Wegzug wegen Juso-Initiative
Das sind die Topdestinationen für wohlhabende Schweizer

Seit Peter Spuhler die Diskussion um die «Enteignungs-Initiative» in Schwung gebracht hat, folgen immer mehr Superreiche dem Beispiel des Thurgauer Unternehmers und erwägen ihren Wegzug aus der Schweiz.
Publiziert: 11.08.2024 um 14:33 Uhr
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Aktualisiert: 12.08.2024 um 10:08 Uhr
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Nach Mailand ziehen viele Reiche hin: Italien bietet ein attraktives Steuerumfeld für vermögende Personen.
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Beat SchmidFester Mitarbeiter Blick

Es ist eine Blitzkarriere: Ende Juni wurde Mirjam Hostetmann zur Juso-Präsidentin gewählt. Einen Monat später beherrscht die 24-Jährige bereits die Schlagzeilen. Diese Woche schaffte sie es in die Topnews von Bloomberg. Das führende US-Wirtschaftsmedium veröffentlichte einen langen Artikel über die Folgen der Erbschaftssteuer, die die Jusos in der Schweiz einführen wollen.

Hostetmann kann sich bei Peter Spuhler (65) bedanken, dass die Vorlage überhaupt intensiv diskutiert wird – mit seiner spektakulären Wegzugsdrohung machte der Bahnunternehmer aus Bussnang TG die Initiative erst zum Thema. Hätte er nicht so laut gegen die «Enteignungs-Initiative» gepoltert, würde kein Hahn danach krähen – nicht in der Schweiz und schon gar nicht im Ausland.

Nun ist der Schaden angerichtet: «Sogar die Schweiz diskutiert höhere Steuern für Superreiche», titelte Bloomberg am Mittwoch. Die inzwischen internationale Debatte zeigt Wirkung: Immer mehr reiche Schweizerinnen und Schweizer erwägen einen Wegzug ins Ausland. Das zeigen Zahlen von Henley & Partners, einer weltweit tätigen Beratungsfirma, die vermögende Familien in Steuerfragen und in Sachen Citizenship by Investment berät, dem Landeswechsel von Wirtschaftsgrössen.

Anfragen um 26 Prozent gestiegen

Laut Jacopo Zamboni, der bei Henley & Partners Schweizer Kunden betreut, nahmen Anfragen von ausreisewilligen Schweizern bereits vor Spuhlers Drohung zu. 2023 verzeichnete das Beratungsunternehmen fast viermal so viele Anfragen wie 2020. «Dieses Jahr dürfte ein neues Rekordjahr werden», sagt Zamboni. Bereits im ersten Halbjahr 2024 sei die Zahl der Anfragen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 26 Prozent gestiegen.

«Die Initiative der Jusos ist zweifellos einer der Hauptgründe für den jüngsten Anstieg des Interesses und der Anfragen», so Zamboni weiter. Obwohl die Abstimmung wahrscheinlich erst 2026 stattfinden wird, zeigt sie bereits jetzt Wirkung bei wohlhabenden Kunden: Sie suchten nach «alternativen Wohnsitzen und Staatsbürgerschaftsoptionen».

Doch das ist viel Lärm um nichts. Laut einer diese Woche veröffentlichten Umfrage lehnen 73 Prozent der Stimmberechtigten die Initiative ab. Aber «Perception Is Reality», sagt ein angelsächsisches Sprichwort – Wahrnehmung ist Wirklichkeit. Deshalb beginnt in der Schweiz trotz allem das grosse Zittern – bei Spuhler, bei bürgerlichen Politikern und bei den Wirtschaftsverbänden. Sie fürchten, dass die Schweiz ihren Status als Reduit der Reichen und Besitzenden verlieren könnte. Nach dem Fall des Bankgeheimnisses drohe nun das Ende des Steuerparadieses.

Viele ultrareiche Norweger strömten in den letzten Jahren in die Schweiz, nachdem die sozialdemokratische Regierung in Oslo die Vermögenssteuer für die Spitzenverdiener praktisch verdoppelt hatte. Heute würden es sich viele zweimal überlegen, nochmals ihre Schriften von den Hügeln Oslos nach Luzern oder Andermatt zu verlegen. «Es ist ein sehr radikaler Vorschlag, und ich bin überzeugt, dass er negative Auswirkungen auf viele Unternehmer haben wird», sagte der Norweger Tord Kolstad in einem Interview. «Auch wenn ich in der Schweiz sehr glücklich bin, würde ich es mir noch einmal überlegen, wenn das durchkommt.»

Die beliebtesten Fluchtorte

Es scheint, als verschieben sich in der Wirtschaft tektonische Platten. Nicht nur in der Schweiz. In mehreren europäischen Staaten erhöhen die Regierungen die Steuern und schaffen Privilegien für reiche Ausländer ab. In Grossbritannien plant die Labour-Regierung von Premierminister Keir Starmer eine weitgehende Abschaffung der steuerlichen Vorzugsbehandlung für reiche Ausländer. Zudem gibt es einen Vorstoss, die Steuern auf Kapitalerträge und Erbschaften zu erhöhen.

In Frankreich droht die politische Opposition, die wirtschaftsfreundliche Besteuerung der letzten Jahrzehnte zu kippen. Das Linksbündnis versprach, Milliardäre stärker zu besteuern, und gewann daraufhin die meisten Sitze. «Seit den Wahlen in Grossbritannien und Frankreich verzeichnen wir einen deutlichen Anstieg der Anfragen aus diesen Ländern, heisst es bei Henley & Partners.

Fluchtorte gibt es weiterhin: Zu den von Schweizern am häufigsten nachgefragten Orten gehören laut dem Beratungsunternehmen die Vereinigten Arabischen Emirate, also Dubai oder Abu Dhabi, zudem Thailand, Griechenland und Italien. Zwar hat die italienische Regierung vor ein paar Tagen angekündigt, die Pauschalsteuer für reiche Neuankömmlinge von 100’000 auf 200’000 Euro zu verdoppeln. Doch «Bella Italia» bleibt vor allem für Pensionierte attraktiv: Sämtliche Einkommensarten werden mit einem Pauschalsteuersatz von sieben Prozent besteuert.

Laut Henley & Partners jedoch wechseln Reiche niemals nur wegen der Steuern das Land. Oft sei aber «eine Steuererhöhung der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt».

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