Ende März war Gesundheitsminister Alain Berset (49) deutlich: Jetzt hängt alles an den Kantonen! Denn die heiss ersehnten Corona-Impfstoffe stehen endlich bereit. Jetzt nach Ostern hätten die Kantone den Impfturbo zünden müssen. «Jeden Monat, den wir schneller impfen können, können wir Menschenleben retten», mahnte Bundespräsident Guy Parmelin (61).
Das Ziel: Bis Ende Juli sollen in der Schweiz zwischen 5 und 5,5 Millionen Menschen vollständig geimpft sein. Dafür sind rund 100'000 Pikse pro Tag nötig. Der oberste Kantonsarzt, Rudolf Hauri, zeigte sich im «Tages-Anzeiger» sogar zuversichtlich, dass die Kapazitäten in den Kantonen für bis zu 150'000 Impfungen am Tag reichen.
Gerade mal ein Fünftel des Impfziels
Doch nun zeigt sich: Trotz monatelanger Vorbereitungszeit kommt die Impf-Offensive einfach nicht in die Gänge. Das belegen die Zahlen des Bundesamts für Gesundheit (BAG) vom Freitag. So wurden vom 1. bis 7. April schweizweit 155'053 Dosen verimpft. Das sind im Schnitt täglich bloss 22'150 Impfungen – gerade mal ein Fünftel des Impfziels!
Und nicht nur das. Im Vergleich zur Vorwoche ist die Impfkadenz sogar um 20 Prozent gesunken. Verschiedene Kantone hatten über Ostern nämlich ihre Impfzentren geschlossen oder nur auf Sparflamme betrieben. Auch Dosen, die an Hausärzte weitergeleitet wurden, blieben meist liegen. Denn auch viele Ärzte haben über die Festtage die Schotten dichtgemacht.
So wurden bis Mittwoch total 1'697'339 Impfungen gespritzt. 407'229 Personen sind mittlerweile einmal geimpft. 645'055 haben beide Dosen erhalten. Das sind 7,4 Prozent der Bevölkerung. Inzwischen impfen sogar die Deutschen und die Franzosen schneller.
Kantone fahren teilweise erst ab Mai mit Volldampf
Bis jetzt beklagten die Kantone stets, es mangle an Impfstoff. Nur deshalb gehe es nicht vorwärts. Nur daran kann es aber nicht mehr liegen. Allein bei den Kantonen lagern derzeit 510'486 ungenutzte Dosen. Weitere 182'500 liegen beim Bund. Zudem: Blick weiss, dass die Schweiz bereits Anfang kommender Woche wohl weitere 500'000 Impfdosen erhält. Damit stehen dann fast 1,2 Millionen Impfdosen bereit. Bis Ende Juli sollen total gar 10,5 Millionen Dosen im Land sein.
Der Impfstoff-Engpass ist damit passé. So hatte es das BAG vorhergesagt – aber die nötigen Kapazitäten in den Kantonen sind trotzdem nicht bereit. Beispiel Bern: Anteilmässig sollte der Kanton täglich rund 12'000 Dosen verimpfen, damit die Schweiz das Ziel von 100'000 erreichen kann. Erstmals seien an einem Tag 7000 Personen gepikst worden, gab Gesundheitsdirektor Pierre Alain Schnegg (59) am Freitag aber bekannt.
Wie viele andere Kantone ist auch Bern erst jetzt daran, die Kapazitäten tatsächlich hochzuschrauben. Demnächst öffnen einige der neun Zentren zusätzlich an Samstagen, ab Mai auch an Sonntagen. Und Anfang Mai wird ein zusätzliches zehntes Impfzentrum auf dem BEA-Gelände eröffnet. Neu kommen auch die Hausärzte hinzu: Über 200 Praxen werden Impfungen verabreichen. Erst dann kann der Kanton Bern mit Volldampf impfen.
Zürich trödelt, Uri macht vorwärts
Der Kanton Zürich wiederum argumentiert noch immer, die Kapazitäten würden erst erweitert, wenn genügend Impfstoff vorhanden ist. Derzeit können rund 35'000 Impfungen pro Woche verabreicht werden, also etwa 5000 pro Tag. Die Kapazitäten wären bis auf gut 7000 Dosen täglich zu steigern. Nur: Das reicht noch lange nicht. Um die Ziele zu erreichen, müsste Zürich anteilmässig 18'000 Spritzen setzen – jeden Tag.
Auch sonst steht Zürich nicht gut da. So hat der grösste Kanton bisher keine zwei Drittel (65,7 Prozent) seiner Dosen verimpft. Landesweit steht er damit vor dem Tessin (65,2 Prozent) an zweitletzter Stelle.
Ohnehin lassen die BAG-Zahlen grosse Unterschiede beim Impftempo erkennen. So hat etwa Uri schon mehr als 24 Dosen pro 100 Einwohner verabreicht (siehe Tabelle). Damit ist der Kanton am allerschnellsten. Die Kantone Neuenburg und Genf folgen Uri mit je rund 23 Dosen.
Auch hier steht der Kanton Zürich am schlechtesten da – er führt die Schneckentempo-Liste mit gut 15 verabreichten Dosen pro 100 Einwohner an. Etwas besser sind Nidwalden und Schwyz mit je gut 18 Dosen auf 100 Einwohner unterwegs. Sollen bis Ende Juli also tatsächlich alle Schweizerinnen und Schweizer geimpft sein, dann muss es jetzt massiv rascher vorwärtsgehen. Endgültig.