BLICK zeigt, was die Konzern-Initiative ändern könnte
Vom Kongo ans Kantonsgericht

Die Konzernverantwortungs-Initiative will Menschen in Entwicklungsländern helfen. Doch tut sie das auch? BLICK zeigt anhand zweier Beispiele auf, was ein Ja bewirken könnte.
Publiziert: 20.10.2020 um 23:44 Uhr
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Aktualisiert: 07.11.2020 um 21:02 Uhr
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Der Onkel von Eric Mutombo Kasuyi zeigt den Fahrausweis des Verstorbenen.
Foto: Brot für alle
Lea Hartmann

Eine Abkürzung kostete Eric Mutombo Kasuyi (†23) das Leben. Der Familienvater aus der Demokratischen Republik Kongo war im Februar 2014 mit zwei Freunden auf dem Weg zu seinem Onkel in Kolwezi. Sie wählten den direkten Weg über das Gelände der Kupfermine von KCC, einer Tochterfirma des Rohstoffmultis Glencore aus Baar ZG.

Dabei begegneten sie einer Patrouille der Mine, die sie wohl für illegale Kleinschürfer hielt. Die drei Männer nahmen aus Angst vor den Sicherheitsleuten Reissaus, doch Mutombo wurde gefasst. Was anschliessend geschah, ist nicht restlos geklärt. Bekannt ist, dass der junge Mann noch am selben Tag ins Spital gebracht wurde. Laut den Hilfswerken «Brot für alle» und Fastenopfer konnten die Ärzte nur noch Mutombos Tod feststellen.

Glencore trifft heute keine Schuld

Glencore trifft heute für das, was geschah, rechtlich keine Schuld. Selbst wenn bewiesen werden könnte, dass Mutombo von den Sicherheitskräften zu Tode geprügelt wurde und diese unter Befehl der Tochterfirma standen: Der Mutterkonzern in der Schweiz muss für diesen Menschenrechtsverstoss heute nicht geradestehen.

Das will die Konzernverantwortungs-Initiative (Kovi) ändern. Schweizer Unternehmen sollen haftbar gemacht werden können, wenn Tochterfirmen oder andere kontrollierte Unternehmen gegen Menschenrechte oder internationale Umweltstandards verstossen.

Verfahren droht zu versanden

Das heisst: Wenn die Kovi am 29. November angenommen wird, könnte der Fall Mutombo einst vor dem Kantonsgericht Zug landen. Denn im Kongo droht das Verfahren zu versanden.

«Brot für alle» liegen Obduktionsberichte vor, laut denen Mutombo wohl zu Tode geprügelt wurde. Dennoch geht vor Ort im Fall Mutombo nichts mehr. Einen erstinstanzlichen Freispruch hat ein Militärgericht 2017 aufgehoben, weil das Verfahren nicht rechtskonform durchgeführt worden sei. Ein wichtiges Dokument, das für eine Wiederaufnahme des Prozesses notwendig wäre, ist verschwunden.

Käme es wirklich zu einer Klage in der Schweiz?

Unter solchen Umständen wäre eine Klage gegen Glencore nach Annahme der Kovi laut Juristen vorstellbar. Doch ob Mutombos Familie tatsächlich ein Verfahren gegen die Konzernmutter in der Schweiz anstreben würde, ist fraglich. Die Anwälte der Hinterbliebenen müssten belegen können, dass die Konzerntochter im Kongo die Verantwortung für Mutombos Tod trägt. Das dürfte schwierig werden.

Kommt hinzu: Eine Klage wäre für die afrikanische Familie mit einem grossen finanziellen Risiko verbunden. Würde sie den Prozess in der Schweiz verlieren, müsste sie im Minimum die Kosten der Konzernanwälte berappen. «Innert zehn Jahren wird es vielleicht eine Handvoll Klagen geben, die nicht von vornherein aussichtslos sind», schätzt Gregor Geiser (42), Rechtsgutachter des Initiativkomitees. Er verweist auf ein vergleichbares Gesetz in Frankreich, das seit drei Jahren in Kraft ist. Bisher sei es dort zu keiner Schadenersatzklage gekommen.

An Schwefel-Abgasen gestorben

Der Fall Mutombo zeigt, wie schwierig es nach wie vor wäre, die Konzernmütter in der Schweiz juristisch zu belangen.

Ein anderer Glencore-Fall zeigt, dass Tochterfirmen im Ausland schon heute belangt werden, die Kovi aber Verbesserungen für Betroffene bringen könnte: Eine Tochterfirma des Rohstoffkonzerns ist diesen August vor dem höchsten Gericht in Sambia für den Tod der Lokalpolitikerin Beatrice Mithi (†57) schuldig gesprochen worden, wie das Schweizer Fernsehen SRF berichtete.

Bläuliche Schwefelgas-Schwaden, die vom sambischen Kupferschmelzwerk Mopani in die nächste Stadt waberten, kosteten Mithi an Silvester 2013 das Leben. Die Frau war zusammen mit anderen in der Kirche, als einer nach dem anderen zu husten begann. Zu hohe Schwefeldioxid-Abgase der Mine haben über Jahre die Luft in der Region verpestet.

Glencore-Tochter muss Schadenersatz zahlen

Mithi versprach der aufgebrachten Gemeinde damals, mit den Verantwortlichen für die Mine das Gespräch zu suchen. Das geht aus den Gerichtsunterlagen hervor, die BLICK vorliegen. Dazu kam es aber nicht mehr. Die Politikerin erlitt ob der Emissionen einen Asthmaanfall und starb kurz darauf. SRF hat mehrere weitere Todesfälle dokumentiert, die auf die Belastung durch die Mine zurückgehen.

Das Gericht hat nun entschieden, dass Glencore den Hinterbliebenen Mithis umgerechnet 50'000 Franken Schadenersatz zahlen muss. Der frühere Tessiner Staatsanwalt und FDP-Ständerat Dick Marty (75), Co-Präsident des Initiativkomitees, zeigt sich erfreut über das Urteil. Er gibt aber zu bedenken, dass die Familien all der anderen Opfer der Mine noch immer auf Gerechtigkeit warten. «Mit der Initiative wäre Glencore bereits vor Jahren gezwungen gewesen, nicht länger mit zu hohen Schwefeldioxid-Abgasen die Menschen in den Quartieren zu vergiften.»

Die Gegner der Initiative – darunter Economiesuisse – wollten sich auf Anfrage nicht zur Frage äussern, welche Folgen ein Ja aus ihrer Sicht für die beiden Fällen haben könnte. Sie verweisen auf Glencore, wo die Frage ebenfalls unbeantwortet gelassen wird. Zum Fall Mutombo teilt der Konzern mit, dass die Vorfälle von «Brot für alle» irreführend dargestellt würden. Glencore handle im Kongo wie auch in Sambia verantwortungsvoll.

Darum geht es bei der Konzernverantwortungs-Initiative

Am 29. November stimmt die Schweiz über die Konzernverantwortungs-Initiative ab. Sie will, dass Unternehmen mit Sitz in der Schweiz dafür haften, wenn sie, ihre Tochterfirmen oder andere kontrollierte Unternehmen im Ausland gegen Menschenrechte oder Umweltstandards verstossen. Im Rahmen einer Sorgfaltsprüfung müssen Unternehmen künftig mögliche Risiken erkennen und geeignete Massnahmen dagegen ergreifen. Diese Sorgfaltspflicht gilt für alle Unternehmen in der Lieferkette.

Dagegen sind Bundesrat und Parlament. Sie argumentieren, dass ein Ja ein Alleingang der Schweiz wäre, der vor allem dem Wirtschaftsstandort schaden würde. Dem Nein-Lager gehören CVP, FDP und SVP an, dazu kommen die Wirtschaftsverbände, allen voran der Dachverband Economiesuisse. Sie befürchten eine Schwächung der Schweizer Unternehmen, den Rückzug von KMU aus Entwicklungsländern, zu viel Bürokratie und erpresserische Klagen.

Dafür sind neben den über hundert Nichtregierungsorganisationen, welche die Initiative ergriffen haben, SP, Grüne, GLP, EVP und BDP. Dazu kommt ein bürgerliches Komitee mit Vertretern von CVP und FDP.

BLICK beantwortet hier die wichtigsten Fragen zur Initiative.

Am 29. November stimmt die Schweiz über die Konzernverantwortungs-Initiative ab. Sie will, dass Unternehmen mit Sitz in der Schweiz dafür haften, wenn sie, ihre Tochterfirmen oder andere kontrollierte Unternehmen im Ausland gegen Menschenrechte oder Umweltstandards verstossen. Im Rahmen einer Sorgfaltsprüfung müssen Unternehmen künftig mögliche Risiken erkennen und geeignete Massnahmen dagegen ergreifen. Diese Sorgfaltspflicht gilt für alle Unternehmen in der Lieferkette.

Dagegen sind Bundesrat und Parlament. Sie argumentieren, dass ein Ja ein Alleingang der Schweiz wäre, der vor allem dem Wirtschaftsstandort schaden würde. Dem Nein-Lager gehören CVP, FDP und SVP an, dazu kommen die Wirtschaftsverbände, allen voran der Dachverband Economiesuisse. Sie befürchten eine Schwächung der Schweizer Unternehmen, den Rückzug von KMU aus Entwicklungsländern, zu viel Bürokratie und erpresserische Klagen.

Dafür sind neben den über hundert Nichtregierungsorganisationen, welche die Initiative ergriffen haben, SP, Grüne, GLP, EVP und BDP. Dazu kommt ein bürgerliches Komitee mit Vertretern von CVP und FDP.

BLICK beantwortet hier die wichtigsten Fragen zur Initiative.

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