Seit Jahren kämpft der ehemalige Tessiner FDP-Ständerat Dick Marty (75) dafür, dass Konzerne stärker an die Kandare genommen werden. Unter den Bettelbriefen, die das Komitee der Konzernverantwortungs-Initiative regelmässig verschickt hat, prangte stets seine Unterschrift. Doch in der heissen Phase des Abstimmungskampfs macht sich der Kopf hinter der Konzernverantwortungs-Initiative rar.
Öffentliche Auftritte Martys gibt es kaum, Anrufe und SMS laufen meist ins Leere. Selbst als die Initianten heute in Bern an einer Medienkonferenz noch einmal die Trommeln für ihre Initiative rührten, blieb der Platz von Dick Marty leer. Statt am Rednerpult sass der frühere Staatsanwalt des Kantons Tessin im Büro und gab via Skype ein Statement ab.
Marty: «Ich bin optimistisch»
Dabei gibt es für Marty keinen Grund, sich zu verstecken. Der Support für die Initiative ist – zur spürbaren Besorgnis deren Gegner – gross. Mit der SVP Unterwallis hat jüngst sogar eine SVP-Sektion die Ja-Parole beschlossen.
Je näher der Abstimmungstermin rückt, desto nervöser werden die gegnerischen Lager. Und desto gehässiger wird die Diskussion. Marty warf Justizministerin Karin Keller-Sutter an der Medienkonferenz vor, Fake News zu verbreiten. «Ich bin optimistisch, dass wir es schaffen, die Menschen über die Falschinformationen der Bundesrätin und der Gegner aufzuklären», sagte er.
Knatsch um KMU
Einer der grossen Streitpunkte ist, inwiefern nicht nur multinationale Konzerne, sondern auch kleine Firmen von der Initiative betroffen sind. Die Gegner, auch Keller-Sutter, warnen, dass die Initiative KMU und damit der Schweizer Wirtschaft als Ganzes schade.
Dies bestreiten die Initianten vehement. KMU würden im Gegenteil vom Anliegen profitieren, sagte der Zürcher SP-Ständerat Daniel Jositsch (55), wie Marty Co-Präsident des Initiativkomitees. Mit der Initiative würden jene wenigen Konzerne in die Pflicht genommen, die sich heute um Menschenrechte und Umweltstandards foutierten. «Und das kommt allen Schweizer Unternehmen zugute, die heute einen Konkurrenznachteil haben, weil sie anständig wirtschaften.»
Die Initianten weisen zudem das Argument als falsch zurück, dass Konzerne mit der Initiative für etwas haftbar gemacht würden, wofür sie nicht schuld seien. Verstösse gegen Menschenrechte und Umweltstandards gehörten bei manchen Konzernen zum Geschäftsmodell, sagte Chantal Peyer vom Hilfswerk «Brot für alle». Marty lässt auch den Vorwurf, dass die Initiative kolonialistisch sei, weil Schweizer Gerichte Sachverhalte im Ausland beurteilen müssten, nicht gelten. «Ist es denn nicht eher eine koloniale Haltung, wenn man ein Menschenleben in Namibia geringer schätzt als eines in der Schweiz?», fragte er rhetorisch.
Gesetz komme sowieso
Die Befürworter führten weiter an, dass die Konzernverantwortung nicht nur in der Schweiz, sondern international ein grosses Thema sei. In anderen Staaten seien Konzerne für Menschenrechtsverstösse ihrer Töchter bereits haftbar, stellte Marty fest. Sie sei zudem konform mit Empfehlungen verschiedener internationaler Organisationen, bei denen die Schweiz Mitglied ist, wie beispielsweise dem Europarat. Auch in der EU ist ein Lieferkettengesetz in Planung. «Wenn Sie hier Nein sagen, werden wir in ein bis zwei Jahren eine Vorlage des Bundesrats haben, weil wir in ein internationales Korsett eingespannt sind», sagte Jositsch.
Vom Gegenvorschlag, der deutlich weniger weit geht als die Initiative und beispielsweise keine Haftung vorsieht, hält Jositsch gar nichts. Dass er verabschiedet wurde, zeige aber, dass selbst Bundesrat und Parlament akzeptierten, dass es ein Problem gebe. «Und wenn wir ein Problem haben, müssen wir es lösen.»
500'000 Franken für den Endspurt
Die Initianten kündigten an, in den letzten Wochen vor der Abstimmung noch einmal Vollgas zu geben. Tausende Unterstützerinnen und Unterstützer hätten über 800'000 Postkarten bestellt, um damit bei Freunden und Bekannten für ein Ja zu werben. Zudem wird eine Abstimmungszeitung in die Haushalte flattern.
Im Oktober hatte das Komitee in einem Brief dafür noch einmal zu Spenden aufgerufen. Jetzt gehe es um «alles oder nichts». Mindestens eine halbe Million Franken werde für den Abstimmungs-Schlussspurt benötigt, «damit sich die Bevölkerung nicht verunsichern lässt und wir auch das Ständemehr schaffen».
Am 29. November stimmt die Schweiz über die Konzernverantwortungs-Initiative ab. Sie will, dass Unternehmen mit Sitz in der Schweiz dafür haften, wenn sie, ihre Tochterfirmen oder andere kontrollierte Unternehmen im Ausland gegen Menschenrechte oder Umweltstandards verstossen. Im Rahmen einer Sorgfaltsprüfung müssen Unternehmen künftig mögliche Risiken erkennen und geeignete Massnahmen dagegen ergreifen. Diese Sorgfaltspflicht gilt für alle Unternehmen in der Lieferkette.
Dagegen sind Bundesrat und Parlament. Sie argumentieren, dass ein Ja ein Alleingang der Schweiz wäre, der vor allem dem Wirtschaftsstandort schaden würde. Dem Nein-Lager gehören CVP, FDP und SVP an, dazu kommen die Wirtschaftsverbände, allen voran der Dachverband Economiesuisse. Sie befürchten eine Schwächung der Schweizer Unternehmen, den Rückzug von KMU aus Entwicklungsländern, zu viel Bürokratie und erpresserische Klagen.
Dafür sind neben den über hundert Nichtregierungsorganisationen, welche die Initiative ergriffen haben, SP, Grüne, GLP, EVP und BDP. Dazu kommt ein bürgerliches Komitee mit Vertretern von CVP und FDP.
BLICK beantwortet hier die wichtigsten Fragen zur Initiative.
Am 29. November stimmt die Schweiz über die Konzernverantwortungs-Initiative ab. Sie will, dass Unternehmen mit Sitz in der Schweiz dafür haften, wenn sie, ihre Tochterfirmen oder andere kontrollierte Unternehmen im Ausland gegen Menschenrechte oder Umweltstandards verstossen. Im Rahmen einer Sorgfaltsprüfung müssen Unternehmen künftig mögliche Risiken erkennen und geeignete Massnahmen dagegen ergreifen. Diese Sorgfaltspflicht gilt für alle Unternehmen in der Lieferkette.
Dagegen sind Bundesrat und Parlament. Sie argumentieren, dass ein Ja ein Alleingang der Schweiz wäre, der vor allem dem Wirtschaftsstandort schaden würde. Dem Nein-Lager gehören CVP, FDP und SVP an, dazu kommen die Wirtschaftsverbände, allen voran der Dachverband Economiesuisse. Sie befürchten eine Schwächung der Schweizer Unternehmen, den Rückzug von KMU aus Entwicklungsländern, zu viel Bürokratie und erpresserische Klagen.
Dafür sind neben den über hundert Nichtregierungsorganisationen, welche die Initiative ergriffen haben, SP, Grüne, GLP, EVP und BDP. Dazu kommt ein bürgerliches Komitee mit Vertretern von CVP und FDP.
BLICK beantwortet hier die wichtigsten Fragen zur Initiative.
Wird die Initiative abgelehnt, bleibt trotzdem nicht alles beim Alten: Dann tritt der indirekte Gegenvorschlag in Kraft. Im Gegensatz zur Initiative weiss man hier schon ganz konkret, was sich ändern würde. Allzu viel ist es allerdings nicht.
Grosse Unternehmen würden verpflichtet, einmal jährlich einen Bericht abzuliefern, indem sie Rechenschaft über die Achtung von Menschenrechten oder Umweltstandards ablegen. Auf die umstrittene Haftungsregelung verzichtet der Gegenvorschlag. Firmen könnten also auch weiterhin nicht für schwere Menschenrechtsverstösse und Umweltskandale ihrer Tochterfirmen im Ausland vor ein Schweizer Gericht gezogen werden.
Eine Sorgfaltsprüfung müssten Unternehmen nur machen, wenn sie mit Konfliktmineralien wie Gold oder Wolfram zu tun haben oder das Risiko von Kinderarbeit besteht. Für KMU sind Ausnahmen vorgesehen. Der Bundesrat geht davon aus, dass wenige Hundert Unternehmen von den neuen Regeln betroffen wären.
Wird die Initiative abgelehnt, bleibt trotzdem nicht alles beim Alten: Dann tritt der indirekte Gegenvorschlag in Kraft. Im Gegensatz zur Initiative weiss man hier schon ganz konkret, was sich ändern würde. Allzu viel ist es allerdings nicht.
Grosse Unternehmen würden verpflichtet, einmal jährlich einen Bericht abzuliefern, indem sie Rechenschaft über die Achtung von Menschenrechten oder Umweltstandards ablegen. Auf die umstrittene Haftungsregelung verzichtet der Gegenvorschlag. Firmen könnten also auch weiterhin nicht für schwere Menschenrechtsverstösse und Umweltskandale ihrer Tochterfirmen im Ausland vor ein Schweizer Gericht gezogen werden.
Eine Sorgfaltsprüfung müssten Unternehmen nur machen, wenn sie mit Konfliktmineralien wie Gold oder Wolfram zu tun haben oder das Risiko von Kinderarbeit besteht. Für KMU sind Ausnahmen vorgesehen. Der Bundesrat geht davon aus, dass wenige Hundert Unternehmen von den neuen Regeln betroffen wären.