Auf einen Blick
- Stimmvolk stimmt im November über einheitliche Gesundheitsfinanzierung ab
- Ein Teil der Ärzte kritisiert höhere Belastung für Prämienzahlende
- FMH lehnte Veröffentlichung eines kritischen Artikels zur Reform ab
Am 24. November steht die nächste Gesundheitsreform zur Abstimmung. Im vergangenen Dezember gelang – nach 14 Jahren Beratungen im Parlament – der Durchbruch bei der einheitlichen Finanzierung von ambulanten und stationären Behandlungen (Efas). Doch die Vorlage sorgt für Zündstoff – auch innerhalb des Berufsverbands Schweizer Ärztinnen und Ärzte (FMH).
Der Verband unterstützt die Reform. In der FMH stehen allerdings nicht alle geschlossen dahinter. Es gibt auch Mitglieder, die Alarm schlagen. Einer von ihnen ist der ehemalige Kinderarzt Daniel Bracher (84).
Zwar sagt dieser, er unterstütze die Efas-Reform grundsätzlich – aber nicht auf Kosten der Prämienzahlenden. «Es kann nicht sein, dass sie am Ende mehr belastet werden. Und zwar, weil die Versicherten neu stärker an der Finanzierung der Pflege beteiligt werden.» Zudem über er Kritik an seinem Berufsstand: «Wir Ärzte tun zu wenig, um die Effizienz im Gesundheitswesen zu steigern und die Prämien zu senken.»
Artikel in Ärztezeitung abgelehnt
Rückendeckung erhält er vom St. Galler Gynäkologen Robert Schönenberger (67). Dieser sagt: «Efas verändert die Finanzierungslogik im Gesundheitswesen grundlegend. Denn: Mit Efas erhalten die Krankenkassen mehr Macht, da sie zum Hauptfinanzierer des Gesundheitssystems werden. Das wird zwangsläufig zu einer Mehrbelastung für die Versicherten führen.»
Gemeinsam mit anderen Berufskolleginnen und -Kollegen hat Bracher darum im vergangenen Frühjahr einen Artikel für das Verbandsorgan, die Ärztezeitung, verfasst. Im Text riefen sie zum Referendum auf. Allein: Ihre Stimmen fanden kein Gehör. Die Ärztezeitung, die von der FMH mitherausgegeben wird, lehnte die Publikation des Textes ab.
Der Grund: Die Delegiertenversammlung, die für politische Entscheidungen bei der FMH zuständig ist, hätte zu diesem Zeitpunkt bereits den Beschluss gefasst, Efas zu unterstützen, wie es beim Verband auf Anfrage heisst. Bracher durfte seine Kritik dann in einem Leserbrief formulieren, der im März publiziert wurde. Auf diesen hat schliesslich die oberste Ärztin höchstselbst, Yvonne Gilli (67), eine Replik verfasst.
«Kein demokratischer Prozess»
Nur ein kleines Trostpflaster für Bracher. Er kritisiert, dass die FMH darauf dränge, Efas durchzusetzen, ohne dabei vorgängig Diskussionen zuzulassen. «Das ist kein demokratischer Prozess. Der Vorstand hat beschlossen, Efas zu unterstützen, und dabei jegliche Kehrtwende verhindert – aus Angst, ansonsten an politischem Einfluss zu verlieren.»
Dem hält die FMH entgegen, dass sie durchaus Diskussionen zulasse. «Im Hinblick auf die politische Parolenfassung werden die verschiedenen Meinungen lebhaft diskutiert und es wird in den dafür zuständigen Gremien demokratisch entschieden.» Erst danach positioniere sich die FMH öffentlich.
Leidensdruck für Spitäler und Prämienzahler höher als für Ärzte
Schönenberger beobachtet ebenfalls einen schwindenden Einfluss der FMH. Diese habe sich jahrelang gegen jede politische Reform im Gesundheitswesen gestellt und dadurch ihre Lobby in Bundesbern verloren. «Jetzt präsentiert sie sich einig mit dem Parlament, weil nach so vielen Jahren der Efas-Verhandlungen ein Misserfolg für beide Lager undenkbar ist.»
Wenn es der FMH nun möglich sei, ihre Mitglieder schadlos zu halten, mache sie mit. Sollte sich die vermeintlichen Vorteile aus der Reform später als Nachteile herausstellen, werde sie wieder anders reagieren. «Da schwingt ein gewisser Fatalismus mit», findet der St. Galler Arzt.
Für die Kritiker ist klar: Die Mehrheit der Ärztinnen und Ärzte folgen der FMH. Der Grund sei so einfach wie logisch: Für sie wird die Gesundheitsreform als Sparvorlage verkauft, ohne dass sie selbst dabei unter finanziellen Druck gerieten. Der Leidensdruck treffe also wahrscheinlich die Spitäler und die Prämienzahlenden, nicht aber die Ärzteschaft. «Wenn diese wirklich finanziell betroffen wäre, wäre sie sicher dagegen.»