Kampfjet-Beschaffung
Der Luftkampf geht erst so richtig los

Die Flugzeuganbieter reichen am Mittwoch ihre zweite Offerte ein. Es ist vorerst die letzte Gelegenheit, um den Entscheid der Schweiz für einen neuen Kampfjet zu beeinflussen. Die Hersteller lassen nichts unversucht.
Publiziert: 18.11.2020 um 08:42 Uhr
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Aktualisiert: 06.05.2021 um 08:21 Uhr
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Es wird allein der Bundesrat um Verteidigungsministerin Viola Amherd sein, der den neuen Flugzeugtyp für die Schweiz auswählt.
Foto: Keystone
Daniel Ballmer

Die vier im Rennen verbliebenen Kampfflugzeug-Hersteller lassen nicht locker. Dabei ist der Abstimmungskampf längst vorbei. Mit hauchdünnem Mehr sagte die Schweiz Ende September Ja zu maximal sechs Milliarden Franken für neue Jets. Für CVP-Bundesrätin Viola Amherd (58) und ihr Verteidigungsdepartement ist es gerade noch mal gut gegangen.

Nun sind die Experten des Bundes am Zug. Sie prüfen die Flugzeuge auf Herz und Nieren. Am Mittwoch reichen die Anbieter ihre überarbeiteten Offerten ein. Im Rennen sind noch die US-Hersteller Lockheed Martin mit dem F-35 sowie Boeing mit dem Super Hornet, der Rafale-Kampfjet des französischen Konzerns Dassault und der Eurofighter von Airbus.

Nun zählen nur noch Fakten

Nach den Testflügen vergangenes Jahr ermittelt die Verwaltung das beste Kosten-Nutzen-Ergebnis. Gestützt darauf wählt der Bundesrat im Mai einen Flugzeugtyp aus. Das Parlament kann den Entscheid nur noch absegnen.

Diesen Entscheid können die vier Anbieter eigentlich nicht mehr beeinflussen. Nun zählen nur noch technische Fakten. Und die Kosten. Dennoch: Erst jetzt schiessen die Lobbyisten so richtig aus allen Rohren.

Besonders umtriebig sind die Amerikaner

Sie suchen das Gespräch mit Parlamentsmitgliedern oder Journalisten. Selbst Botschafter schalten sich in die Kampagne ein und versuchen, zu ausgewählten Politikern Kontakte zu knüpfen. Inserate in Zeitschriften werden geschaltet, und in den sozialen Medien werben die umtriebigen Konzerne für ihre Produkte. US-Flugzeugbauer Lockheed Martin ist besonders umtriebig.

«Unsere Social-Media-Inhalte sollen das Publikum über den F-35 und die Fähigkeiten und Vorteile informieren, die der Jet der Schweizer Luftwaffe bieten würde», erklärt der US-Rüstungskonzern auf Anfrage von BLICK. «Wir glauben, dass dies ein gültiger und nützlicher Beitrag zu einer faktenbasierten Diskussion ist.» Die Richtlinien der Schweizer Behörden würden dabei stets eingehalten.

Airbus bietet gleich vier Botschafter auf

Darüber liesse sich vermutlich streiten. Denn das Verteidigungsdepartement (VBS) empfiehlt den Kandidaten nach wie vor, öffentlich zurückhaltend zu kommunizieren, erklärt VBS-Sprecher Lorenz Frischknecht. Doch damit ist es längst vorbei.

Zur Einreichung der zweiten Offerten haben für Donnerstag gleich mehrere Anbieter die Medien eingeladen. Neben Lockheed Martin auch der internationale Airbus-Konzern, der alles aufbietet, was Rang und Namen hat: Gleich die vier Botschafter von Deutschland, Spanien, Grossbritannien und Italien werden vor die Medien treten.

Das verstärkte Lobbying wird auch in Militärkreisen wahrgenommen. «Die Anbieter versuchen alles, um sich in eine möglichst gute Position zu bringen», ist zu hören. «Niemand scheint sich später verwerfen lassen zu wollen, nicht alles für den Deal getan zu haben. Es geht um viel», sagt ein höherer Militärangehöriger.

Politiker verstehen das Buhlen nicht

Schweizer Sicherheitspolitiker zeigen sich von dem Buhlen eher verwirrt. Denn weder Bevölkerung noch Parlament könnten bei der Typenwahl mitreden. «Oder glauben sie tatsächlich, dass sie damit auf die Experten des Bundes oder den Bundesrat Einfluss nehmen können?», fragt sich SP-Nationalrätin Priska Seiler Graf (52).

«Wir werden den weiteren Beschaffungsprozess jedenfalls mit Argusaugen verfolgen, damit auch sicher alle Abläufe sauber und transparent erfolgen», betont sie. Die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA) hat gar mit einer erneuten Initiative gedroht, sollte es zu Unregelmässigkeiten kommen. Sämtliche Einflussversuche seien daher chancenlos, glauben viele.

Der Versuch, indirekt Einfluss zu nehmen

PR-Profis zeigen sich von der Werbe-Offensive dagegen wenig überrascht. Die Anbieter liessen nichts unversucht, um zum Zug zu kommen, sagt ein Lobbyist, der selber schon an einem Beschaffungsprozess beteiligt war. Zwar können die Hersteller den Entscheid nicht direkt beeinflussen. Aber: «Man will ein günstiges Klima schaffen für den eigenen Flieger, falls es doch nochmals zur Abstimmung kommt.»

Gleichzeitig werde versucht, doch noch Parlamentarier für sich zu gewinnen. Diese könnten zwar nicht entscheiden, würden sich aber gegenseitig austauschen. «Über informelle Wege kann das dann zur Armasuisse oder bis in den Bundesrat gelangen», sagt der PR-Profi, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. «Jeder redet mit jedem.»

So könnten die Hersteller den Entscheid zwar nicht direkt beeinflussen, indirekt aber vielleicht schon. «Sie werden nichts unversucht lassen», ist der Experte überzeugt. «Es geht schliesslich um sehr viel Geld.»

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