Keine Erbschaftssteuer
«Peter Spuhler sollte über Norwegen nachdenken»

Kjersti Rødsmoen ist die norwegische Botschafterin in Bern. Ein Gespräch über Neutralität, den Nahen Osten, Pressefreiheit, Erbschaftssteuern – und die Hochzeit von Prinzessin Märtha Louise mit einem Schamanen.
Publiziert: 17.08.2024 um 23:59 Uhr
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Aktualisiert: 18.08.2024 um 07:26 Uhr
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Kjersti Rødsmoen ist die norwegische Botschafterin in Bern.
Foto: Philippe Rossier
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Raphael RauchBundeshausredaktor

Frau Botschafterin, Micheline Calmy-Rey, damals Aussenministerin der Schweiz, soll einmal gesagt haben: «Ich habe genug von diesen Norwegern!» Müssen wir uns noch immer Sorgen um die norwegisch-eidgenössischen Beziehungen machen?
Kjersti Rødsmoen: Nein, wir haben eine sehr gute Zusammenarbeit mit der Schweiz in Friedensprozessen und in multinationalen Organisationen. Leider gibt es viel zu viele Konflikte auf der Welt. Sowohl Norwegen als auch die Schweiz haben viel zu tun!

Norwegen ist Nato-Land, also keineswegs neutral – und bietet trotzdem seine Vermittlung zwischen Staaten an, die im Konflikt miteinander stehen, die sogenannten Guten Dienste. Wie passt das zusammen?
Wie die Schweiz haben wir eine lange humanitäre Tradition und stehen in erster Linie auf der Seite des Völkerrechts. Wir sind seit 75 Jahren Nato-Mitglied. Das hindert uns nicht daran, Brücken zu bauen und uns an Friedensinitiativen zu beteiligen.

Norwegen hat vor 31 Jahren den Oslo-Friedensprozess in Gang gesetzt, um zwischen Israel und Palästina zu vermitteln.
Die Lage im Nahen Osten ist höchst besorgniserregend – in Gaza ist sie katastrophal. Wir müssen alles tun, um die Situation zu beruhigen. Unser Aussenminister Espen Barth Eide hat sich sehr aktiv um den Dialog bemüht und gemeinsam mit Saudi-Arabien sowie der EU Unterstützung für die arabische Friedensvision und die Umsetzung einer Zwei-Staaten-Lösung mobilisiert.

Persönlich

Kjersti Rødsmoen (61) ist seit 2022 die norwegische Botschafterin in Bern. Sie ist mit Jens Petter Olsen (63) verheiratet, dem VR-Präsidenten der norwegischen Telefongesellschaft Telenor. Das Paar hat zwei erwachsene Kinder. Vor ihrer Station in Bern war Rødsmoen Botschafterin in Thailand. Dort freundete sie sich mit der heutigen Seco-Chefin Helene Budliger Artieda (59) an, damals Schweizer Botschafterin in Bangkok.

Kjersti Rødsmoen (61) ist seit 2022 die norwegische Botschafterin in Bern. Sie ist mit Jens Petter Olsen (63) verheiratet, dem VR-Präsidenten der norwegischen Telefongesellschaft Telenor. Das Paar hat zwei erwachsene Kinder. Vor ihrer Station in Bern war Rødsmoen Botschafterin in Thailand. Dort freundete sie sich mit der heutigen Seco-Chefin Helene Budliger Artieda (59) an, damals Schweizer Botschafterin in Bangkok.

Im Gegensatz zur Schweiz hat Norwegen Palästina als Staat anerkannt.
Wir sprechen seit drei Jahrzehnten über eine Zwei-Staaten-Lösung. Aber dafür brauchen wir zwei Staaten. Eigentlich wollten wir Palästina erst am Ende eines Friedensprozesses diplomatisch anerkennen. Aber weil keine Lösung in Sicht ist und wir die gemässigten Stimmen auf beiden Seiten unterstützen wollen, sind wir jetzt den 143 Ländern gefolgt, die Palästina bereits anerkannt haben. Dennoch ist Norwegen ein Freund Israels und des israelischen Volks. Wir haben den abscheulichen Terroranschlag der Hamas vom 7. Oktober aufs Schärfste verurteilt und die sofortige und bedingungslose Freilassung der israelischen Geiseln in Gaza gefordert.

Der Schweizer UNRWA-Chef Lazzarini erfährt von Aussenminister Cassis keine grosse Wertschätzung.
Norwegen ist überzeugter Unterstützer des Palästinenser-Hilfswerks UNRWA. Wir haben unsere Unterstützung für die Organisation unter der Führung von Herrn Lazzarini ununterbrochen fortgesetzt und sogar aufgestockt. Untersuchungsberichte haben auf Herausforderungen hingewiesen, und wir sind froh, dass die UNRWA diese in Angriff nimmt. Die UNRWA ist das Rückgrat der humanitären Hilfe für den Gazastreifen.

Haben Sie bei Herrn Cassis protestiert, als er UNRWA-Gelder blockierte?
Nein, das war keine Option. Ich stehe in regelmässigem Kontakt mit Botschafterin Maya Tissafi, die bis vor kurzem das Nahost-Dossier im EDA leitete. Natürlich habe ich ihr den Standpunkt Norwegens erläutert. Wir würden es begrüssen, wenn andere Länder ihre Mittel für die UNRWA aufstocken würden – auch die Schweiz. Insgesamt nehme ich in Norwegen eine grössere Aufmerksamkeit für die palästinensische Zivilbevölkerung wahr als in der Schweiz – bei unseren Politikern, aber auch in der Bevölkerung.

Blicken wir auf Ihr unmittelbares Arbeitsgebiet: Im letzten Jahr zogen einige Norweger aus steuerlichen Gründen nach Andermatt. Ärgert Sie das?
Norwegerinnen und Norweger fühlten sich schon immer von der schönen und sicheren Schweiz angezogen – sei es für die Arbeit, die Liebe oder das Studium. Meine norwegischen Mitbürgerinnen und Mitbürger kommen aus allen möglichen Bereichen; sie leben überall in der Schweiz und fühlen sich, genau wie ich, hier gut aufgenommen und wertgeschätzt. In letzter Zeit hat die Zahl leicht zugenommen. Das hat damit zu tun, dass die norwegische Regierung Änderungen am Steuersystem vorgenommen hat. Es gab auch die Befürchtung, dass unsere Regierung eine Erbschaftssteuer einführen würde.

Und – hat sie das getan?
Die derzeitige Regierung hat klargestellt, dass sie keine Erbschaftssteuer plant. 

Der Schweizer Unternehmer Peter Spuhler droht damit, auszuwandern, sollte in der Schweiz eine Erbschaftssteuer für Millionäre eingeführt werden.
Ich kenne ihn nicht, aber vielleicht sollte er über Norwegen nachdenken (lacht).

Es gibt praktisch keinen Konflikt zwischen Norwegen und der Schweiz. In der Uno kritisiert Ihr Land jedoch die mangelnde Pressefreiheit hierzulande. Recherchen zur Credit Suisse wie «Swiss Secrets» müssen deshalb ausländische Journalisten übernehmen.
Im Uno-Menschenrechtsrat in Genf überprüfen wir die Situation in den einzelnen Ländern. Wir haben der Schweiz empfohlen, Massnahmen zu ergreifen, um die Pressefreiheit zu gewährleisten, sodass die Verbreitung von Informationen im öffentlichen Interesse in keiner Weise behindert wird. Dazu gehört auch die Straffreiheit für Whistleblower, die Informationen zur Aufdeckung von Missständen veröffentlichen.

Der norwegische Staatsfonds hat sich immer wieder kritisch über das Management der Credit Suisse geäussert.
Der norwegische Staatsfonds ist der grösste der Welt. Zu seinen Aufgaben gehört es, sich ein Bild von den Unternehmen zu machen, in die er investiert. Der Fonds hat Vertrauen in die Schweizer Wirtschaft, denn er hat rund 40 Milliarden Franken in Unternehmen wie Nestlé und UBS investiert. Der norwegische Staatsfonds ist der grösste UBS-Aktionär.

Sprechen wir noch über Ihr Königshaus: Harald V. ist 87 Jahre alt. Kürzlich musste er per Krankentransport von Malaysia nach Norwegen gebracht werden. Denkt er an eine Abdankung?
Nein – glücklicherweise geht es ihm jetzt viel besser! Nach dem Rücktritt der dänischen Königin Margrethe II. wurde er gefragt, ob er ähnliche Pläne habe – was er verneinte. Wir Norweger sind unserem König sehr zugetan. 

Kronprinz Haakon nimmt regelmässig am WEF in Davos teil. Wann kommt der König in die Schweiz?
Das weiss ich nicht, aber die Schweiz hat auch einen festen Platz im Herzen von Königin Sonja. Sie absolvierte eine Berufsausbildung in Lausanne.

Am 31. August heiratet Prinzessin Märtha Louise den Schamanen Durek Verrett, der im US-Fernsehen auch über Sex und Orgasmus sprach. Wie fielen die Reaktionen in Norwegen aus?
Ich persönlich habe die Sendung nicht gesehen, aber im Allgemeinen sind wir Norweger nicht verklemmt (lacht). Der norwegische König hat gesagt, dass wir die kulturellen Unterschiede berücksichtigen müssen und dass Durek Verrett in der Familie sehr willkommen ist. Wir freuen uns auf die Hochzeit und wollen, dass die beiden glücklich werden!

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