Wer aufs Tierwohl schaut, zahlt drauf

Viele Bäuerinnen und Bauern verlieren Geld – weil sie beim Tierschutz mehr leisten, als das Gesetz verlangt. Wer freiwillig strengere Auflagen einhält, hat dadurch einen Nachteil.
Publiziert: 10.03.2024 um 09:03 Uhr
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Aktualisiert: 10.03.2024 um 14:57 Uhr
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Solche «Tierwohl-Ställe» mit Sonnenlicht forderte die Politik.
Foto: Keystone
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Vanessa MistricRedaktorin

Sie hätten tierfreundliche Ställe gebaut, dafür ihr Familieneigentum investiert – und würden nun auf Kosten sitzenbleiben. Das berichteten mehrere Bäuerinnen und Bauern, die sich in den vergangenen Wochen an Bauernprotesten beteiligten.

So auch Beat Schwab, Schweinehalter aus Niederbipp BE, Mitinitiator der «Mahnwachen» der Berner Bauern. Er kritisiert: «Alle wollen Tierwohl, aber niemand will dafür bezahlen.» Mit «niemand» meint er: weder der Bund noch die Detailhändler noch die Kundschaft im Laden.

Jetzt zeigt ein neuer Bericht des Bundesrates: Das Problem betrifft tatsächlich nicht nur einzelne Betriebe, im Gegenteil. Ausgerechnet jene Betriebe, die bei Tierwohlprogrammen des Bundes freiwillig mitmachen und strengere Auflagen einhalten, verlieren dadurch oft Geld.

Der Grund: Die Bundesbeiträge reichen nicht aus, um die Mehrkosten zu decken. Auch die Prämie, welche Detailhändler für «Tierwohlfleisch» zahlen, ist oft nicht kostendeckend. Laut dem Bericht rechneten die Betriebe nicht damit, dass sie auf Kosten sitzenbleiben würden.

Stallluft oft mit Schadstoffen belastet

In diesem Jahr verschärft sich das Problem sogar. Die Detailhändler senkten kürzlich wegen «rückläufiger Nachfrage» die Prämie. Und der Bund hat als Teil seines Sparprogramms per Januar 2024 die Tierwohlbeiträge um 15 Millionen Franken gekürzt: Für eine durchschnittliche Kuh gibt es nur noch 75 statt 90 Franken pro Jahr.

Betroffen sind Betriebe, die beim Tierwohlprogramm «raus» mitmachen. Dieses soll den Anreiz schaffen, Ställe so umzubauen, dass beispielsweise Schweine, Kühe und Hühner mehr an die frische Luft kommen – dafür soll ein Teil des Stalls nach oben offen sein. Die Luft im Stall ist nämlich oft stark mit Schadstoffen belastet.

Es fehlt an Sonnenlicht und somit am wichtigen Vitamin D, die Tiere können sich kaum bewegen. Die Folge sind Krankheiten, welche mit Antibiotika behandelt werden müssen. Zudem geht es um «besonders tierfreundliche» Ställe, in denen die Tiere bequem liegen und sich zwischen verschiedenen Bereichen bewegen können.

Bundesamt sieht keinen Handlungsbedarf

Das zuständige Bundesamt für Landwirtschaft sieht keinen Handlungsbedarf. Der Bericht habe gezeigt, dass Betriebe, bei denen die Umsetzung der Auflagen weniger koste, stärker von Direktzahlungen profitieren. Trotzdem sei der Zweck der Tierwohlprogramme erfüllt, weil sich ausreichend Betriebe an diesen beteiligen würden.

Zuletzt hätten etwa 80 Prozent beim Programm für «besonders tierfreundliche» Ställe mitgemacht, etwa 65 Prozent seien beim Tierwohlprogramm «raus» gewesen.

Swissmilk, der Verband der Schweizer Milchproduktion, kritisiert, viele Betriebe hätten dem politischen Druck nachgegeben und teure Investitionen in Ställe gemacht. Nun würden sie von der Politik dafür bestraft.

Auch Landwirt Urs Haslebacher aus Lohnstorf BE sagte zum «Schweizer Bauer», die Gesellschaft habe sich tierfreundliche Ställe gewünscht, nun falle die Politik den Betrieben in den Rücken.

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